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Christoph Martin Wieland (* 5. September 1733 in Oberholzheim bei Biberach an der Riß;[1] † 20. Januar 1813 in Weimar, Sachsen-Weimar-Eisenach) war ein deutscher Dichter, Übersetzer und Herausgeber zur Zeit der Aufklärung.

Christoph Martin Wieland von Ferdinand Jagemann (1805).Wielands Unterschrift:
Christoph Martin Wieland von Ferdinand Jagemann (1805).

Wielands Unterschrift:
Christoph Martin Wieland von Ferdinand Jagemann (1805).Wielands Unterschrift:

Wieland war einer der bedeutendsten Schriftsteller der Aufklärung im deutschen Sprachgebiet und der Älteste des klassischen Viergestirns von Weimar, zu dem neben ihm Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller gezählt werden.


Leben



Abstammung, Kindheit und Jugend


Wielands Geburtshaus in Oberholzheim, Ansicht von 1840
Wielands Geburtshaus in Oberholzheim, Ansicht von 1840
Wielands Elternhaus in Biberach
Wielands Elternhaus in Biberach

Geboren wurde Christoph Martin Wieland im Pfarrhaus von Oberholzheim, einem Dorf, das damals eine Pfründe des Hospitals zum Heiligen Geist der freien und paritätischen Reichsstadt Biberach war. Seine Vorfahren waren seit 1560 in Biberach ansässig. Als Wirte des Gasthauses „Zum schwarzen Bären“ am Biberacher Marktplatz erlangten sie Einfluss im Rat der Stadt und stellten mit Wielands Urgroßvater Martin Justin Wieland (* 18. November 1624 in Biberach; † 1. Januar 1685 ebd.) einen Bürgermeister dieser Stadt. Aus dessen erster, 1649 geschlossenen Ehe mit Maria Walpurga Wern (* 10. August 1627 in Biberach; † 1669 ebd.) stammt der Großvater des späteren Dichters Thomas Adam Wieland d. Ä. (* 27. Juli 1653 in Biberach; † 29. März 1729 in Oberholzheim). Dieser hatte an den Universitäten Straßburg, Wittenberg, Basel und Tübingen studiert und sich 1680 den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie erworben. Er ergriff den Beruf eines Theologen und wirkte ab 1680 in Kohlstetten und Kleinengstingen, ab 1688 in Mundigen und ab 1693 als Pfarrer in Oberholzheim. Aus dessen am 1. Juli 1680 geschlossenen Ehe mit der Pfarrerstochter Anna Maria Brigel (* 1. Februar 1661 in Biberach; † 3. Juli 1739 ebd.) stammen einige Kinder ab, von denen Christoph Martin Wielands gleichnamiger Vater Thomas Adam Wieland d. J. (* 3. Januar 1704; † 27. September 1772 in Biberach) ebenfalls den Beruf eines Theologen ergriff.

Thomas Adam Wieland d. J. hatte in Tübingen und Halle studiert, sich ebenfalls den Grad eines Magisters erworben und wurde als Nachfolger seines Vaters Pfarrer in Oberholzheim. Thomas Adam Wieland d. J. verheiratete sich mit der späteren Mutter des Dichters Regina Katharina Kick (* 1. Juli 1715 in Biberach; † 27. Februar 1789 in Weimar), der Tochter des Majors im Markgräflichen Badenschen Kreisregiment Erbprinz Johann Christoph Kick (* 1. Juli 1663 in Lindau; † 22. August 1741 in Biberach) und dessen am 22. November 1693 geheirateter zweiter Ehefrau, der aus Biberach stammenden Marie Christine Rauh (* 21. Februar 1689 Biberach: † 24. Januar 1765 ebd.). Da Thomas Adam Wieland d. J. 1736 die Stelle eines Siechenpredigers an der Magdalenenkirche in Biberach erhielt, zog die Familie dorthin. Hier wurde sein Vater 1755 Abendprediger und 1761 Frühprediger Senior der kirchlichen Einrichtung. Aus der Ehe der Eltern stammen auch der Sohn Johann Gottlieb Wieland († jung), Justin Sebastian Wieland († jung), Thomas Adam Wieland (* 13. Dezember 1735 in Oberholzheim; † 8. Mai 1764 in Biberach), der Kupferstecher wurde, und die Tochter Marie Justine Regina Wieland († jung).[2] Als Taufzeugen in der Stadtkirche von Oberholzheim fungierten Johann Gottlieb von Gaupp,[3] Justinus Hartmann,[4] Katharina Justina Zell[5] und Regina Margaretha Rauh.[6]

Nach der Versetzung des Vaters wurde Christoph Martin Wieland von diesem, von Privatlehrern und später in der Biberacher Stadtschule unterrichtet. Schon mit zwölf Jahren versuchte er sich in lateinischen und deutschen Versen, mit sechzehn Jahren hatte er bereits fast alle römischen Klassiker gelesen; unter den damals modernen Schriftstellern zogen ihn die Aufklärer Voltaire, Bernard le Bovier de Fontenelle und Pierre Bayle, unter den deutschen Poeten insbesondere Barthold Heinrich Brockes an.

