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Edzard Schaper (Taufname: Ernst Edzard Helmuth Schaper,[1] * 30. September 1908 in Ostrowo; † 29. Januar 1984 in Bern) war ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer.


Leben


Edzard Schaper wurde als elftes Kind eines Militärbeamten in der Provinz Posen geboren. Nach der Flucht des Vaters aus polnischer Gefangenschaft zog die Familie 1922 nach Hannover, wo der junge Schaper die Humboldtschule und das Konservatorium für Musik (Klavier) besuchte. Er brach beide Ausbildungen (das Gymnasium vor der Reifeprüfung 1925) ab und wurde Regieassistent an der Oper in Stuttgart. Von 1927 bis 1929 lebte er in Dänemark auf der Insel Christiansø und schrieb seine ersten literarischen Werke. Sein unruhiges Leben setzte er von 1930 bis 1931 als Gärtnereigehilfe und danach als Matrose auf einem Fischdampfer fort. 1932 lernte er auf der Durchreise in Berlin die Deutsch-Baltin Alice Pergelbaum kennen, zog mit ihr nach Estland und heiratete sie. Das Paar bekam zwei Töchter und lebte im Vorort Kadriorg von Reval, danach in Haapsalu und in Baltischport. In diesen Jahren arbeitete Schaper als freier Schriftsteller und nebenher als Journalist für die US-amerikanische Nachrichtenagentur United Press.

1936 wurde Edzard Schaper aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und damit der Vertrieb seiner Bücher in Deutschland unterbunden.[2] Nach der sowjetischen Okkupation Estlands 1940 entging er der Verhaftung durch Flucht nach Finnland.[1] Er hatte für die finnische Spionage gearbeitet, weshalb er von den Sowjets zum Tode verurteilt war. Dort arbeitete er als deutscher Auslandskorrespondent und schrieb Artikel für die Berliner Börsenzeitung und die deutschsprachige Frontzeitung „Karelien-Kurier“. Später war er Kriegsberichterstatter über den ab Juni 1941 geführten sogenannten Fortsetzungskrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion. 1943 meldete er sich „einfach freiwillig zur Truppe, um im Informationsamt der finnischen Regierung (Militärischer Geheimdienst) zu landen“.

Im September 1944 nahm Schaper die finnische Staatsbürgerschaft an. Am 22. Dezember 1944 wurde er vom deutschen Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, weil man ihn für einen sowjetischen Spion gehalten hatte. Kurz darauf, nachdem Finnland und die Sowjetunion eine Waffenruhe vereinbart hatten, floh er nach Schweden. Hier verdingte er sich als Waldarbeiter, Übersetzer und Sekretär eines Gefangenenhilfswerkes. 1947 übersiedelte er von Schweden in die Schweiz, wo er das Bürgerrecht erhielt und sich in Münster im Oberwallis niederließ.[3] 1951 konvertierte er zur römisch-katholischen Kirche.[4] In der Nachkriegszeit war Schaper ein viel gelesener Autor, der auch Vorträge hielt und für Hörfunk und Fernsehen tätig war.


Künstlerisches Schaffen



Als Schriftsteller


Zu Schapers literarischem Werk gehören die Romane Der letzte Gast (1927), Die Bekenntnisse des Försters Patrik Doyle (1928), Die sterbende Kirche (1936) oder Der Henker (1940; später unter dem Titel Sie mähten gewappnet die Saaten, eine Anspielung auf die Deutschordensritter), die fast ausnahmslos in Deutschland im Insel Verlag erschienen. Sein besonderes Interesse gilt Menschen in Grenzsituationen, wodurch er seinen Geschichten nicht selten religiöse Aspekte und Lehren abgewinnt, die er zumeist überkonfessionell zu vermitteln sucht. In diesem Zusammenhang ist Schaper trotz der angestrebten Allgemeingültigkeit seiner Aussagen auch dem Renouveau catholique zuzurechnen. Die von Schaper zum Roman ausgearbeitete russische Legende Der vierte König (1961) zählt „zu den wenigen bedeutenden literarischen Legendenbearbeitungen des 20. Jahrhunderts“.[5]

