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Marguerite Yourcenar (* 8. Juni 1903 als Marguerite Antoinette Jeanne Marie Ghislaine Cleenewerck de Crayencour in Brüssel; † 17. Dezember 1987 in Northeast Harbor, Maine) war eine französische Schriftstellerin. 1947 wurde sie Bürgerin der USA. Sie wurde mit dem Prix Femina und dem Erasmuspreis ausgezeichnet und war die erste Frau, die in die Académie française aufgenommen wurde.

Marguerite Yourcenar im Oktober 1982
Marguerite Yourcenar im Oktober 1982

Herkunft und Leben


Wappen der Familie Cleenewerck de Crayencour
Wappen der Familie Cleenewerck de Crayencour

Marguerite Cleenewerck de Crayencour wurde als Tochter des aus Bailleul in Französisch-Flandern gebürtigen Michel Cleenewerck de Crayencour und seiner zweiten Frau Fernande, geb. de Cartier de Marchienne geboren. Die Familie des Vaters war großbürgerlicher Herkunft und hatte im 18. Jahrhundert das Lehngut Crayencour bei Terdeghem erworben, sowie 1851 durch die Heirat von Marguerites Großvater Michel Charles Cleenewerck de Crayencour (1822–1886) mit der reichen Großgrundbesitzer-Erbin Noémi Dufresne (1828–1909) einen großen Güterkomplex um das 1824 erbaute Château du Mont-Noir in Saint-Jans-Cappel. Die Mutter stammte aus belgischem Adel, in welchen 1925 auch Marguerites älterer Halbbruder Michel Cleenewerck de Crayencour (1885–1966) als chevalier aufgenommen wurde.

Die Mutter starb noch im Kindbett, weshalb Marguerite von ihrer Großmutter Noémi aufgezogen wurde. Im Winter lebten sie im Hôtel particulier der Familie Dufresne in Lille und im Sommer auf dem Château du Mont-Noir. In den ersten Jahren fungierte auch die beste Freundin und ehemalige Mitschülerin der verstorbenen Mutter, Jeanne de Vietinghoff, als eine Art Patin aus der Ferne. Selber Schriftstellerin, wurde sie zum Vorbild Yourcenars. „Ihre Mutter … ist für mich zu einer Legende geworden, zu einer Legende, die mein Leben beeinflusste“, schreibt sie 1983 an den Sohn Egon von Vietinghoff. 1913 verkaufte der Vater das Familienschloss und begab sich auf ausgedehnte Reisen durch Europa, wobei ihn die Tochter häufig begleitete. Sie kam zur Erziehung auch in französischsprachige Familien in Brüssel und begann schon als Jugendliche mit dem Schreiben. Der Vater ging 1926 in Monaco eine dritte Ehe ein und verstarb 1929. Danach führte sie – wie dieser – ein Nomadenleben und war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fast ständig auf Reisen. Auch später reiste sie bis ins hohe Alter durch Europa, Asien und Afrika.

Erste Aufmerksamkeit erregte die junge Schriftstellerin, die sich ein Anagramm ihres Familiennamens Crayencour als Nom de plume wählte, 1929 mit Alexis oder der vergebliche Kampf, nach dem Vorbild von André Gide. Es ist das in Briefform geschriebene Bekenntnis eines renommierten Musikers, der seiner Frau seine Homosexualität gesteht und sich, ringend mit dem Bedürfnis nach Wahrheit, von ihr trennt. Die Figur der Monique ist von ihrer Patin Jeanne de Vietinghoff inspiriert, in die der Vater Crayencour sich verliebt hatte, und die Figur des Ich-Erzählers durch deren Mann, den Pianisten Conrad von Vietinghoff. Wie auch in mehreren ihrer folgenden Werke[1], in denen die generelle Thematik des Ehepaars Vietinghoff variiert wird, zeigt sie sich in prägnanter Sprache als Meisterin der Verflechtung von „Dichtung und Wahrheit“ sowie des assoziativen Verwirr- und Versteckspiels. In ihrer Biografie schreibt Josyane Savigneau: „Wie viel an diesem Durcheinander ist Absicht?“...„Wirklich interessiert hat sie an ihrem Leben nur, was einen Vorwand zu literarischer Umformung liefern konnte.“ Sie verliebte sich in ihren Herausgeber André Fraigneau (1905–1991), der jedoch homosexuell war und sie zurückwies, was sie in ihrem 1935 veröffentlichten Prosagedicht Feux verarbeitete und sie zum Bekenntnis ihrer eigenen lesbischen Neigung brachte. 1937 lernte sie Grace Frick kennen, eine amerikanische Professorin, mit der sie bis zu deren Tode 1979 zusammenlebte.[2] Frick stand der zu Depression und Hypochondrie neigenden Dichterin seelisch und während des Zweiten Weltkriegs auch finanziell bei und übersetzte ihr Werk ins Englische.

