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Sixt Ernst Kapff (* 17. April 1863 in St. Gallen; † 26. Dezember 1944 in Göppingen) war ein deutscher Schriftsteller, Reformpädagoge und Archäologe.

Kapff mit Mitgliedern der Reichs-Limeskommission bei den Ausgrabungen des Cannstatter Kastells 1894–1896
Kapff mit Mitgliedern der Reichs-Limeskommission bei den Ausgrabungen des Cannstatter Kastells 1894–1896
Kapff als Student
Kapff als Student

Herkunft und Familie


Kapff entstammte einer vornehmen württembergischen Familie, die sich um 1900 auch „von Kapff“ nennen durfte.[1] Der Vater Sixt Franz Alexander Kapff (1829–1898)[2] war, als Ernst Kapff geboren wurde, Lehrer an der Kantonsschule in St. Gallen. Am 17. Oktober 1896 heiratete Ernst Kapff in Schwäbisch Hall Bertha Charlotte Christine Plochmann.[3] Seine Tochter Doris heiratete den Unternehmer Gustav Rheinberger.[4]


Ausbildung


In Ludwigsburg, wohin die Familie übergesiedelt war, besuchte Kapff die Elementarschule und das Lyzeum. Höhere Schulen besuchte er danach in Cannstatt und Stuttgart (Abitur 1881). Ab 1882 studierte er an der Universität Tübingen Philologie und Ästhetik. Während seines Studiums wurde er Mitglied der Burschenschaft Germania Tübingen.[5] Er setzte in Bonn und Leipzig seine Studien fort, promovierte aber in Tübingen (8. Juli 1886[6]). Die Abhandlung, die Kapff der Fakultät einreichte, trug den Titel Das Tragische nach A. Schopenhauer und E. v. Hartmann. Sie hatte einen Umfang von 57 Quartseiten. Bei den Akten der Fakultät ist sie nicht überliefert. Druckpflicht bestand damals noch nicht.[7]


Berufliche Laufbahn


Nachdem er mehrere Jahre im Elternha us gelebt hatte, legte er 1890 das humanistische Professoratsexamen ab. Er unterrichtete als Hilfslehrer von 1891 bis 1896 am Gymnasium in Cannstatt – wo sein Vater Rektor war – und war von 1896 bis 1900 Lehrer am Stuttgarter Karlsgymnasium,[8] verließ aber den württembergischen Staatsdienst, um 1900 Rektor der städtischen Mittelschule in Witzenhausen zu werden. Die räumliche Nähe zur dortigen Kolonialschule war alles andere als ein Zufall, wie eine Anzeige Kapffs im Deutschen Kolonialhandbuch 1901 beweist (siehe Abbildung). 1902 übernahm er die Leitung der „Deutschen Nationalschule für Söhne Deutscher im Auslande“ in Wertheim am Main, die aber aus finanziellen Gründen aufgegeben werden musste. 1906 nach Württemberg zurückgekehrt, engagierte er sich für die in Degerloch geplante Reformschule. Nach einer mehrmonatigen Vertretung in Ellwangen unterrichtete er ab 1907 am Ulmer Gymnasium. 1913 bis 1930 wirkte er als Gymnasialprofessor am Realgymnasium in Göppingen, wo er auch im Ruhestand lebte.[9]

Kapff wurde auf dem Uff-Kirchhof in Stuttgart-Bad Cannstatt begraben; die Grabstätte ist nicht mehr vorhanden.


Dramatiker und Übersetzer


Kapff verfasste eine Reihe dramatischer Dichtungen, insbesondere als Librettist, und übersetzte Werke von Guglielmo Ferrero zur römischen Geschichte. Am meisten Beachtung fand dessen Größe und Niedergang Roms, von dem Kapff die Bände 3 bis 6 übertrug (Erstausgabe 1908–1910). Außerdem veröffentlichte er zahlreiche, meist kleinere Arbeiten zur Heimatgeschichte des württembergischen Raums.

Über Kapffs dramatisches Talent äußerte sich Rudolf Krauß anerkennend. Zu dem 1892 aufgeführten Columbus-Schauspiel[10] meinte er, es verrate „Bühnengeschick und Geschmack und in den Volksszenen entschiedene Begabung für das Komische“.[11]

Ungedruckt blieben unter anderem die Novelle Das letzte Recht und der Text Sekundant (von beiden ist 1896 im Briefwechsel mit Hermann Hesse die Rede).[12]


Reformpädagoge


Anzeige aus dem Deutschen Kolonialhandbuch von 1901
Anzeige aus dem Deutschen Kolonialhandbuch von 1901

Bis heute Beachtung findet der in der Schrift Die Erziehungsschule 1906 entwickelte Vorschlag einer Ganztagesschule (von Kapff als „Halbinternat“ bezeichnet).[13] Sie sollte naturnah in den Gartenvierteln der großen Städte angesiedelt sein und ähnelte von ihrem Konzept den Landerziehungsheimen.