Die frühen Romane „Der letzte Gast“ (1927) und „Die Bekenntnisse des Försters Patrik Doyle“ (1929) erschienen im Stuttgarter Adolf Bonz Verlag. Nach seiner Übersiedlung nach Tallinn/Estland und Hochzeit mit der im zaristischen St. Petersburg geborenen Alice Pergelbaum (1932) wurde er Autor des Leipziger Insel Verlages. Hier veröffentlichte er unter dem Lektorat von Katharina Kippenberg u. a. die Romane „Die Insel Tütarsaar“ (1933), „Die sterbende Kirche“ (1936) und den voluminösen Roman „Der Henker“ (1940). Das Buch schildert das Leben der Esten vor dem Ersten Weltkrieg im Spannungsfeld zwischen adeligen Deutschbalten und russischen Annexionsversuchen.[6] Schapers Roman wurde 1940 in Deutschland nicht rezipiert, auch der Versuch, ihn unter einem neuen Titel „Sie mähten gewappnet die Saaten“ (1949) zu etablieren, misslang. Erst durch die Übersetzung ins Estnische („Timurkas“) und die Arbeiten der estnischen Kulturwissenschaftlerin Liina Lukas wurde das Werk nach der Befreiung von der russischen Besetzung Estlands wiederentdeckt.[7]

Als der Roman „Der Henker“ erschien, befand sich Schaper bereits auf der Flucht vor den Nationalsozialisten nach Finnland.[8] Für die in früheren Arbeiten auftauchende Behauptung, Schapers Werke aus dem Insel Verlag seien im „Völkischen Beobachter“ positiv besprochen worden, fand Uwe Wolff in einer grundlegenden Biographie zu Leben und Werk Schapers keinen Anhalt.[9] Vielmehr war die Familie in vielfältiger Weise Repressionen ausgesetzt, nicht zuletzt, weil Schapers Schwestern mit jüdischen Männern verheiratet waren:[10] Schapers Schwester Helene war mit dem jüdischen Arzt Paul Walter Wolff verheiratet. Dieser erlag seinen Verletzungen nach einem Angriff in der Pogromnacht am 9. November 1938. Frieda Wilhelmine Schaper war mit dem Architekten Ernst Guggenheimer, dem Erbauer der Stuttgarter Synagoge, verheiratet. Sie konnte ihn in Grän-Haldensee/Tirol verstecken, wo er die Zeit des Naziterrors überlebte. Edzards Bruder Karl Günther hatte bereits 1935 Deutschland verlassen.

Eine Vorliebe des Erzählers gilt auch dem historischen Roman.[11] So spielt der vielbeachtete frühe Roman Die sterbende Kirche während der Oktoberrevolution, Der Gouverneur (1954) im 18. Jahrhundert und die zusammengehörigen Werke Die Freiheit des Gefangenen und Die Macht der Ohnmächtigen (1950/1951) im Frankreich Napoleons. Das Baltikum und Osteuropa sind häufige Schauplätze der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielenden Romane.[12] Sein letzter bedeutender Roman Degenhall erschien 1975.

Die Sprache Schapers ist bewusst anachronistisch. Dieser konservative Sprachstil macht, insbesondere bei den historischen Romanen, auch einen Teil der literarischen Qualität seiner Texte aus.


Als Rezitator


Vornehmlich für den Christophorus-Verlag sprach Schaper hauptsächlich Texte religiöser Thematik auf Schallplatte, unter anderem Der vierte König oder auch kürzere Texte wie Christnacht. Bei dieser Tätigkeit kam ihm seine angenehme tiefe Stimme und seine Erfahrungen, die er als Schauspieler gesammelt hatte, entgegen.


