Clementina Gilly (auch Gilli) (geboren 26. April 1858 in Modena, gestorben 21. November 1942 in Zuoz[1] war eine Dichterin und Übersetzerin mit Künstlername Clio.
Sie arbeitete als Dichterin unter dem Pseudonym Clio und wirkte auch als Übersetzerin aus dem Italienischen, Französischen, Deutschen und Englischen ins rätoromanische Putèr und war Mitarbeiterin von Anton Velleman in der Herausgabe der Oberengadiner Grammatik und dem Ladinischen Notwörterbuch (d. h. Kurzwörterbuch) mit den deutschen, französischen und englischen Entsprechungen. Ihr Leben widmete sie der kulturellen Entwicklung der romanischen Sprache.
Die Tochter von Ambrosio Gilly und Maria Planta, Clementina, kam am 26. April 1858 in Modena, Italien zur Welt. Die Familie Gilly besaß dort Handelsgeschäfte, behielt aber ihren Wohnsitz in einem mächtigen Haus in Zuoz. Das im italienischen Stil erbaute Haus, als Kaufhaus konzipiert, gehörte seit dem 18. Jahrhundert der Familie Gilly.
Clementina wuchs mit ihren älteren Brüdern, Rudolf (1852–1926) und Alfons (1853–1930), und den jüngeren Schwestern, Anna Ambrosina (1865–1921) und Vittorina (1872–1939), in Modena und Zuoz auf. Als Jugendliche besuchte Clementina ein Mädchenpensionat in Padova (Italien), wo sie Sprachen lernte und eine sehr gute Allgemeinbildung erhielt.
Ab 1875 lebte Clementina Gilly wieder in Zuoz, wo sie von ca. 1899 bis 1911 als Postgehilfin arbeitete. Ausgesprochen künstlerisch begabt, sang sie im Frauenchor und spielte im Dorf-Theater mit. Sie entwarf und führte auch sehr viele Handarbeiten aus. Zum Beispiel stickte sie die Polster für zwölf Stühle mit verschiedenen Blumenmotiven. Doch die Literatur und die Sprachen lagen ihr am nächsten.
Clementina war in der Redaktion und Herausgabe von Zeitschriften und Jahrbüchern tätig. Dank ihrer breiten Sprachkenntnisse wurde sie zu einer bedeutenden Vermittlerin von lyrischer, erzählender aber auch dramatischer Literatur. Ab 1909 übersetzte sie Texte aus dem Deutschen, Italienischen, Französischen und Englischen ins Oberengadiner Idiom „Putèr“, beispielsweise Gedichte, Theaterstücke, Romane und Novellen der Autoren Heinrich Federer, Theodor Storm, Jeremias Gotthelf, Conrad Ferdinand Meyer und Francesco Chiesa sowie Schillers „Wilhelm Tell“ (1940) und „Nicolas de Flüe“ von Denis de Rougement.
Ihre zahlreichen, eigenen Gedichte erschienen in Zeitschriften wie dem „Fögl d'Engiadina“ und im „Chalender Ladin“ unter ihrem Pseudonym „Clio“. Sie publizierte ihre Gedichte im 1926 als Sammelband unter dem Titel „Fruonzla“, auf Deutsch „Dürre Holzzweige“ und widmete das erste Gedicht dem „geneigten Leser“. Sie bekam 1930 einen Preis der Schweizerische Schillerstiftung für „Fruonzla“[2] und eine Ehrengabe in 1938. Ihre Prosa konzentrierte sich auf Mensch, Natur und Heimat.
Clementina liebte Kinder und trug sehr häufig zu Lehrbüchern und Publikationen für Schüler bei. Als Liebhaberin von Gesang übersetzte sie auch schöne Lieder ins Romanisch. Auf der Fassade des Zuozer Schulhauses, neben dem Bild des heiligen Georg, steht der Leitvers von Clementina: „Per il bön, sforz cumön ed al mêl, cuolp mortêl“ (Für das Gute, gemeinsame Anstrengung und für das Böse, den Todesstoß).
Wieser schreibt in „Zuoz: Geschichte und Gegenwart“ (S. 31): „Eine Brücke bis zum Zweiten Weltkrieg bildet das stille Wirken von Clementina Gilly (1858-1942). (…) Neben einer verhaltenen Lyrik unter dem Pseudonym Clio hat sie zahlreiche Romane und Novellen ins Oberengadinische übersetzt.“.
Grosse Verdienste um das Romanisch erwarb sich Clementina durch ihr intensives Mitwirken an der grossen Grammatik des Oberengadiner Romanisch und dem Wörterbuch Ladinisch-Deutsch-Französisch-Englisch von Anton Velleman (15. Mai 1875 in Wien, Österreich – 16. Februar 1962 in Genf, Schweiz). Vellemann wurde erster Direktor des Lyceum Alpinum (Zuoz). Der gebürtige Österreicher entwickelte ein spezielles Gespür für die lokale rätoromanische Situation. Im Jahr 1915 veröffentlichte er den ersten Band seiner Ladinische Grammatik von der Sprache Putèr. Er zog 1917 nach Genf um, von wo er den zweiten Teil seiner Grammatik 1924 veröffentlichte. Clementina reiste nach Genf, um ihm bei der Vorbereitung das „Ladinische Notwörterbuch mit deutscher, französischer und englischer Übersetzung und zahlreichen topograph. und demograph. Angaben.“ (s. in der Bibliographie unter Dicziunari scurznieu…) zu helfen. Das Werk wurde 1929 herausgegeben.
Die ledige Clementina übernahm einen Teil des Familienhauses in Zuoz, während ihr Bruder Alfons und seine Ehefrau, Emmy Josty, im Teil nebenan wohnten. Clementina pflegte Kontakt mit ihrer ausgedehnten Familie und ihrem Freundeskreis. Sie schrieb und übersetzte bis zu ihrem Tod mit 84 Jahren am 21. November 1942 in Zuoz.
Personendaten | |
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NAME | Gilly, Clementina |
ALTERNATIVNAMEN | Gilli, Clementina; Clio (Künstlername) |
KURZBESCHREIBUNG | schweizerische Dichterin und Übersetzerin |
GEBURTSDATUM | 26. April 1858 |
GEBURTSORT | Modena |
STERBEDATUM | 21. November 1942 |
STERBEORT | Zuoz |