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Stephan Hermlin (* 13. April 1915 in Chemnitz; † 6. April 1997 in Berlin; eigentlich Rudolf Leder) war ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer französischer Texte. Hermlin stach durch seine Erzählungen, Essays und Lyrik hervor und war einer der bekanntesten Schriftsteller der DDR.

Stephan Hermlin, 1954
Stephan Hermlin, 1954

Leben


Stephan Hermlin (links) mit Nâzım Hikmet, 1952
Stephan Hermlin (links) mit Nâzım Hikmet, 1952

Hermlin wuchs als Sohn des jüdischen Unternehmer- und Kunstsammlerehepaars David (1888–1947) und Lola Leder geb. Bernstein (1892–1977)[1] in Chemnitz und in Berlin auf. 1931 trat er in den kommunistischen Jugendverband ein. Von 1933 bis 1936 absolvierte er eine Lehre als Drucker. 1936 emigrierte er nach Palästina, später lebte er in Frankreich und der Schweiz.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1945 arbeitete Hermlin als Rundfunkredakteur in Frankfurt am Main. Seit 1947 lebte Hermlin in Ost-Berlin und war Mitarbeiter in den Zeitschriftenredaktionen der Täglichen Rundschau (Tageszeitung der Sowjetischen Militäradministration), von Ulenspiegel, Aufbau sowie Sinn und Form. Hermlin arbeitete in wichtigen Gremien der sowjetischen Besatzungszone und wurde nach 1949 schnell einer der einflussreichsten Schriftsteller der neu gegründeten DDR. 1949 schrieb er das Gedicht Die Asche von Birkenau, das von Günter Kochan vertont wurde. Als enger Freund von Erich Honecker verstand sich Hermlin zu dieser Zeit als Protagonist sozialistischer Kulturpolitik, engagierte sich aber auch als Mittler zwischen Literatur und Politik.

Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus, Hermann-Hesse-Straße 39, in Berlin-Niederschönhausen
Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus, Hermann-Hesse-Straße 39, in Berlin-Niederschönhausen

Im August 1961 rechtfertigte Hermlin in einem offenen Brief an Wolfdietrich Schnurre und Günter Grass den Bau der Berliner Mauer.[2] Im Dezember 1962 gehörte Hermlin zu den Initiatoren einer aufsehenerregenden Lesung junger Lyriker (unter anderem mit Wolf Biermann, Volker Braun, Bernd Jentzsch, Sarah Kirsch, Karl Mickel) in der Akademie der Künste der DDR, die die Lyrik-Welle der 1960er Jahre einleitete. Hermlin wurde daraufhin von seiner Funktion als Sekretär der Klasse Dichtkunst und Sprachpflege der Akademie entbunden. Später erklärte er in einer Besprechung des Politbüros mit Autoren und Künstlern, die Entscheidung sei richtig und er „nicht der richtige Mann am richtigen Platz“ gewesen. Sein schwerer Fehler sei gewesen, eine Aussprache im zweiten Teil des Abends schlecht geleitet und diese und die Gedichte einiger Autoren nicht „im Zusammenhang mit der Situation“ gesehen zu haben, in der der Abend stattgefunden habe.[3] 1968 kritisierte Hermlin die Niederschlagung des Prager Frühlings, machte dies aber nicht öffentlich.

Hermlin gehörte 1976 zu den Initiatoren des Protestes prominenter Schriftsteller gegen die Ausweisung von Wolf Biermann.[4][5] Nach seinem Engagement für Wolf Biermann erhielt Stephan Hermlin eine strenge Parteirüge und wurde fortan noch gründlicher von der Stasi überwacht. Er wurde allerdings nicht aus der SED ausgeschlossen und äußerte sich weiterhin als überzeugter Kommunist.[5] Gegen die offizielle Politik der Ost-West-Konfrontation organisierte Hermlin im Dezember 1981 die Berliner Begegnung zur Friedensförderung, ein deutsch-deutsches Schriftstellertreffen.

Hermlin war Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, der Akademie der Künste der DDR und seit 1976 auch der Akademie der Künste West-Berlin.

Grab von Stephan Hermlin auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin
Grab von Stephan Hermlin auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin

Im Jahr 1996 behauptete der Literaturredakteur Karl Corino in einem Zeit-Artikel (und im Anschluss in einem Buch), Hermlin habe zu Unrecht dargestellt, sein Vater sei im KZ umgekommen, er selber habe im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft und sei ein aktives Mitglied der französischen Résistance gewesen. Corino berief sich dabei im Wesentlichen auf die autobiographische Textsammlung „Abendlicht“. Der Vorwurf bestand darin, Hermlin habe es lange Zeit kommentarlos hingenommen, dass Biographen und Philologen das literarische Material für wahr hielten.[6] Nach der deutsch-deutschen Diskussion um Christa Wolfs Erzählung Was bleibt 1990 und der Literatur-Stasi-Debatte ab 1991 leitete die Kontroverse um Hermlin 1996 die dritte große Literaturdebatte der deutschen Einheit ein.

