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Hans Peter Gansner (* 20. März 1953 in Chur; † 1. Mai 2021 in Schaffhausen[1]) war ein Schweizer Romanschriftsteller, Dramatiker, Dichter, Publizist, Übersetzer und Journalist.


Leben


Hans Peter Gansner, geboren und aufgewachsen in Chur, Matura Kantonsschule Chur, studierte Germanistik, Romanistik, Kunstwissenschaft und Philosophie in Basel, Theater- und Filmwissenschaft in Aix-en-Provence. Bis 1984 arbeitete er als Theaterkritiker und Gymnasiallehrer in Basel und Liestal. Ab 1985 war er als freier Schriftsteller, Publizist und Übersetzer tätig. 1986 arbeitete er als Regieassistent unter Martin Bopp in der Abteilung Hörspiel des Radio DRS, Ressort «Dramatik und Feature». Es folgten eine Hospitanz im Schauspiel Bonn bei Piet Drescher (1988), ein Dramatikseminar der Bertelsmann Stiftung (1989), Arbeitsaufenthalte im Stuttgarter Schriftstellerhaus, im Istituto Svizzero di Roma sowie in der Villa Kivi in Helsinki.

Gansner war in unterschiedlichen literarischen Gattungen tätig. Als Dramatiker machte er sich mit seinen «kritischen Festspielen», wie er sie nannte, einen Namen.[2] Dabei stand er in der Tradition des engagierten Volkstheaters.[3] Mit seinen dramatischen Werken über den Duc de Rohan und Jürg Jenatsch in Rohan und Jenatsch oder Freundschaft und Verrat, über Johann Gaudenz von Salis-Seewis in Der Dichter-General – beide bedeutende historische Persönlichkeiten im Kanton Graubünden – sowie über den in Bad Passugg verstorbenen deutschen „Arbeiterkaiser“ August Bebel in Am Saum der Zeit oder Bebels Tod schuf er eine seinem Heimatkanton gewidmete Geschichts-Trilogie.[4]

In der Poesie gilt Gansner als politischer, der Aufklärung verpflichteter Schriftsteller, wie der Literaturkritiker Charles Linsmayer über ihn schreibt:

«Das gibt es noch: Literatur, die wie einst diejenige von C.A. Loosli zornig wider den Stachel löckt, die schöne neue Welt des Kapitalismus und die Gleichmacherei der Political correctness zum Teufel wünscht und ohne Rücksicht auf Verlust beim Namen nennt, was andere tabuisieren. […] Dabei ist das Buch dort am stärksten, beeindruckendsten, wo es unverwechselbarer Gansner ist: da, wo sich Frustration, Zorn, politische Hellsicht und Poesie zu einem Agitprop verbinden, der dem uralten Wort Aufklärung einen neuen, ehrlichen, frechen Sinn gibt.»[5]

Mit dem dokumentarisch-fiktiven Generationenroman über die Nachzügler der 68er-Generation, Die Stunde zwischen Hund und Wolf, erschienen 1991 im Ammann Verlag, erwies sich Gansner nicht nur als Gesellschaftskritiker, sondern auch als Kritiker seiner eigenen Generation.

«Gansner erzählt Bohnstingls Geschichte weit ausholend und in nacheinander gesetzten Passagen verschiedener Erzählebenen. Bohnstingl ist keine metaphorische Figur für den Menschen aus der Post-68er-Epoche; Gansners Roman liest sich trotz erheblicher Literarisierung eher als reportagehaft-dokumentarischer Bericht über eine für die Linke lebhafte Zeit, lustvoll erzählt aus der Sicht eines sich mitten drin bewegenden Aussenseiters.»[6]

Schon ab dem Jahr 2000 schickte er mit der Kommissarin Pascale Fontaine, über die er vier Romane verfasste, die im Karin Kramer Verlag Berlin sowie in der Edition Signathur Dozwil erschienen sind, eine dezidiert politisch-feministische Kommissarin auf heisse Spuren.

