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Erich Fried (* 6. Mai 1921 in Wien; † 22. November 1988 in Baden-Baden) war ein österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist, der ab 1938 in London im Exil lebte.

Erich Fried (r.) im Gespräch mit (v.l.) Franz Fühmann, Alfred Wellm und Volker Braun während der „Berliner Begegnung zur Friedensförderung“ vom 13. bis. 14. Dezember 1981.
Erich Fried (r.) im Gespräch mit (v.l.) Franz Fühmann, Alfred Wellm und Volker Braun während der „Berliner Begegnung zur Friedensförderung“ vom 13. bis. 14. Dezember 1981.
Unterschrift von Erich Fried
Unterschrift von Erich Fried

Fried ist ein Hauptvertreter der politischen Lyrik deutscher Sprache in der Nachkriegszeit, der T. S. Eliot, Dylan Thomas, Graham Greene, Sylvia Plath, John Synge und andere übersetzte und nach Ludwig Tieck wieder William Shakespeare in lebendiger Sprache ins Deutsche übertrug.[1] Er schrieb auch einen Roman und Kurzprosa. Mit Elias Canetti, Franz Baermann-Steiner, H. G. Adler, Grete Fischer, Gabriele Tergit und Wilhelm Unger zählte er zum Kreis deutschsprachiger Exilautoren in London und war mit der Übersetzerin Carla Wartenberg befreundet.

Er beteiligte sich am politischen Diskurs seiner Zeit, hielt Vorträge, nahm an Demonstrationen teil und war mit Rudi Dutschke[2] und Gretchen Dutschke-Klotz befreundet, die wie Hans Magnus Enzensberger, Fritz Teufel und andere Vertreter der Außerparlamentarischen Opposition seine Gäste in London waren.[3] Mit seinen 1979 veröffentlichten Liebesgedichten fand er ein breiteres Publikum.


Leben


Erich Fried wuchs in Wien als einziges Kind einer jüdischen Familie auf. Sein Vater Hugo war Spediteur und seine Mutter Nellie Grafikerin. Bereits als Fünfjähriger trat er mit einer Kinderschauspielgruppe auf verschiedenen Bühnen Wiens auf. Fried besuchte das Gymnasium Wasagasse im Alsergrund. Bald nach dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland starb im Mai 1938 Frieds Vater an den Folgen der Folter bei einem Verhör durch die Gestapo. Daraufhin emigrierte Erich Fried über Belgien nach London, wo er bis zu seinem Tod wohnte. Er gründete dort die Selbsthilfegruppe Emigrantenjugend, der es gelang, viele Gefährdete, darunter auch seine Mutter, nach England zu bringen. In London gehörte er dem Freien Deutschen Kulturbund, der Jugendorganisation Young Austria und dem Kommunistischen Jugendverband Österreichs an, aus dem er 1943 wegen zunehmender stalinistischer Tendenzen wieder austrat. Während des Kriegs bestritt er sein Leben mit Gelegenheitsarbeiten als Bibliothekar, Milchchemiker, Fabrikarbeiter, wurde nach 1945 Mitarbeiter neu gegründeter Zeitschriften und arbeitete von 1952 bis 1968 als politischer Kommentator für den German Service der BBC, deren kritische Haltung zur DDR dazu führte, dass Fried bis Ende der 1980er Jahre dort Einreise- und Auftrittsverbote bekam. 1944 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband, die antifaschistische Lyriksammlung Deutschland, im Exilverlag des österreichischen PEN-Clubs. Von 1947 bildete Fried um Franz Baermann Steiner bis zu dessen Tod 1952 zusammen mit H. G. Adler, Hans Eichner, Hans Werner Cohn und Tuvia Rübner die Londoner Gruppe 47 deutschsprachiger Dichter im Exil.[4] 1949 wurde er britischer und zusätzlich 1982 wieder österreichischer Staatsbürger. 1962 besuchte Erich Fried erstmals nach seiner Flucht wieder offiziell Wien und wurde 1963 Mitglied der Gruppe 47.

Aufgrund der Anerkennung und des großen Erfolgs insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland gab Fried seine Arbeit bei der BBC 1968 auf und lebte bis zu seinem Lebensende als freier Schriftsteller. Auf ausgedehnten Auslandsreisen trug er seine Gedichte auf großen politischen Veranstaltungen vor, häufig im Rahmen der 68er-Bewegung. Seine politische Lyrik beeindruckte und war umstritten. Zum einen war er der geehrte Dichter, der 1977 einen Lehrauftrag an der Universität Gießen erhielt, zum anderen der scharfe öffentliche Kritiker politischer Zustände, der wegen seiner Aussagen verklagt wurde. Der West-Berliner Polizeipräsident Klaus Hübner zeigte Fried wegen Beleidigung an, weil dieser in seinem Leserbrief im Spiegel vom 7. Februar 1972 die Erschießung Georg von Rauchs durch einen Polizeibeamten „Vorbeugemord“ genannt hatte. Vor dem Amtsgericht Hamburg, bei dem Heinrich Böll als Gutachter aussagte, wurde Fried am 24. Januar 1974 freigesprochen. Auch geriet er in die Kritik, weil er sich in den 1970er-Jahren nicht an der „Sympathisanten-Hetze“ gegen Personen im vermuteten Umfeld der Baader-Meinhof-Gruppe beteiligte.[5][6] Frieds Gedichtbände fanden auch in den 1970er Jahren ein breites Publikum, sie begleiteten die Entwicklung linker, alternativer Bewegungen in der BRD, teilweise durchaus kritisch. Er unterstützte die Friedensbewegung und begrüßte die Perestroika Gorbatschows.