Auszeichnungen und Ehrungen



Werke



Romane



Erzählungen



Essays, Reden



Biographien



Hörspiele und Dramen



Filme



Sammelbände



Übersetzungen



Literatur


in der Reihenfolge des Erscheinens


Einzelnachweise und Fußnoten


  1. Uwe Wolff: Edzard Schaper – Ein biographischer Einblick, abgerufen am 1. November 2021.
  2. Arnulf Otto-Sprunck: Schaper, Edzard im Kulturportal West Ost.
  3. Rea Imboden: Edzard Schaper in der Schweiz. In: Annäherungen. Edzard Schaper wiederentdeckt? Schwabe Verlag, Basel 2000, ISBN 3-7965-1559-2 (= Texte und Studien der Arbeitsstelle für kulturwissenschaftliche Forschungen, Bd. 3). S. 35–53.
  4. Hans-Werner Rautenberg: Die Vertreibung aus dem deutschen Osten und die kulturelle Elite. In: Günther Schulz (Hrsg.): Vertriebene Eliten. Vertreibung und Verfolgung von Führungsschichten im 20. Jahrhundert. Boldt / Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-56577-X, S. 267–287, hier S. 273.
  5. Michael Karger: Er säte seine Tränen in die fremde Erde aus. Edzard Schaper und die Legende vom vierten König. In: Die Tagespost vom 2. Januar 2002, S. 12.
  6. Die Verfilmung des Lebens von Oda Schaefer durch Chris Kraus in dem Film „Poll“ (2010) setzt in ähnlicher Weise das politische Szenario jener Jahre ins Bild.
  7. Siehe dazu folgende Beiträge von Liina Lukas:
    • Grenzland – ein estnisches Leitmotiv im Werk Edzard Schapers. In: Interlitteraria. 1/1996, S. 126–144.
    • Grenzgänger. Edzard Schaper zum 90. Geburtstag. In: Liina Lukas (Hrsg.): Auch wir sind Europa! Edzard Schaper 1908-1984. Tartu 1998, S. 21–25.
    • Zwischen Verzweiflung und der Verantwortung. Transcendance im Werk Edzard Schapers. In: Triangulum. Germanistisches Jahrbuch 1998 für Estland, Lettland und Litauen, Jg. 5, Sonderheft: Edzard Schaper. Herausgegeben von Karl Lepa und Claus Sommerhage. Tartu 1998, S. 180–191.
    • Zwischen Hammer und Amboß. Edzard Schaper auf der Grenze von Ost und West. In: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Deutsche Autoren des Ostens als Gegner und Opfer des Nationalsozialismus. Beiträge zur Widerstandsproblematik. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 1999, S. 437–450.
    • „Vergeßt uns nicht! Auch wir sind Europa!“ Ein Mittler zwischen Estland und der Schweiz: Edzard Schaper zum 90. Geburtstag. In: Annäherungen. Edzard Schaper wiederentdeckt? Schwabe Verlag, Basel 2000, ISBN 3-7965-1559-2 (= Texte und Studien der Arbeitsstelle für kulturwissenschaftliche Forschungen, Bd. 3). S. 13–19.
  8. Vgl. dazu Uwe Wolff: Der vierte König lebt! S. 149ff.
  9. Uwe Wolff: Der vierte König lebt!
  10. Uwe Wolff: Der vierte König lebt! S. 154.
  11. Michael Garleff: Zum Geschichtsbild im Spätwerk von Edzard Schaper. In: Karol Sauerland, Ernst Gierlich (Hrsg.): Edzard Schapers Blick auf die Totalitarismen seiner Zeit. Duncker & Humblot, Berlin 2014, 105–119.
  12. Gero von Wilpert: Deutschbaltische Literaturgeschichte. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-53525-9, S. 250.
  13. TV-Programme Wiki, 24. Dezember 1971
  14. Feuille d'Avis du Valais, Nr. 264, 1967, S. 7 (PDF; 609 kB)


Personendaten
NAME Schaper, Edzard
ALTERNATIVNAMEN Schaper, Ernst Edzard Helmuth (Taufname)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftsteller und Übersetzer
GEBURTSDATUM 30. September 1908
GEBURTSORT Ostrowo
STERBEDATUM 29. Januar 1984
STERBEORT Bern



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