«Der Autor Hans Peter Gansner hat mit Pascale Fontaine eine neue Figur in die Reihe bereits bekannter Kommissare geschoben. Pascale Fontaine ist erfrischend jung und sexy (ohne feste Bindung), sympathisch und vor allem an der Gerechtigkeit interessiert und nicht am Gesetz.»[7]

Im Hörspiel beschäftigte er sich mit dem Aufarbeiten verdrängter Schattenseiten der Schweizer Geschichte, so in der Hörspiel-Trilogie Die Schweiz im Schatten des Hakenkreuzes. Der erste Teil der Trilogie, In gueter Gsellschaft, wurde von der Laienbühne Liestal uraufgeführt.[8] Früh folgte er dem Ruf von Julian Dillier ans Schweizer Radio und Fernsehen, wo er in der Radiosendung Schnabelweid (früher «Mundartegge») seit den siebziger Jahren regelmässig bündnerdeutsche Erzählungen las. Auch in dieser Gattung verband er historische und politische Themen; in seinen «Alpenkrimis» machte er das fiktive «Hochtannental» zum Dreh- und Angelpunkt kriminologischer Volksstudien.[9]

Mit Mario Giovanoli hatte er 1971 «Musik & Lyrik» begründet,[10] eine Gattung, die er über Jahrzehnte hinweg pflegte.[11] Als literarischer Übersetzer übertrug er unter anderem den Essayband Die Welt Ex von Predrag Matvejević sowie die Lyrik des jurassischen Poeten der Befreiung Alexandre Voisard aus dem Französischen. Als Essayist schliesslich gelinge es ihm in Sternstunden und andere Desaster,[12] «die Ströme freizulegen, die zu den Ereignissen von 68 führten, und jene, die darüber hinaus in die Gegenwart und in die Zukunft weisen», wie Florian Vetsch schreibt.[13]

Hans Peter Gansner gehörte in den siebziger Jahren zu den Initianten der Werkstatt Arbeiterkultur (WAK), die ursprünglich als Basler Gruppe des «Werkkreises Literatur der Arbeitswelt» gegründet wurde.[14] Auf seine Initiative wurde 1980 im Basler Kannenfeldpark der «Baum der Poesie» gepflanzt.[15]

Hans Peter Gansner lebte zuletzt in Schaffhausen und in Hochsavoyen. Er war Mitglied des Schriftstellervereins Autorinnen und Autoren der Schweiz, ebenso Mitglied von dessen Sektion Literarische Übersetzerinnen und Übersetzer (SLÜ), der Société Suisse des Auteurs (SSA) und der Schweizerischen Urheberrechtsgesellschaft Pro Litteris. Er war verheiratet mit der Journalistin Helen Brügger.


Werke (Auswahl)


Romane, Erzählungen, Essays

Gedichte

Hörspiele

Sendungen Schnabelweid (mit Julian Dillier, Urs Odermatt, Christian Schmid und Markus Gasser)