Im pietistischen Internat zu Kloster Berge bei Magdeburg, das Christoph Wieland ab 1747 besuchte, wurde der junge Wieland zu einem großen Verehrer Friedrich Gottlieb Klopstocks. Ohne Abschluss beendete er die Klosterschule und schrieb sich 1749 an der Universität Erfurt zum Studium der Philosophie ein. Bei seinem Verwandten Johann Wilhelm Baumer lernte er dort den Don Quijote, aber auch die Philosophie von Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff kennen und schätzen. Im Sommer 1750 brach er das Studium ab und kehrte ins väterliche Haus nach Biberach zurück. Er begann eine Liebesbeziehung mit seiner zwei Jahre älteren Cousine Sophie Gutermann (spätere Sophie von La Roche) und verlobte sich mit ihr. Diese Verbindung löste ihn aus einer inneren Vereinsamung; Sophie (deren Roman Geschichte des Fräuleins von Sternheim er zwei Jahrzehnte später, im Jahr 1771, veröffentlichen sollte) regte ihn zu seinem ersten größeren Werk an, das 1752 anonym veröffentlicht wurde: Die Natur der Dinge oder die vollkommenste Welt. Ein Lehrgedicht in sechs Büchern.


Studium, Schweiz (1750–1759)


Im Herbst 1750 begann Wieland an der Universität Tübingen ein Jurastudium, das er jedoch bald zugunsten der Literatur und des eigenen poetischen Schaffens vernachlässigte. Sein Heldengedicht Hermann in fünf Gesängen sandte er an Johann Jakob Bodmer – den „grand old man“ des Zürcher Literaturlebens, was zu einem intensiven persönlichen Briefwechsel führte. Schon bald gab Wieland das ungeliebte Jurastudium ganz auf und widmete sich seiner Bildung und der Literatur. Seine Erstlingswerke kennzeichnen ihn als leidenschaftlichen Klopstockianer, der eine spezifisch christliche Dichtung anstrebt.

Im Sommer 1752 folgte Wieland einer Einladung Bodmers nach Zürich. Der folgende Aufenthalt in der Schweiz sollte acht Jahre währen. Aufs Herzlichste empfangen, wohnte er eine Weile bei Bodmer als dessen Schüler und wirkte mit an der neuen Herausgabe der 1741 erschienenen, gegen Johann Christoph Gottsched gerichteten Züricherischen Streitschriften. In den folgenden Jahren stand er in anregendem Verkehr mit den wichtigsten Zürcher Vertretern der Aufklärung wie Johann Jakob Breitinger, Hans Caspar Hirzel, Salomon Gessner. 1753 erschienen seine Briefe von Verstorbenen an hinterlassene Freunde.

Ende 1753 löste Sophie die Verlobung mit Wieland und heiratete den kurmainzischen Hofrat Georg Michael Anton La Roche (1720–1788). Dies sowie ein längerer Aufenthalt im pietistisch geprägten Haus der Familie Grebel in Zürich trugen dazu bei, dass Wieland noch eine Zeit lang an seiner „frommen“ Sprache festhielt. In seinen Hymnen (Zürich 1754) und den Empfindungen eines Christen (Zürich 1755) wandte er sich besonders deutlich gegen jede erotische Poesie. Bald jedoch vollzog sich in ihm, besonders unter dem Einfluss der Schriften von Lukian, Horaz, Cervantes, Shaftesbury, d’Alembert, Voltaire eine vollständige Umkehr. 1754 trennte er sich von Bodmer und machte sich als Hauslehrer in Zürich selbstständig. Zunehmend wandelte er sich zum klassischen Vertreter der Aufklärung. Schon das Trauerspiel Lady Johanna Gray (Zürich 1758) – das erste deutsche Drama in Blankversen – begrüßte Lessing mit der Bemerkung, Wieland habe „die ätherischen Sphären verlassen und wandle wieder unter Menschen“. Lessing erachtet das Stück insgesamt allerdings als missglücktes Plagiat, das Wieland von Nicolas Rowe habe (vgl. 63.–64. Brief, die neueste Literatur betreffend). Im selben Jahr schrieb Wieland das epische Fragment Cyrus (Zürich 1759), zu dem ihn Friedrich II. von Preußen angeregt hatte.

