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Lothar Baier (* 16. Mai 1942 in Karlsruhe; † 11. Juli 2004[1][2] in Montreal, Kanada) war ein deutscher Schriftsteller, Literaturkritiker und Übersetzer.


Leben und Werk


Lothar Baiers Vater Karl Baier war Gymnasialprofessor in Karlsruhe.[3] Er studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie. Neben längeren Aufenthalten in Frankreich, England, den USA und Kanada, lebte er überwiegend in Frankfurt am Main.

In den Jahren 1962/1963 zählte Baier neben Gerd Hemmerich, Jochen Meyer, Wolf Wondratschek und Heinz Ludwig Arnold zum Redaktionskollegium des ersten Heftes der literaturwissenschaftlichen Zeitschrift text + kritik.

In seinem Werk beschäftigte sich Baier seit den 1970er Jahren vor allem kritisch mit den Nachwirkungen und der Verarbeitung des Nationalsozialismus sowie mit der frankophonen Kultur.[4] Bei seinem Tod gehörte er auch in Frankreich „noch immer zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen“.[5] Baier publizierte zahlreiche Aufsätze in namhaften Zeitschriften – darunter dem Merkur, dem Kursbuch und TransAtlantik, in späteren Jahren auch im Wespennest –, arbeitete für den Rundfunk – insbesondere für den Deutschlandfunk[6] – und veröffentlichte regelmäßig Beiträge in Tages- und Wochenzeitungen, anfangs für den Literaturteil der F.A.Z., später für die Frankfurter Rundschau, die taz, die Süddeutsche Zeitung, aber auch Le Monde diplomatique. Er war dreißig Jahre lang Mitarbeiter der Zeit.[7] Seit dem Fall der Berliner Mauer arbeitete er insbesondere für den Freitag.[8] Seit 1984 schrieb er für die Schweizer Wochenzeitung WoZ.[9] Von 1997 bis 2003 war er dort Redakteur und seit Januar 1998 für das Gesellschaftsressort verantwortlich, das damals viel beachtet wurde. Im Zuge des Relaunchs der Zeitung schied er aus der Redaktion aus, weil die von ihm betreute Seite gestrichen wurde.[10]

Baier übersetzte Jules Verne, Jean-Paul Sartre (dessen literarisches Werk er auch in der deutschen Fassung herausgab), Paul Nizan, André Breton und Georges Simenon aus dem Französischen ins Deutsche.

Seit den 1980er Jahren publizierte er sein essayistisches Werk auch in Buchform, beginnend mit dem Band Französische Zustände, der im Jahr 1982 bei der Europäischen Verlagsanstalt erschien und in dem er sich mit der französischen Gesellschaft im Übergang zur Präsidentschaft von François Mitterrand beschäftigte. Manche hielten es für sein „wichtigstes Buch“.[11] Aus der deutschen Perspektive dominierten in dieser Zeit beim Blick nach Frankreich die postmodernen Philosophen, aber auch der Aufstieg der Neuen Rechten um Le Pen. Ein kritisches Fazit der Ära Mitterrand zog er in seinem Buch Firma Frankreich. Eine Betriebsbesichtigung, das 1988 im Verlag Klaus Wagenbach erschien.

Für die taz verfolgte Baier 1987 den Prozess über Klaus Barbie in Lyon. Als einziger deutscher Journalist berichtete er acht Wochen lang über jeden Verhandlungstag, von der ersten Sitzung bis zur Urteilsverkündung.[11][9]

Sein Buch über die Verfolgung der Katharer (1984) und seine Erzählung Jahresfrist (1985) zeigen, wie weit gespannt seine Interessen waren.[11]

Im Jahr 1995 trat Baier aus dem westdeutschen P.E.N. aus.[2]

Seit 1992 nahm Baier Gastprofessuren an der Universität Montreal wahr, wohin er 2001 übersiedelte.[8][10] Er fühlte sich im deutschen literarischen Betrieb zunehmend ausgegrenzt, weil er die Folgen des Zusammenschlusses der beiden deutschen Staaten kritisch sah.[12][9] Auf Vermittlung des damaligen Freitag-Mitherausgebers Christoph Hein[12] publizierte er 1993 im Berliner Aufbau Verlag einen Band mit zeitkritischen Arbeiten zu diesen Jahren (Die verleugnete Utopie).

Baier schied in Montreal durch Freitod aus dem Leben, bedingt durch Depressionen, an denen er lange Zeit erkrankt gewesen war.[11][13][9] Er wurde am 11. Juli 2004 in seiner Wohnung aufgefunden.


