Heinrich Adelbert Keller, ab 1854 von Keller, (* 5. Juli 1812 in Pleidelsheim; † 13. März 1883 in Tübingen) war ein deutscher Romanist und Germanist, der durch seine zahlreichen Editionen und Übersetzungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Literatur und seine Forschungen zur schwäbischen Mundart bekannt wurde.
Adelbert von KellerAdelbert von Keller
Leben
Adelbert Keller, Sohn des Stadtpfarrers Johann Jakob Keller, ging in Stuttgart zur Schule und studierte ab 1830 in Tübingen zunächst Theologie, später bei Ludwig Uhland und Moriz Rapp Neuere Philologie. Nach seinem Studium reiste er zur Erforschung von altfranzösischen Handschriften nach Paris. Ab 1835 lehrte er als Privatdozent Neuere Sprachen in Tübingen, ab 1837 war er daneben Zweiter Bibliothekar der Universitätsbibliothek. Von September 1840 bis März 1841 unternahm er auf Anraten seines Arztes eine Reise nach Italien, die er zur Erforschung von italienischen Handschriften des Mittelalters in Venedig, Florenz und Rom nutzte. Seit 1841 außerordentlicher Professor, wurde er 1844 zum ordentlichen Professor und Oberbibliothekar der Universität Tübingen ernannt. 1850 trat er von dem Bibliothekarsposten zurück und widmete sich ganz der Lehre und seinen zahlreichen Veröffentlichungen, darunter vor allem Editionen von Texten des Mittelalters sowie Übersetzungen aus dem Französischen, Provenzalischen, Spanischen, Italienischen und Englischen. 1858–1859 war er Rektor der Universität.
Ab 1849 stand der 1839 in Stuttgart gegründete Litterarische Verein unter Kellers Vorsitz. Diese Bibliophilengesellschaft hatte zahlreiche prominente und zahlungskräftige Mitglieder und konnte so die Veröffentlichung von größeren und kommerziell wenig erfolgversprechenden Editionen sicherstellen. Keller war über Jahrzehnte treibende Kraft der Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, die unter seiner Betreuung zu einer weltweit beachteten Veröffentlichungsreihe für Publikationen von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellentexten wurde. Innerhalb der Reihe veröffentlichte er u.a. eine monumentale Edition der Werke von Hans Sachs.
Keller legte nach dem Vorbild von SchmellersBayerischem Wörterbuch in jahrzehntelanger Forschungs- und Sammeltätigkeit die Grundlage für ein Schwäbisches Wörterbuch, das nach seinem Tod von Hermann Fischer betreut und in insgesamt sieben Bänden veröffentlicht wurde.
Adelbert von Keller war der Vater des in Freiburg, Graz und Prag lehrenden klassischen Philologen Otto Keller (1838–1927). 1852 wurde er auf Bitte von Ottilie Wildermuth Pate ihres Sohnes Hermann. Ihr Mann Johann David Wildermuth, ebenfalls in Pleidelsheim geboren, war seit seiner Kindheit mit Keller freundschaftlich verbunden. Er starb nach langer Krankheit im Alter von 70 Jahren in Tübingen.
Ein Nachlass befindet sich in der Universitätsbibliothek Tübingen.[1]
Ehrungen
Keller wurde zum Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und anderer gelehrter Gesellschaften gewählt. 1854 wurde er mit Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens der Württembergischen Krone ausgezeichnet, welches mit dem persönlichen Adelstitel verbunden war.[2] Des Weiteren war er Inhaber des Friedrichs-Ordens (Komtur 2. Klasse, 1877), des Orden de Isabel la Católica (Komtur, 1860) sowie des Orden Franz I. (Kommandeur).[3]
Schriften
Li romans de sept sages, nach der Pariser Handschrift herausgegeben, 1836
George Sand: Ausgewählte Schriften, 1836–1837
als Hrsg.: Diocletianus Leben von Hans von Bühel. Quedlinburg/Leipzig 1841 (= Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit. Band 22).
