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Horst Haider Munske (* 5. Mai 1935 in Görlitz) ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und Hochschullehrer. Er ist emeritierter Professor für Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft und Mundartkunde und Senior Fellow of Linguistics an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.


Leben und Werk



Schule und Studium


Horst Haider Munske besuchte das Carl-Duisberg-Gymnasium in Wuppertal-Barmen, wo er 1955 das Abitur ablegte. Er begann 1955 das Studium der Germanistik und Altphilologie (Graecum 1956) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, setzte es 1956 an der Freien Universität Berlin in den Fächern Germanistik, Anglistik und Nordistik fort und wechselte 1957 zur Philipps-Universität Marburg. Von 1957 bis 1962 arbeitete er als studentische Hilfskraft bei Walther Mitzka am Projekt Schlesisches Wörterbuch der Deutschen Forschungsgemeinschaft und bei Ludwig Erich Schmitt am Deutschen Sprachatlas.


Promotion, Habilitation und Professur in Marburg


In Marburg wurde Munske 1962 mit einer Dissertation über Das Suffix *-inga/unga in den germanischen Sprachen in den Fächern Germanistik, Nordistik und Keltologie promoviert. Von 1962 bis 1963 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Sprachatlas. Anschließend unterrichtete er bis 1965 als Lektor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Uppsala in Schweden. Von 1965 bis 1969 erhielt er ein Habilitandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er habilitierte sich 1970 mit einer Arbeit über den germanischen Rechtswortschatz im Bereich der Missetaten und wurde 1970 zum beamteten Dozenten und 1971 zum Professor für Germanische und Nordische Philologie an der Universität Marburg ernannt. Von 1972 bis 1973 war er Dekan des Fachbereichs „Allgemeine und Germanistische Linguistik und Philologie“.


Professur in Erlangen


1975 wurde Munske auf den Lehrstuhl für ‚Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft und Mundartkunde‘ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg berufen. Dort widmete er sich dem Aufbau eines neuen Studiengangs im Magisterfach ‚Germanistische Sprachwissenschaft‘ und dem Fach ‚Deutsch‘ für das Lehramt an Gymnasien und erweiterte das Spektrum des Lehrstuhls um Professuren für ‚Deutsch als Fremdsprache‘, ‚Nordische Philologie‘ und ‚Computerlinguistik‘. Von 1982 bis 1986 war er Prodekan und Dekan der Philosophischen Fakultät II (Sprach- und Literaturwissenschaften) und vertrat die Fakultät bis 1992 als Senator. Er war von 1988 bis 1996 Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Fach Germanistische Sprachwissenschaft sowie von 1990 bis 2002 Vertrauensdozent der Deutschen Forschungsgemeinschaft an seiner Universität. 2002 gründete er das ‚Interdisziplinäre Zentrum für Dialektforschung‘ (IZD) an der Universität Erlangen-Nürnberg und war bis 2007 dessen Vorstandssprecher. 2008 gründete er den Verein ‚Alumni Germanistik Erlangen e.V.‘


Forschungsschwerpunkte


Munskes wissenschaftliche Arbeiten gelten einerseits der traditionellen Breite des Faches von den altgermanischen Sprachen bis zur Dialektologie, andererseits erschließen sie neuere Methoden der Sprachkontaktforschung, der Schriftlinguistik, Lexikologie und Wortbildung. Folgende Themenfelder haben seine Erlanger Lehr- und Forschungstätigkeit in besonderem Maße geprägt: die Dialektforschung, Lexikologie und Wortbildung, die Orthographiereform, die Sprachkontaktforschung und das Friesische. Daneben galten viele Beiträge der Hochschulpolitik.[1]


Dialektforschung

In Anknüpfung an seine Erfahrungen am Marburger Sprachatlas und an die wegweisenden Arbeiten seines Amtsvorgängers Ernst Schwarz begründete Munske 1987 mit mehreren bayerischen Kollegen das Großprojekt ‚Bayerischer Sprachatlas‘, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Freistaat Bayern langfristig gefördert wurde. Er übernahm die Leitung des Teilprojekts ‚Sprachatlas von Mittelfranken‘ und schloss es mit acht Karten- und Kommentarbänden (2000 bis 2014) sowie einem dokumentarischen Handbuch (2013) ab. Ein Markenzeichen dieses Regionalatlas ist die Verbindung von Sprachkarte und ausführlichen Kommentaren. Aus den Dialekterhebungen ging die Habilitationsschrift von Alfred Klepsch (* 1954) zum Jiddischen in Mittelfranken hervor.[2] Eine abschließende Charakteristik des inzwischen über 50-bändigen Bayerischen Sprachatlas erschien 2015.[3]