Auszeichnungen, Ehrungen



Schriften





Einzelnachweise


  1. nach einer anderen Quelle: 10. Juli
  2. Lothar Baier. In: Munzinger-Archiv. 2004.
  3. https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0247
  4. Jörg Auberg: Lothar Baier. Das essayistische Werk. In: Kindlers Literatur Lexikon. 3. Auflage. Band 1. J. B. Metzler, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-476-04000-8, S. 804.
  5. Joachim Güntner: Der Zeit entfremdet. Zum Tod des Essayisten Lothar Baier. In: NZZ. 15. Juli 2004, abgerufen am 23. Februar 2019.
  6. Vgl. die Erinnerung an Lothar Baier und dessen Einordnung bei: Daniela Dahn: „Rote Zelle“ entsorgt: Verfahren à la Metternich. Der Deutschlandfunk stellt unbequeme Literaturredakteure kalt. In: der Freitag. 28. März 2008, abgerufen am 2. Juli 2011 (Nr. 13, S. 5): „Unter dem neuen Namen ‚Andruck – das Magazin für politische Literatur‘ strahlt der Deutschlandfunk ab dem 7. April die bisherige Sendung ‚Politische Literatur‘ aus. Nicht nur der Name ändert sich, auch das Format wird angepasst. Die Presseerklärung des Kölner Senders verheimlicht jedoch die wichtigste ‚Anpassung‘: Den für das vielfach ausgezeichnete politische Feature zuständigen Redakteuren Karin Beindorff und Hermann Theißen, die auch die Politische Literatur über Jahre geprägt und sie zur interessantesten Sachbuchsendung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk gemacht haben, wurde die redaktionelle Verantwortung entzogen. Sie sollen auch als Moderatoren nicht mehr zu hören sein. In ihren – im positiven Sinne – anstößigen Sendungen rezensierten Elisabeth Bronfen, Klaus Theweleit, Volker Ullrich, Norbert Frei, Hans-Martin Lohmann, Klaus Kreimeier, Daniel Cil Brecher, Elmar Altvater, Bernd Greiner, Lothar Baier und viele andere namhafte Vertreter der kritischen Publizistik. Man konnte dort ebenso sachkundige wie provokante Gespräche mit Heiner Müller, Wolfgang Engler, Hans-Ulrich Wehler, Christoph Butterwegge oder Edgar Wolfrum hören. Viele Beiträge wurden von Zeitungen und Zeitschriften nachgedruckt, manche, mitunter sogar ganze Sendungen, finden sich in Büchern wieder.“
  7. Lothar Baier. In: Die Zeit, Nr. 30/2004, Nachruf
  8. Gestorben. In: Der Spiegel. Nr. 30, 2004, S. 154 (online).
  9. Stefan Keller: Nachruf. Ein Schweigen aus Montreal. In: WoZ. 22. Juli 2004, archiviert vom Original am 20. August 2004; abgerufen am 2. Juli 2011.
  10. Erich Hackl: Nachruf: Geteilte Geschichte. Lothar Baier und das Ende der Freundschaft. In: Freitag. 23. Juli 2004, abgerufen am 2. Juli 2011.
  11. Rudolf Walther: Ohne Chef auf eigene Rechnung. Ein bedingungsloser Aufklärer: Zum Tod des Frankfurter Schriftstellers und Intellektuellen Lothar Baier. In: Frankfurter Rundschau. 15. Juli 2004, archiviert vom Original am 19. Januar 2011; abgerufen am 3. Oktober 2019 (Nachruf).
  12. Jörg Auberg: Tod eines Unzeitgemäßen. Abschied von Lothar Baier (1942–2004). In: literaturkritik.de. 1. August 2004, abgerufen am 2. Juli 2011.
  13. Erich Hackl: Geteilte Geschichte. Lothar Baier und das Ende der Freundschaft. In: der Freitag. 23. Juli 2004, abgerufen am 2. Juli 2011 (Nachruf).
Personendaten
NAME Baier, Lothar
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftsteller, freier Publizist und Übersetzer
GEBURTSDATUM 16. Mai 1942
GEBURTSORT Karlsruhe
STERBEDATUM 11. Juli 2004
STERBEORT Montreal, Kanada

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[en] Lothar Baier

Lothar Baier (16 May 1942 – 11 July 2004) was a German author, publisher, translator and co-founder of the Literary periodical Text+Kritik.



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