1936 veröffentlichte sie das Prosagedicht Feuer, 1939 folgte der Roman Der Fangschuss. Mit Kriegsbeginn ließ sie sich in den USA nieder, 1947 erhielt sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Von 1942 bis 1953 unterrichtete sie vergleichende und französische Literaturwissenschaften am Sarah Lawrence College in New York. An dem Roman Ich zähmte die Wölfin schrieb sie hauptsächlich von 1924–1927, 1934–1939 und nach Verlust von Manuskriptteilen noch einmal in den Jahren 1948–1950, in denen sie historische Recherchen unternahm[3][4]. Mit dieser schließlich 1951 veröffentlichten fiktiven Autobiografie des römischen Kaisers Hadrian gelang ihr der internationale Durchbruch.[5] Für dieses Buch, von dem bis 1989 fast eine Million Exemplare verkauft wurden, bekam sie den Prix Femina. 1968 folgte der Roman Die schwarze Flamme.

Neben ihren eigenen Romanen, Essays, Theaterstücken und Artikeln veröffentlichte Marguerite Yourcenar Übersetzungen von Romanen, Gospels und Kindergeschichten aus Indien vom Englischen sowie von altgriechischen Gedichten ins Französische. Marguerite Yourcenar war Vegetarierin und setzte sich gegen die Robbenjagd ein, 1968 gelang es ihr, mit einem Brief an Brigitte Bardot diese für die sehr erfolgreiche Kampagne gegen die Robbenjagd in Kanada zu gewinnen[6].


Ehrungen und Gedenkstätten


Yourcenar erhielt viele Preise und Ehrungen. 1970 wurde sie in die Königliche Akademie der französischen Sprache und Literatur von Belgien aufgenommen. Am 4. März 1980 wurde sie als erste Frau in die renommierte Académie française gewählt.[7] 1982 wurde sie in die American Academy of Arts and Letters[8] und 1987 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Außerdem erhielt sie 1983 den Erasmuspreis, der mit 100.000 holländischen Gulden dotiert war, und insgesamt drei Ehrendoktor-Titel, darunter den der Harvard University. Ihr Werk wurde in viele Sprachen übersetzt. Es gibt einige Yourcenar-Biografien mit Übersetzungen in andere Sprachen, eine Fülle von Einzelartikeln zu verschiedenen Teilaspekten ihres Werks und ihres Lebens sowie mehrere Forschungsinstitute in Europa und in den USA, die sich mit ihr und ihrem Werk beschäftigen. Im Dezember 1996 wurde der Asteroid (7020) Yourcenar nach ihr benannt. Sie ist Namensgeberin des seit 2015 existierenden Prix Marguerite-Yourcenar, der jährlich von der Société civile des auteurs multimédia (Scam) vergeben wird und mit 8000 € dotiert ist. Zu den Preisträgerin gehören Hélène Cixous (2016), 2017 Annie Ernaux und Jean Echenoz.[9]