Lexikologie und Wortbildung

Der germanischen Wortbildung galt Munskes Dissertation. In Erlangen startete er zwei Projekte der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur frühneuhochdeutschen und zur mittelhochdeutschen Wortbildung[4], die mit fünf Dissertationen sowie einem Tagungsband zur Historischen Wortbildung des Deutschen (2002) abgeschlossen wurden. Das Besondere beider Projekte ist der strikte Korpusbezug und die textbezogene semantische Analyse sämtlicher belegter Wortbildungen. An diese Erfahrungen knüpft ein jüngstes, seit 2018 von der Fritz Thyssen Stiftung gefördertes Projekt an, das der ‚Produktivität und Kreativität in der Lexik des Ostfränkischen‘ gewidmet ist. Dabei wird vor allem die Wortbildung des im Fränkischen Wörterbuch dokumentierten Dialektwortschatzes untersucht.


Orthographiereform

Ein Zufall führte Munske in den Kreis der Orthographiereformer. Als das Institut für Deutsche Sprache den offiziellen Auftrag erhielt, Vorschläge zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung auszuarbeiten, fehlte ein Fachmann für den Fremdwortschatz. Munske hatte hierzu publiziert und war außerdem ein begeisterter Verfechter einer Rechtschreibreform. So wurde er über 10 Jahre zum aktiven Mitglied der einschlägigen Arbeitskommissionen. Er wirkte an den Reformvorschlägen von 1989, 1992 und der endgültigen Regelung von 1995 mit.[5] Allerdings wandelte sich im Laufe der Jahre, mit zunehmender Einarbeitung in das komplexe Feld der Rechtschreibung, seine Einstellung vom Reformfreund zu einem Kritiker, der für die Bewahrung der besonderen Strukturen der deutschen Orthographie eintrat. Als einziges Mitglied der Kommissionen votierte er gegen die Kleinschreibung. In zahlreichen Büchern, Aufsätzen und publizistischen Beiträgen von 1997 bis 2006 begründete er seine Haltung und focht, nun Hand in Hand mit den Kritikern aus Schule, Hochschule, Literatur und Journalistik, gegen eine oktroyierte, fehlerhafte und unnütze Rechtschreibreform. 1997 verließ er unter Protest den ‚Rat für deutsche Rechtschreibung‘. Nach seiner Emeritierung verfasste er ein „Lob der Rechtschreibung“ (2005), das 2008 ins Koreanische übersetzt wurde. 20 Jahre nach der Rechtschreibreform schrieb er für die französische Zeitschrift Cahiers de lexicologie eine „Erklärung der Rechtschreibreform“ (2018).


Sprachkontaktforschung

Munskes Beschäftigung mit Sprachenkontakt begann mit dem Artikel „Germanische Sprachen und deutsche Gesamtsprache“ im Lexikon der Germanistischen Linguistik (1973), wurde fortgesetzt durch Beiträge wie „Ist das Deutsche eine Mischsprache?“ (1995) und den Überblick „Fremdwörter in deutscher Sprachgeschichte. Integration oder Stigmatisierung?“ (2001). Sie fand Ausdruck in den Sammelbänden Eurolatein – das griechische und lateinische Erbe in den europäischen Sprachen (1996) sowie Deutsch im Kontakt mit germanischen Sprachen (2004). Letztlich hatte ihn sein Interesse an germanischen Sprachen zum Sprachkontakt und dies zur Orthographie geführt. Seine Erlanger Antrittsvorlesung (1976) galt dem Thema „Umgangssprache als Sprachenkontakterscheinung“, seine Abschiedsvorlesung (2003) widmete er dem Thema „Englisches im Deutschen“.