Nach 1979 und seinem sehr erfolgreichen Lyrikband Liebesgedichte veröffentlichte Fried weitere Gedichtbände über Liebe, Leben, Hoffnungen und Tod, mit Gedichten wie beispielsweise Was es ist oder Als ich mich nach dir verzehrte. Ende 1984 besuchte er auf eigenen Wunsch Michael Kühnen, den Führer der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“, im Gefängnis, weil er dessen Auffassungen nicht teilte und ihn eines Besseren belehren wollte. Der nachgelassene Briefwechsel zeigt, wie Fried mit seinem Bemühen scheiterte.[7][8][9][10]

Grab Erich Frieds auf dem Kensal Green Cemetery
Grab Erich Frieds auf dem Kensal Green Cemetery

Erich Fried starb am 22. November 1988[11] in Baden-Baden an einem Darmkarzinom. Das Grab befindet sich auf dem Londoner Friedhof Kensal Green. Frieds Nachlass wird im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt.


Privates


1944 heiratete er Maria Marburg kurz vor der Geburt seines Sohnes Hans. 1946 trennte er sich von Maria. Die Scheidung erfolgte 1952. Im selben Jahr heiratete er Nan Spence-Eichner, mit der er zwei Kinder, Sohn David (* 1958) und Tochter Katherine (* 1961), hatte. Nan verließ Erich Fried 1962, die Ehe wurde 1965 geschieden. Im Sommer 1965 heiratete er Catherine Boswell. Im Herbst kam ihre gemeinsame Tochter Petra zur Welt, 1969 die Zwillinge Tom und Klaus. Letzterer ist als Regisseur und Produzent tätig und unterrichtet am London College of Communication.[12][13]


Auszeichnungen



Wirkung


1989 wurde in Wien die Internationale Erich Fried Gesellschaft für Literatur und Sprache gegründet, welche seit 1990 den Erich-Fried-Preis verleiht, der hochdotiert vom österreichischen Bundeskanzleramt gestiftet wird. Anlässlich seines 20. Todestages fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt, an denen auch Catherine Boswell Fried mit einer Lesung aus ihrem 2008 erschienenen Buch über die gemeinsamen Jahre in London beteiligt war, so in Wien, Berlin, Freiburg, Aachen, Recklinghausen, Bad Boll und London.[14] Im Jahr 2013 wurde in Wien-Donaustadt (22. Bezirk) der Erich-Fried-Weg nach ihm benannt. Auch Schulen in Deutschland und Österreich tragen seinen Namen.[15] Seine Werke wurden weltweit übersetzt, nicht nur ins Englische, Französische, Bulgarische und Russische, sondern auch ins Chinesische und Vietnamesische. Es existiert zudem eine Übertragung ins Plattdeutsche.


Werke


(Paradoxon) Fried-Zitat auf einem Rest der Berliner Mauer (1991)
(Paradoxon) Fried-Zitat auf einem Rest der Berliner Mauer (1991)
Zifferblatt der alten evangelischen Kirche von Saarlouis auf dem Jüdischen Friedhof. Darauf steht das Gedicht „Zeit der Pflanzen“ von Erich Fried (2011)
Zifferblatt der alten evangelischen Kirche von Saarlouis auf dem Jüdischen Friedhof. Darauf steht das Gedicht „Zeit der Pflanzen“ von Erich Fried (2011)
Erich-Fried-Gedenkstele in der Alser Straße in Wien (2013)
Erich-Fried-Gedenkstele in der Alser Straße in Wien (2013)
Schlossbergklinik Haus Erich Fried in Staufen im Breisgau (2015)
Schlossbergklinik Haus Erich Fried in Staufen im Breisgau (2015)
Ausgaben

Hörspiele


Als Autor:

Als Bearbeiter (Wort) und/oder Übersetzer:


Literatur



Vertonungen



Filme




Wikiquote: Erich Fried – Zitate
Commons: Erich Fried – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Catherine Fried: Über kurz oder lang. Klaus Wagenbach, Berlin 2008, ISBN 978-3-8031-1257-6, S. 71.
  2. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/rudi-dutschkes-freunde-und-helfer-1214993.html
  3. Catherine Fried: Über kurz oder lang. Klaus Wagenbach, Berlin 2008, S. 59.
  4. Jürgen Doll: « Die Furcht des Flüchtlings vor der Heimkehr » Erich Fried in England. In: CAIRN.INF0. Études Germaniques 2008/4 (n° 252), pages 877 à 887, 2008, abgerufen am 11. Mai 2021 (deutsch).
  5. Helmut Böttiger: Politik und Liebe. Jüdische Allgemeine, 2. Mai 2021, abgerufen am 22. August 2022.
  6. Sandra Beck: „Totenklage über ein so gelebtes Leben“, in: Lyrik im historischen Kontext. Festschrift für Reiner Wild. Königshausen & Neumann, Würzburg 2009, S. 413.
  7. Rundschau – Das Blut der Anderen. Abgerufen am 6. Februar 2018.
  8. Ich, Kühnen – Deutschlands gefürchtetster Nazi erklärt sich. Abgerufen am 6. Februar 2018.
  9. Tabubruch bei "Vanity Fair": Der Nazi, der Jude und das Prinzip Eitelkeit. In: Spiegel Online. 4. November 2007 (spiegel.de [abgerufen am 6. Februar 2018]).
  10. Einstweilen alles Liebe! Dein Erich, in Die Zeit (Wochenzeitung), Hamburg, Nr. 6, 4. Februar 2021, S. 49
  11. Fritz J. Raddatz: „Die die Wege an ihren Zielen messen die irren“: Und immer aufrechten Ganges Zum Tod des Dichters Erich Fried. Die Zeit, 2. Dezember 1988, abgerufen am 4. Mai 2017.
  12. Dror Dayan: Antizionismus war Teil seiner antifaschistischen Identität (Interview mit Klaus Fried). In junge Welt vom 30. April 2021, Seite 1 (Beilage), abgerufen am 4. Mai 2021.
  13. Profil von Klaus Fried auf der Internetseite des London College of Communication (englisch), abgerufen am 4. Mai 2021.
  14. Wien – Literaturhaus Wien, Veranstalter: Erich Fried Gesellschaft, 7. Nov. 2008
    Aachen – Buchhandlung Schmetz, 11. Nov. 2008
    Freiburg – Buchhandlung Schwanhäuser, 12. Nov. 2008
    Berlin – Bibliothek im Wasserturm, Veranstalter: Sebastian Haffner Institut, 14. Nov. 2008
    Recklinghausen – Kunsthaus Recklinghausen, Veranstalter: Neue Literarische Gesellschaft Recklinghausen, 23. Nov. 2008
    Bad Boll – Evangelische Akademie Bad Boll, 6. Dez. 2008
    London – Österreichische Botschaft London, 9. Dez. 2008.
  15. http://www.brg9.at/web/und/http://erich-fried-gesamtschule.de/
  16. Das Buch wurde erst 1960 publiziert, obschon es bereits 1946 geschrieben war. Vgl. Biografie
  17. Fried selbst klassifizierte das Werk allerdings nie als ‚Roman‘. Vgl. Lindemann, Gisela: „Ilse Aichinger“, Beck: München 1998, S. 20: „Erich Frieds […] einzigem Roman ‚Ein Soldat und ein Mädchen‘ (den übrigens nur der Verlag einen Roman nannte, nicht der Autor)“.
  18. Jochen Micha
Personendaten
NAME Fried, Erich
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist
GEBURTSDATUM 6. Mai 1921
GEBURTSORT Wien
STERBEDATUM 22. November 1988
STERBEORT Baden-Baden

На других языках


- [de] Erich Fried

[en] Erich Fried

Erich Fried (6 May 1921 – 22 November 1988) was an Austrian-born poet, writer, and translator. He initially became known to a broader public in both Germany and Austria for his political poetry, and later for his love poems. As a writer, he mostly wrote plays and short novels. He also translated works by different English writers from English into German, most notably works by William Shakespeare.

[es] Erich Fried

Erich Fried (Viena (Austria), 6 de mayo de 1921 - Baden-Baden (Alemania), 22 de noviembre de 1988) fue un poeta austriaco, quien vivió gran parte de su vida en Inglaterra. También trabajó como presentador, traductor y ensayista.

[fr] Erich Fried

Erich Fried, né le 6 mai 1921 à Vienne et mort le 22 novembre 1988 à Baden-Baden, est un poète, traducteur et essayiste autrichien juif, établi en Angleterre au Royaume-Uni.

[ru] Фрид, Эрих

Эрих Фрид (нем. Erich Fried; 6 мая 1921 (1921-05-06), Вена, Австрия, — 22 ноября 1988, Баден-Баден, ФРГ) — австро-британский писатель, поэт, журналист и радиоведущий.



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