An der Stelle des im Ersten Weltkrieg zerstörten Elternhauses der Schriftstellerin, des Château du Mont-Noir in Saint-Jans-Cappel, hatte der Industrielle Henri Coisne Dansette ab 1930 eine Villa im neo-normannischen Stil errichtet, die vom Conseil départemental du Nord erworben und 1997 als «Centre de résidence d’écrivains européens» (Zentrum für europäische Schriftsteller) unter dem Namen Villa Marguerite-Yourcenar eingerichtet wurde. Im Ortszentrum war bereits 1985, unter Beteiligung der Dichterin, das Musée Marguerite-Yourcenar mit Dokumenten und Erinnerungsstücken eingerichtet worden. In Paris wurde eine Bücherei, die Médiathèque Marguerite-Yourcenar, nach ihr benannt. Auf dem Hof des Château Bilquin-de Cartier in Marchienne-au-Pont, Elternhaus ihrer Mutter, wurde eine Gedenkstele für sie errichtet, ebenso im Herkunftsort ihrer Familie in Bailleul vor der Kirche Saint-Vaast. Am 8. Juni 2020, zum 117. Geburtstag wurde Yourcenar mit einem Google Doodle geehrt.[10]


Äußerungen über Marguerite Yourcenar


„Marguerite Yourcenars Genie liegt ganz ohne Frage in der Fähigkeit, jede individuelle Lebensgeschichte in Schicksal zu verwandeln.“

„Die Tatsache, nie eine Schule besucht zu haben, hat ihr einiges erspart. Was Mädchen zu tun oder zu lassen haben, das spielte für ihr Leben keine Rolle.“

Ina Hartwig[11]

Werke



Biografien




Commons: Marguerite Yourcenar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Vor allem in Der Fangschuss, Anna, soror..., Ich zähmte die Wölfin und in Liebesläufe
  2. http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/marguerite-yourcenar/
  3. Notizen und Anmerkungen zum Roman
  4. Rezension
  5. http://www.famousauthors.org/marguerite-yourcenar
  6. Chantai Nadeau: Fur nation: from the beaver to Brigitte Bardot, Routledge, 2001, ISBN 0-415-15874-5
  7. Marguerite Yourcenar. In: Académie française. Abgerufen am 18. Januar 2020.
  8. Members: Marguerite Yourcenar. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 5. Mai 2019.
  9. Annie Ernaux. Preisträgerin des Prix Marguerite-Yourcenar 2017 am 4. Dezember 2017
  10. 117. Geburtstag von Marguerite Yourcenar. 8. Juni 2020, abgerufen am 22. August 2020 (englisch).
  11. Ina Hartwig, „Die absolute Freiheit der Sinne“, in ihrem Essayband: Das Geheimfach ist offen. Über Literatur. S. Fischer, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-10-029103-5, S. 194–205.
Personendaten
NAME Yourcenar, Marguerite
ALTERNATIVNAMEN Cleenewerck de Crayencour, Marguerite Antoinette Jeanne Marie Ghislaine (Geburtsname)
KURZBESCHREIBUNG belgisch-amerikanische Schriftstellerin
GEBURTSDATUM 8. Juni 1903
GEBURTSORT Brüssel
STERBEDATUM 17. Dezember 1987
STERBEORT Northeast Harbor, Maine

На других языках


- [de] Marguerite Yourcenar

[en] Marguerite Yourcenar

Marguerite Yourcenar (UK: /ˈjʊərsənɑːr, ˈjʊkənɑːr/,[1][2] US: /ˌjʊərsəˈnɑːr/,[3] French: [maʁɡ(ə)ʁit juʁsənaʁ] (listen); born Marguerite Antoinette Jeanne Marie Ghislaine Cleenewerck de Crayencour, 8 June 1903 – 17 December 1987) was a French novelist and essayist born in Brussels, Belgium, who became a US citizen in 1947. Winner of the Prix Femina and the Erasmus Prize, she was the first woman elected to the Académie française, in 1980, and the seventeenth person to occupy seat 3.

[ru] Юрсенар, Маргерит

Маргери́т Юрсена́р (фр. Marguerite Yourcenar; родилась 8 июня 1903 года, Брюссель, Бельгия — умерла 17 декабря 1987 года, Маунт-Дезерт, Мэн, США) — французская писательница.



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