Frisistik

Seine Habilitationsschrift hatte Munske zu den umfangreichen altfriesischen Rechtsquellen geführt, die bislang sprachhistorisch wenig erschlossen waren. Das brachte ihn dazu, die Situation der Frisistik in dem Beitrag „Die Frisistik – ein Mauerblümchen der Germanischen Sprachwissenschaft“ (1979) kritisch zu beleuchten. Auf einer Fachtagung auf der Insel Föhr (1994) empfahl er dem kleinen, ins Abseits geratenen Fach ein Handbuch, das den Forschungsstand der letzten 100 Jahre umfassend darstellen, aber auch den Friesen in Nord-, Ost- und Westfriesland eine Identifikation bieten sollte. Die Idee wurde von einem Kreis junger Frisisten aus den drei Frieslanden aufgegriffen und führte, mit Unterstützung der privaten Ferring Stiftung sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Handbuch des Friesischen/ Handbook of Frisian Studies (2001) mit 79 Artikeln von 46 Autoren. Munske hat darin die altfriesische Wortbildung behandelt.


Hochschulpolitik

Mehrfach hat Munske publizistisch zu aktuellen Entwicklungen an der Universität Stellung genommen, zuletzt mit der Schrift Unsere Universität im Abstieg? Bologna, Bafög, Bachelor. Beobachtungen und Ratschläge (2014). Er ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Vereins Deutsche Sprache (VDS).


Schüler


Munske betreute von 1984 bis 2012 fünfundvierzig Dissertationen und acht Habilitationsschriften. Folgende Schülerinnen und Schüler sind als Professor/Professorin an einer Universität tätig: Gabriele Diewald (Hannover), Mechthild Habermann (Erlangen-Nürnberg), Alfred Klepsch (Erlangen-Nürnberg), Gerhard Koller (Erlangen-Nürnberg), Jinhee Lee (Busan/Korea), Elisabeth Leiss (LMU München), Peter O. Müller (Erlangen-Nürnberg), Sabine Schiffer (Frankfurt/Main), Petra Vogel (Siegen), Cha-jen Yen (Taipai/Taiwan).


Mitgliedschaften


Von 1972 bis 2002 gehörte Munske dem Philosophischen Fakultätentag als Vorstandsmitglied an. Er ist (seit 1980) Mitglied der Kommission für Bayerische Landesgeschichte an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und (seit 1978) Mitglied der Fryske Akademy in Leeuwarden. Von 1986 bis 1996 war er Mitglied der ‚Kommission für Rechtschreibfragen‘ des Instituts für Deutsche Sprache (Mannheim) und des Internationalen Arbeitskreises für Orthographie sowie (1997) der zwischenstaatlichen ‚Kommission für deutsche Rechtschreibung‘.


Privatleben


Munske ist verheiratet, hat mit seiner Frau Barbara Munske drei Söhne und lebt in Erlangen.


Veröffentlichungen (Auswahl)



Dialektologie



Lexikologie und Wortbildung



Orthographie



Sprachkontakt



Frisistik



Hochschulpolitik



Literatur





Quellen


  1. Erläuterungen dazu bietet das ‚Autobiographische Nachwort‘ in Ausgewählte sprachwissenschaftliche Schriften (2015), S. 759–773
  2. Alfred Klepsch, Westjiddisches Wörterbuch. Auf der Basis dialektologischer Erhebungen in Mittelfranken. 2 Bände. Tübingen 2004, 1643 S.
  3. Horst Haider Munske, Der Bayerische Sprachatlas (BSA). In: Kehrein/Lameli/Rabanus, Areale Variation des Deutschen. Projekte und Perspektiven. Berlin, New York 2015, S. 495–511.
  4. ‘Wortbildung des Nürnberger Frühneuhochdeutsch‘ (1985–2001) und ‚Wortbildung der mittelhochdeutschen Urkundensprache‘ (2001–2012)
  5. Zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, hrsg. von der Kommission für Rechtschreibfragen des Instituts für Deutsche Sprache, Mannheim (1989), Deutsche Rechtschreibung. Vorschläge zu ihrer Neuregelung. Herausgegeben vom internationalen Arbeitskreis für Orthographie (1992), Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis. Vorlage für die amtliche Regelung (1995).
  6. Die angebliche Rechtschreibreform
Personendaten
NAME Munske, Horst Haider
ALTERNATIVNAMEN Munske, Horst H.
KURZBESCHREIBUNG deutscher Sprachwissenschaftler und Hochschullehrer
GEBURTSDATUM 5. Mai 1935
GEBURTSORT Görlitz



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