Theatertexte

Aufgeführte Theaterstücke

Ton- und Bildträger

Publikationen auf Französisch

Übersetzungen


Preise und Beiträge



Literatur





Einzelnachweise


  1. Florian Vetsch, Gallus Frei: Schlagwort: Hans Peter Gansner: Heartbeats – Lesung im Gedenken an Hans Peter Gansner (1953–2021) & Ira Cohen (1935–2021). In: literaturblatt.ch. 7. Mai 2021, abgerufen am 8. Mai 2021.
  2. Theaterstücke – Medienstimmen – 1991 «Bornhauser oder Hinter dem Horizont ist die Welt nicht zu Ende». In: Neue Zürcher Zeitung. 1. Juli 1991, abgerufen am 3. Mai 2022 (Auf der Website H. P. Gansners): „Abgeschlossen wurde der Veranstaltungsreigen [des Kantons Thurgau zur 700Jahr-Feier der Eidgenossenschaft] am Sonntag abend mit der ersten publikumsöffentlichen Aufführung des Festspiels, in dessen Mittelpunkt Thomas Bornhauser stand. ‹Bornhauser oder Hinter dem Horizont ist die Welt nicht zu Ende›, verfasst von Hans Peter Gansner und in Szene gesetzt von Jean Grädel, erinnert eindrücklich an jene bewegte Thurgauer Epoche der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Doch der Horizont eben ist räumlich wie zeitlich weit gespannt – europaweit letztlich auch in diesem Fall.“
  3. Isabelle Teuwsen: Theaterstücke – Medienstimmen. 1988. «Die Mythen-Fabrik». In: Tages-Anzeiger. 1988, abgerufen am 5. März 2022 (Auf der Website H. P. Gansners): „‹Die Mythenfabrik›, ein Stück, welches Hans Peter Gansner für das 6. Schaffhauser Sommertheater geschrieben hat, ein Stück Volkstheater, entstanden aus dem Mittelpunkt des Spielortes heraus.“
  4. Am Saum der Zeit oder Bebels Tod – Erstaufführung. In: sogar.ch. Archiviert vom Original am 26. März 2017; abgerufen am 8. Mai 2021.
  5. Charles Linsmayer über den Gedichtband „zeit.gedichte“. In: Der Bund, 19. Dezember 1998.
  6. Heinz Hug. In: Schaffhauser Nachrichten, 21. März 1992.
  7. Robert Jourdan. In: m, Zeitung der Gewerkschaft Comedia, 7. April 2000.
  8. Basellandschaftliche Zeitung, 9. November 1983: «Die dreizehn collageartig aneinandergereihten Szenen zeigen am Beispiel einer Kleinstadt, wie durch wirtschaftliche Abhängigkeiten und gesellschaftliche Verpflichtungen Leute unseres Landes zu Frontisten werden konnten.»
  9. SRF, 3. Oktober 2013: «Gansner ist ein kritischer und politischer Autor. Auch in seinen Alpenkrimis prangert er Vetterliwirtschaft und Ungerechtigkeit an, die gerade in den abgelegenen Bergtälern gang und gäbe sind.»
  10. Aldo Mathis: Manchmal, da erwischt einen der Blues auch in Chur. In: Die Südostschweiz. 13. Juni 2012, abgerufen am 8. Mai 2021: „Die ‹khuurertütscha Blüüs & Ballada› haben ihre Wurzeln in den frühen Siebzigerjahren, als die beiden Jugendfreunde Hans Peter Gansner und Mario Giovanoli 1971 im ‹Volkshaus› in Chur ‹Musik & Lyrik› aus der Taufe hoben.“
  11. Marina U. Fuchs: Blüüs und Ballada in reinstem Khurertütsch. In: Die Südostschweiz. 14. April 2014, abgerufen am 8. Mai 2021: „Mario Giovanoli und Hans Peter Gansner begeistern mit einer Verschmelzung von Gesang, Text und instrumentalen Klängen.“
  12. H. P. Gansner: Sternstunden und andere Desaster: 1968 und kein Ende: Texte zum kulturellen Aufbruch der Schweiz. Edition Signathur, Dozwil 2008, ISBN 978-3-908141-55-6.
  13. Florian Vetsch: Literatour: Freigelegte Ströme. In: Saiten. Ausgabe 177, März 2009, S. 37, abgerufen am 8. Mai 2021 (wiedergegeben auf e-periodica.ch).
  14. Der Bund, 1. Mai 1981: «‹S’Betriebsfescht›, eine Szenencollage und für die Bühne geschrieben, ist das Gemeinschaftswerk von Autoren der Werkstatt Arbeiterkultur Basel. Hans Peter Gansner hat diese Szenencollage zu einem Hörspiel umgeschrieben, und Stephan Heilmann hat das Stück für Radio DRS inszeniert.»
  15. Poesieprojekte: Tag der Poesie. In: tagderpoesie.ch. Archiviert vom Original am 11. Januar 2015; abgerufen am 8. Mai 2021.
  16. Oswald und Imperia oder beim Auge des Poeten. In: konstanzer-konzil.de. 2016, abgerufen am 8. Mai 2021.
  17. PRAZEL | MCJOE. Abgerufen am 19. Mai 2021.
  18. Beiträge aus Wettbewerb für professionelles Kulturschaffen 2016 für grosse Projekte vergeben. In: gr.ch. 1. Juni 2016, abgerufen am 17. Juli 2016.
Personendaten
NAME Gansner, Hans Peter
KURZBESCHREIBUNG Schweizer Romanschriftsteller, Dramatiker, Dichter, Publizist, Übersetzer und Journalist
GEBURTSDATUM 20. März 1953
GEBURTSORT Chur
STERBEDATUM 1. Mai 2021
STERBEORT Schaffhausen



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