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Dirk Christiaan Hesseling (* 15. Juli 1859 in Amsterdam; † 6. April 1941 in Wassenaar) war ein niederländischer Klassischer Philologe, Byzantinist und Neogräzist sowie Sprachwissenschaftler und als solcher Pionier der Kreolistik.

D.C. Hesseling
D.C. Hesseling

Leben und Wirken


Hesseling entstammte einer reichen Kaufmannsfamilie und besuchte zunächst eine Handelsschule. Seine weiten Interessen führten jedoch dazu, dass er 1878 ein Studium der Klassischen Philologie an der Universität Leiden aufnahm. Dort wurde er 1886 mit einer archäologisch ausgerichteten Dissertation De usu coronarum apud Graecos (Über den Gebrauch der Kränze bei den Griechen) bei Carel Gabriel Cobet promoviert. Im Anschluss erhielt er eine Anstellung als Lehrer an einem Gymnasium in Delft, die er acht Jahre lang ausübte. Am 12. August 1886 heiratete Hesseling in 's Gravenhage Anna Hendrika Salverda de Grave, mit der er zwei Kinder hatte.

Nach einer Griechenlandreise und der Lektüre von Jean Psicharis extrem demotisierender Reisebeschreibung Meine Reise (Το ταξίδι μου, 1888) entschied er sich, seine Lehrtätigkeit in Delft aufzugeben, um sich ganz der Wissenschaft zu widmen. 1890 ging er mitsamt seiner Familie nach Paris, um bei Émile Legrand an der École des langues orientales und bei Jean Psychari an der École des hautes études neugriechische Sprache und Literatur zu studieren. Einer seiner Studienkollegen war in dieser Zeit der etwa ein Jahrzehnt jüngere Hubert Pernot, mit dem er später noch verschiedentlich zusammenarbeiten sollte. Seit 1893 war er Privatdozent und von 1907 bis 1929 buitengewoon hoogleraar (außerordentlicher Professor) für byzantinische und neugriechische Literatur in Leiden. Damit ist Hesseling der Begründer der Neogräzistik in den Niederlanden (er selbst sah Evangelinos A. Sophocles als den Begründer der Neogräzistik insgesamt an).[1] Der Titel seiner Antrittsvorlesung war Programm: De Betekenis van het Nieuwgrieks voor de geschiedenis der Griekse taal en der Griekse letterkunde (Die Bedeutung des Neugriechischen für die Geschichte der griechischen Sprache und der griechischen Literaturwissenschaft). Damit hatte er den ersten Lehrstuhl für Neogräzistik in den Niederlanden inne. Seit 1902 war Hesseling Mitglied der Koninklijke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam sowie der Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden, in deren Rahmen er an der Redaktion der Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde beteiligt war. 1929 wurde er emeritiert. Nachfolgerin auf dem Lehrstuhl war Sophia Antoniadis. Nach der Emeritierung zog er nach Wassenaar bei Leiden.


Forschungsschwerpunkte


Hesselings wissenschaftliche Interessen entwickeln sich in zwei Richtungen: einmal in Richtung auf die nachklassische, byzantinische und neugriechische Sprache, Literatur und Kultur und zum anderen, ausgehend von der Entwicklung des klassischen Griechisch hin zum modernen Griechisch, in Richtung auf die Entwicklung der gesprochenen Sprache, den Sprachwandel und den Prozess der Kreolisierung.

Auf dem Gebiet der Literatur war seine Geschichte der neugriechischen Literatur wegweisend. Ihr lagen verschiedene Studien, Editionen und Übersetzungen zu Autoren und Texten wie dem Digenis Akritas, dem Mysterienspiel Das Opfer des Abraham, den Prodromika des Theodoros Prodromos, der byzantinischen Achilleis, den Moirologien, dem Alten (Septuaginta) und Neuen Testament zugrunde. Es finden sich auch ethnologische Arbeiten wie die Studie zum Mythos vom Unterweltsfährmann Charon sowie übergreifende kulturwissenschaftliche Betrachtungen zur byzantinischen Zivilisation.

Wegweisend waren jedoch vor allem Hesselings Arbeiten auf linguistischem Gebiet, die, wohl weil größtenteils auf Niederländisch verfasst, erst in den 1970er- und 1980er-Jahren von der Sprachwissenschaft in vollem Umfang wahrgenommen wurden. Ausgehend von der Frage, ob im Wandel vom Alt- zum Neugriechischen eine Weiterentwicklung aus einem einzigen Dialekt (dem Attischen) oder ein Gemenge aus verschiedenen Einflüssen vorlag (eine Frage, die sich ihm schon in seiner sprachhistorischen Studie über den Infinitiv im Griechischen stellte), erwuchs sein Interesse an einem komparatistischen Zugang zu dem Problem einer allgemeinen Theorie des Sprachwandels. Anders als sein Freund und Kollege Hubert Pernot hat Hesseling sich nicht experimenteller Methoden der Linguistik bedient.