Stephan Hermlins Töchter sind Andrée-Thérèse Leder (1938–2020), verheiratete Leusink (aus der Ehe mit Juliette Leder, geb. Brandler),[7] die Schauspielerin Cornelia Schmaus (aus der Ehe mit Lily Leder-Schmaus) und Bettina Leder (aus der Ehe mit Gudrun Hermlin). Sein Sohn aus der Ehe mit Irina Belokonewa-Hermlin, Andrej Hermlin, ist Musiker (Gründer des Swing Dance Orchestra). Die Aktivistin und Autorin Stella Leder (geb. 1982) ist die Tochter von Bettina Leder, also seine Enkelin. In ihrem Buch Meine Mutter, der Mann im Garten und die Rechten schildert sie die Familiengeschichte, besonders die Beziehung von Stephan Hermlin zu seiner dritten Ehefrau Gudrun, die als Stasi-Spitzel ihn und die gemeinsame Tochter denunziert hatte.[8][9] Die deutsche Schriftstellerin und Journalistin Mirna Funk ist die Enkelin seiner ersten Tochter Andrée-Thérèse Leder und damit Stephan Hermlins Urenkelin.


Preise



Werke



Gedichte und Prosa



Hörspiele



Literatur


Zur Corino-Debatte



Commons: Stephan Hermlin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Edwar Engelberg: More on „Mona Lisa“ an Kristallnacht. (Memento vom 17. April 2014 im Internet Archive)
  2. Offener Brief von Stephan Hermlin an Wolfdietrich Schnurre und Günter Grass, 17. August 1961.
  3. Markus Somm: Bericht eines Unverwüstlichen. In: Basler Zeitung, 7. Januar 2017.
  4. spiegel.de schrieb : „Noch heftiger artikulierte sich die Unruhe unter den Ost-Intellektuellen, als die SED-Spitze im November 1976 den überzeugten Kommunisten und Liedermacher Wolf Biermann nach einem Konzert in Köln aus der DDR ausbürgerte. Via Westmedien verurteilten Kulturschaffende und Studenten im ganzen Land, unter ihnen so staatstragende Künstler wie der Dichter Stephan Hermlin und der Bildhauer Fritz Cremer, das Vorgehen des Politbüros. Die SED reagierte hilflos: Sie drängte in den Jahren danach einen Großteil ihrer renitenten künstlerischen Elite in den Westen, darunter die Schauspieler Armin Mueller-Stahl und Manfred Krug sowie die Literaten Jurek Becker, Sarah Kirsch und Günter Kunert. Von dem intellektuellen Aderlass erholte sich die DDR nicht mehr.“
  5. Hermlin protestiert gegen die Ausbürgerung Biermanns.
  6. Karl Corino:DDR-Schriftsteller Stephan Hermlin hat seinen Lebensmythos erlogen, in: Die Zeit, 41/1996 (abgerufen am 10. Juli 2015)
  7. David Ensikat: Das Leben – ein Kampf. Nachruf auf Andrée Thérèse Leusink. In: Der Tagesspiegel. 12. Mai 2020, abgerufen am 8. August 2020.
  8. Interview zum Buch im RBB vom 16. Oktober 2021
  9. Interview besonders zum Zusammenhang von Gedenkpolitik und Antisemitismus um jüdische Remigranten wie ihrem Großvater im WDR5 vom 9. November 2021
Personendaten
NAME Hermlin, Stephan
ALTERNATIVNAMEN Leder, Rudolf (wirklicher Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftsteller und Übersetzer französischer Texte
GEBURTSDATUM 13. April 1915
GEBURTSORT Chemnitz
STERBEDATUM 6. April 1997
STERBEORT Berlin

На других языках


- [de] Stephan Hermlin

[en] Stephan Hermlin

Stephan Hermlin (German: [ˈʃtɛ.fan ˈhɛʁm.liːn] (listen); 13 April 1915 – 6 April 1997), real name Rudolf Leder, was a German author. He wrote, among other things, stories, essays, translations, and lyric poetry and was one of the more well-known authors of former East Germany.

[ru] Хермлин, Стефан

Стефан Хермли́н (нем. Stephan Hermlin, настоящее имя Рудольф Ле́дер (Rudolf Leder); 13 апреля 1915, Хемниц — 6 апреля 1997, Берлин) — немецкий писатель, поэт и переводчик.



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