Auf Kapffs Anregung ging die Gründung der Stuttgarter Reformschule Heidehof 1908 zurück: „Kapff veröffentlichte 1906 einen Aufsatz, in dem die Gründung einer so genannten „Waldschule“ am Stadtrand von Stuttgart vorgeschlagen wurde. Daraufhin gründete sich ein Verein „Reformschule Stuttgart“, der von dem Fabrikanten und Mäzen Heinrich Blezinger gefördert wurde. Dieser Verein wurde der Träger der Schule, als deren erster Schulleiter Eugen Henschen berufen wurde“.[14]

Kapff setzte sich daneben in mehreren Aufsätzen mit pädagogischen Aspekten des deutschen Kolonialismus auseinander. Auch sonst war Kapff ein glühender Anhänger der deutschen Kolonial-Ideologie. Er wollte um 1895 nach Brasilien auswandern; damals hatte er schon eine Redakteurstelle (wohl bei einer deutschen Zeitung) in Porto Alegre in Aussicht.[15]


Deutschlehrer und Förderer von Hermann Hesse


Kapff war der Deutschlehrer von Hermann Hesse am Cannstatter Gymnasium (sein „jüngster und nettester Lehrer“) und zugleich sein Mentor. Der intensive Kontakt fand seinen Niederschlag in einem Briefwechsel, in dem Hesse literarische Themen mit Kapff diskutierte.[16] Beide tauschten sich auch über Pläne aus, nach Brasilien auszuwandern.


Archäologe


Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war Kapff als Ausgräber im Stuttgarter Raum sehr aktiv. Kapffs bedeutendste Leistung als Archäologe ist die im März 1894 erfolgte Entdeckung des Cannstatter Römerkastells auf dem Hallschlag.[17] Die ersten Bände der Mitteilungen des in dieser Zeit gegründeten Altertumsvereins von Cannstatt gab Kapff 1896/98 heraus.[18] Kapffs Schwerpunkt lag auf der provinzialrömischen Archäologie, er publizierte aber auch Arbeiten zu anderen Epochen. Als anerkannter Fachmann durfte er den Altertümer-Abschnitt der Beschreibung des Oberamts Cannstatt (1895) bearbeiten.


Archivalien


Die umfangreiche Personalakte als Lehrer verwahrt das Hauptstaatsarchiv Stuttgart,[19] desgleichen eine Zeitungsausschnittsammlung zu seiner Person.[20] Der Briefwechsel mit Hermann Hesse und weitere Korrespondenz befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach.[21]


Werke (Auswahl)


Die ohne Vornamen von einem Dekan Kapff veröffentlichte Broschüre Das Verhältnis zwischen Christentum und Litteratur (1893) wird von Burmeister fälschlich Ernst Kapff zugeschrieben, stammt aber von dem Theologen Karl Kapff.[22] Bei der Verwertung der aus zweiter oder dritter Hand zitierten bibliographischen Angaben zu den Aufsätzen ist Vorsicht geboten!