Ein naheliegendes Beispiel war für ihn die Entwicklung des Niederländischen zum Afrikaans in Südafrika. In seiner Schrift Het Afrikaans entwickelte er die heute überholte[2] Theorie, nach der das Afrikaans durch einen Prozess der Kreolisierung aus dem Malaiischen Portugiesisch der Sklaven entstanden sei, die zwischen 1658 und 1685 ans Kap gekommen waren; auf den Vorwurf, das Afrikaans zu einer Kreolsprache zu machen, erwiderte Hesseling, dass es gerade der Kontakt der Oberen zum Mutterland gewesen sei, der diesen Prozess eingedämmt habe. Die Parallele zur Koineïsierung des Griechischen und der Entwicklung einer Diglossie von Hoch- und Gemeinsprache ist erkennbar. Hesseling favorisierte offenkundig universalistische und entwicklungstheoretische Ansätze gegenüber substratalen Theorien. Die Entwicklung von Kreolsprachen verdanke sich der Plötzlichkeit des Sprachkontakts und der Tatsache, dass die Sprecher im Allgemeinen Erwachsene seien und eine neue Sprache nicht mehr wie Kinder lernen könnten.

Im Rahmen dieser Untersuchungen stieß Hesseling auf die seit den 1880er Jahren publizierten Untersuchungen des Romanisten Hugo Schuchardt zu den auf romanischen Sprachen basierenden Kreolsprachen und dehnte seine eigenen Studien auf das Niederländisch der Deense Antillen und auf Ceylon und sogar das Französische in Kanada und das auf dem Spanischen basierende, auf den ABC-Inseln der Karibik gesprochene Papiamento aus. In diesem Zusammenhang nahm er einen Briefkontakt zu Schuchardt auf, der sich zu einem umfangreichen wissenschaftlichen Austausch entwickeln sollte, und ermunterte ihn sogar zur Publikation eines Wörterbuchs des Saramaccaans.[3] Ebenso stand er mit dem Linguisten und Kreolisten John E. Reinecke (1904–1982) im Briefwechsel. Gerade aufgrund seiner eigenen Theoriebildung zählt Hesseling heutzutage zu den wichtigen Pionieren der Kreolistik.

Im Bereich des Standard-Niederländischen war Hesseling Mitbegründer des Vereins zur Vereinfachung der niederländischen Orthographie (Vereniging tot vereenvoudiging van onze schrijftaal). Neben Vorschlägen zur Orthographie, die Eingang in die moderne Schreibweise des Niederländischen gefunden haben, verfasste Hesseling zahlreiche weitere kleine Arbeiten zur niederländischen Sprache.


Schriften (Auswahl)


Schriftenverzeichnis

Zur Gräzistik, Byzantinistik und Neogräzistik

Monographien

Texteditionen und Übersetzungen

Chrestomathie

Zur Kreolistik


Literatur





Einzelnachweise


  1. Homepage des Modern Greek Department der Harvard University: Hesseling nannte Sophocles den ersten Neogräzisten.
  2. Hans Den Besten: The Hesseling Myth of a South African Malayo-Portuguese, in: Ton van der Wouden (Hrsg.): Roots of Afrikaans. Selected Writings of Hans Den Besten. John Benjamins Publishing, Amsterdam 2012, S. 294–301.
  3. Der Briefwechsel Hesseling–Schuchardt wird in Graz aufbewahrt; vgl. Jan Noordegraaf: Hesseling, Dirk Christiaan (1859–1941), in: R. E. Asher (Hrsg.): The encyclopedia of language and linguistics. Oxford: Pergamon Press, 1994, 2. Auflage 2006, 288; Elisabeth Steiner: ‘Denken Sie doch nicht dass Sie mich mit Ihren Fragen belästigen; es ist mir eine wahre Freude Ihnen in dieser Angelegenheit von einigem Nutzen zu sein’. Der Briefwechsel zwischen Schuchardt und Hesseling. In: Grazer Linguistische Studien 78, 2012, 101–127.
Personendaten
NAME Hesseling, Dirk Christiaan
KURZBESCHREIBUNG niederländischer Neogräzist, Byzantinist und Sprachwissenschaftler
GEBURTSDATUM 15. Juli 1859
GEBURTSORT Amsterdam
STERBEDATUM 6. April 1941
STERBEORT Wassenaar



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