William Shakespeares Schauspiele (mit Moriz Rapp), 1843–1846
Altfranzösische Sagen, 1839–1840, 2. Auflage 1876
Juan Manuel: El Conde Lucanor, 1839
Miguels de Cervantes sämmtliche Romane und Novellen (mit Friedrich Rotter), 1839–1842, 2. Ausgabe 1850
Ein Lied von Marcabrun, als Beitrag zur Göthelitteratur (mit W. L. Holland), 1849
Lieder Heinrichs Grafen von Wirtenberg (mit W. L. Holland), 1849
Ein Spil von einem Keiser und eim Apt, 1850
Walthers von Rheinau Marienleben, 1849–1855
Mittelniederländische Gedichte, 1851
Italiänischer Novellenschatz, 1851
Anleitung zur Sammlung des schwäbischen Sprachschatzes, 1855
Elblin von Eselberg, 1856
Un miracle de Nostre Dame. D'un enfant, qui fu donne au dyable, quant il fu engendre, 1865
Die altdeutsche Erzählung vom rothen Munde, 1874
Uhland als Dramatiker, mit Benutzung seines handschriftlichen Nachlasses, 1877
Verzeichnis altdeutscher Handschriften/ von Heinrich Adelbert von Keller. Hrsg. von Eduard Sievers. – Tübingen: Laupp, 1890. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Zahlreiche Bände der „Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart“, ab 1849 (Nachweis von Digitalisaten siehe Hauptartikel):
Einleitung zu: Heinrich Wittenweiler: Der Ring, 1851
Fastnachtspiele aus dem fünfzehnten Jahrhundert, 4 Bände, 1853–1858
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus und andere Schriften, 4 Bände, 1854
Erzählungen aus altdeutschen Handschriften , 1854
Hugo von Langenstein: Martina , 1856
Amadis. Nach der ältesten deutschen Bearbeitung. , 1857
Konrad von Würzburg: Der Trojanische Krieg , 1858
Karl Meinet, 1858
Ludwig von Eyb: Die Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg , 1859
Cyriacus Spangenberg: Von der Musica und den Meistersängern , 1862
Jakob Ayrer: Ayrers Dramen , 5 Bände, 1865
Das deutsche Heldenbuch. Nach dem mutmaßlich ältesten Druck , 1867
Hans Sachs: Werke, 26 Bände, 1870–1908
Augustin Tüngers Facetiae , 1874
Das Nibelungenlied, nach der Piaristenhandschrift , 1879
Georg Rudolf Widmann: Fausts Leben , 1880
Literatur
Hermann Bausinger (Hrsg.): Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württemberg. Helmut Dölker zum 60. Geburtstag (= Volksleben. Bd. 5). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1964.
Hans Blosen, Harald Pors: Rollenregister zu Adelbert von Kellers Sammlung Fastnachtspiele aus dem 15. Jahrhundert. Kuemmerle, Göppingen 1981, ISBN 3-87452-532-5.
W. Theodor Elwert:Keller, Adelbert von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S.427(Digitalisat).
Wilhelm Ludwig Holland:Keller, Heinrich Adelbert von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band17, Duncker & Humblot, Leipzig 1883, S.452–454.
Ludwig Schemann (Hrsg.): Briefwechsel Gobineaus mit Adelbert von Keller. Trübner, Straßburg 1911.
Doris Wagner (Hrsg.): Der Tübinger Philologe Karl Moritz Rapp im Briefwechsel mit Adelbert von Keller (= Jahrbuch der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft. 1993/94). Rabenstein, Bayreuth 1996, ISBN 3-928683-09-8.
Harald Weigel: Adelbert Keller und Johannes Fallati als Leiter der Tübinger Universitätsbibliothek (1844–1855) (= Contubernium. Bd. 34). Mohr, Tübingen 1988, ISBN 3-16-445313-2.
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