Literatur




Commons: Ernst Kapff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen


  1. Martin Honecker: Kapff. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 130–132 (Digitalisat). (Familienartikel). Vom Großvater Sixt August Kapff führt eine Ahnenliste auf genealogy.net bis zu dem Claus Schenk aus Kapf (Alfdorf), der dort als unehelicher Sohn des Schenken Friedrich von Limpurg ausgegeben wird.
  2. Die Mutter war Emma geborene Binder: Burmeister S. 122 und ahnenforschung-kunert.de (PDF).
  3. Geboren am 2. Februar 1875 in Kaisersbach als Tochter von Carl Plochmann (Oberförster in Neuffen) und Karoline geborene Rappold: Burmeister S. 122 und Mitteilung des Stadtarchivs Göppingen aus dem Familienregister Bd. 23/221 und der Einwohnermeldekarte. Kapff war mit dem Verleger des Schwäbischen Merkurs, Arnold Elben, verschwägert, der ein Jahr später eine andere Tochter Plochmanns (Clara) zur Frau nahm: Wegeners Wer ist’s? 1935, S. 353.
  4. Mitteilung des Stadtarchivs Göppingen aus dem Familienregister Bd. 23/221 und der Einwohnermeldekarte: Doris wurde am 10. September 1898 in Cannstatt geboren. Die Heirat fand am 12. Juli 1919 in Göppingen statt. Der Sohn Sixt Hans Paul, geboren am 9. Dezember 1900 in Witzenhausen, heiratete Elisabeth Steinbeis, geboren am 20. Juni 1906 in Bad Aibling. Nach der Todesanzeige in Der Hohenstaufen vom 30. Dezember 1944 Nr. 306 (Abbildung) gab es damals fünf Enkel und einen Urenkel.
  5. Verzeichnis der Alten Herren der Deutschen Burschenschaft. Überlingen am Bodensee 1920, S. 235.
  6. Internet Archive.
  7. Mitteilung des Universitätsarchivs Tübingen.
  8. Die Angaben bei Paret sind detaillierter als bei Burmeister.
  9. Mitteilung des Stadtarchivs Göppingen aus dem Familienregister Bd. 23/221 und der Einwohnermeldekarte: Kapff ist am 1. November 1919 nach Göppingen zugezogen. Wohnung Marktstraße 25.
  10. Digitalisat der Aufführungsakten: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=2-33924.
  11. Die Zukunft 1 (1892), S. 283 Internet Archive. Ähnlich in der Schwäbischen Literaturgeschichte Bd. 2, Leipzig/Tübingen 1899, S. 355 Internet Archive.
  12. Kindheit und Jugend Bd. 2, S. 40, 57 f., 88. Einblick in Kapffs literarische belletristische Aktivitäten gewährt ein Brief von Ernst Kapff an den Leiter des Tübinger Rainer Wunderlich Verlags, Hermann Leins, vom 17. September 1942 (überliefert Stadtarchiv Reutlingen N 510 b: Rainer Wunderlich Verlag / Teilnachlass Hermann Leins Nr. 949, Dok. 286).
  13. Kapff wird häufig in Darstellungen über die historischen Ursprünge der Ganztagesschule erwähnt, siehe etwa Harald Ludwig: Moderne Ganztagsschule als Leitmodell von Schulreform im 20. Jahrhundert. Historische Entwicklung und reformpädagogische Ursprünge der heutigen Ganztagsschule. In: Appel, Stefan u. a. (Hrsg.): Neue Chancen für die Bildung. Schwalbach, Taunus : Wochenschau-Verlag 2003, S. 25–41, hier S. 28f. pedocs, die Volltextsuche im Open Access-Repositorium pedocs und Christine Hesener: Entstehung und Entwicklung der Ganztagsschule in Deutschland. vbe-nrw.de.
  14. PDF (offenbar eine Vorlesung von Jürgen Oelkers). Eine "Eingabe des Rektors Dr. E. Kapff, Leiter der Deutschen Nationalschule in Wertheim/Main wegen Errichtung einer Reformschule in Degerloch" verwahrt das Staatsarchiv Ludwigsburg (Findmittel). Siehe auch: 100 Jahre Reformschule Heidehof 1908-2008, S. 33.
  15. Kindheit und Jugend Bd. 2, S. 12. Nach Internet Archive arbeitete er an der 1897 gegründeten Monatsschrift Deutsch-Brasilische Nachrichten mit.
  16. Brieftexte in der Ausgabe: Kindheit und Jugend. Zum Verhältnis Hesses zu Kapff: Richard C. Helt: A poet or nothing at all: the Tübingen and Basel years of Hermann Hesse. Providence/Oxford 1996, S. 36–39 Auszug bei Google Books. Zu Hesses Zeit in Cannstatt: gss.ucsb.edu (PDF; 178 kB).
  17. Die Publikation nahm nach den Vorarbeiten Kapffs Walter Barthel (Archäologe) 1907 vor: Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches, Abt. B, Bd. 5.1, Nr. 59. Zu Kapff als Archäologe ausführlich: Paret.
  18. Burmeister S. 124.
  19. landesarchiv-bw.de
  20. landesarchiv-bw.de
  21. staatsbibliothek-berlin.de mit weiteren Nachweisen (Tübingen, München).
  22. Archivalia.
  23. Ingeborg Krekler: Katalog der handschriftlichen Theaterbücher des ehemaligen Württembergischen Hoftheaters (Codices Theatrales). Wiesbaden 1979, S. 187.
  24. Bericht über die Aufführung im General-Anzeiger vom 13. Juni 1896.
Personendaten
NAME Kapff, Ernst
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftsteller, Reformpädagoge und Archäologe
GEBURTSDATUM 17. April 1863
GEBURTSORT St. Gallen
STERBEDATUM 26. Dezember 1944
STERBEORT Göppingen



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