Inzwischen war Wieland nach Bern gezogen, wo er ebenfalls als Hauslehrer tätig war. Dort verlobte er sich mit Julie Bondeli, der späteren Freundin Jean-Jacques Rousseaus. Pläne, eine Zeitschrift herauszugeben, musste Wieland aus finanziellen Gründen bald aufgeben. Vermutlich vernichtete er aufgrund von Bondelis Kritik in dieser Zeit auch das Manuskript zur Satire Lucians des Jüngeren wahrhafte Geschichte.[7]


Biberach, Erfurt (1760–1772)


Das Wieland-Gartenhaus in Biberach an der Riß
Das Wieland-Gartenhaus in Biberach an der Riß
Christoph Martin Wieland in seiner Zeit als Biberacher Kanzleiverwalter. Gemälde von Oswald May im Braith-Mali-Museum in Biberach
Christoph Martin Wieland in seiner Zeit als Biberacher Kanzleiverwalter. Gemälde von Oswald May im Braith-Mali-Museum in Biberach

1760 kehrte Wieland nach Biberach zurück, wo er zum Senator gewählt und zum Kanzleiverwalter ernannt wurde. Ein Jahr darauf begann er eine Beziehung mit Christine Hogel. 1764 brachte diese von ihm ein Kind zur Welt; da eine Heirat mit einer katholischen Bürgerstochter für Wielands Familie jedoch unter keinen Umständen infrage kam, beendete er die Beziehung. Seine uneheliche Tochter Caecilia Sophie Christine starb früh. Auf Drängen seiner Familie heiratete er 1765 die Augsburger Kaufmannstochter Anna Dorothea von Hillenbrand (1746–1801), mit der er 14 Kinder haben sollte.

Ehemaliges Komödienhaus in der Schlachtmetzig in Biberach an der Riß. 1762 wurde hier erstmals in Deutschland ein Shakespeare-Stück in deutscher Sprache aufgeführt, die Komödie Der Sturm in der Übersetzung Wielands.
Ehemaliges Komödienhaus in der Schlachtmetzig in Biberach an der Riß. 1762 wurde hier erstmals in Deutschland ein Shakespeare-Stück in deutscher Sprache aufgeführt, die Komödie Der Sturm in der Übersetzung Wielands.

Die kleinbürgerlichen Verhältnisse seiner Vaterstadt bedrückten Wieland; doch fand er auf dem Schloss Warthausen des Grafen Stadion eine Stätte weltmännischer Bildung und persönlicher Anregung. Dort begegnete er auch seiner ehemaligen Verlobten Sophie wieder, die mit ihrem Mann bei Stadion lebte. Der Verkehr mit ihnen und anderen Personen dieser hochgebildeten Kreise führte zu Wielands endgültiger „Bekehrung“ ins Weltliche.

Nun folgte die Epoche der schriftstellerischen Tätigkeit, die Wielands Ruhm und Bedeutung für die deutsche Literatur begründete. Um 1761 begann er den Roman "Geschichte des Agathon", der nach seinem Erscheinen 1766/1767 ein großer Erfolg wurde. 1764 folgte "Don Silvio von Rosalva, oder der Sieg der Natur über die Schwärmerey". In beiden Werken lassen sich Einflüsse von Miguel de Cervantes, Laurence Sterne und Henry Fielding nachweisen. Parallel dazu arbeitete er seit 1762 an der Übersetzung der Stücke William Shakespeares (Zürich 1762–66, 8 Bde.), mit denen er das Theaterleben in Deutschland nachhaltig beeinflusste. Mit den beiden Romanen, den Dichtungen "Musarion oder die Philosophie der Grazien" (1768) und "Idris" (1768) sowie den Erzählungen "Nadine" (1769), "Combabus" (1770), "Die Grazien" (1770) und "Der neue Amadis" (1771) folgte Wieland seinem neuen Weg, der im vollen Gegensatz zu den Anschauungen seiner Jugend stand: Er verkündete eine Philosophie der heiteren Sinnlichkeit, der weltlichen Freuden, der leichten Anmut.

1769 folgte Wieland einem Ruf an die Universität Erfurt. Seine Lehrtätigkeit tat seiner dichterischen Produktivität wenig Abbruch. In Erfurt, wo er im Haus „Zum Alten Schwan“ hinter der Krämerbrücke[8] wohnte, verfasste er neben den bereits erwähnten Werken das Singspiel "Aurora", die "Dialoge des Diogenes" und den politisch-philosophischen Staatsroman "Der goldene Spiegel oder die Könige von Scheschian" (1772). Letzterer war es, der ihm den Weg nach Weimar ebnete.

Stadtplan von Weimar (1784), auf dem links oberhalb der Mitte „H[er]r[n] HofR[at] Wieland[s] Garten“ eingetragen ist
Stadtplan von Weimar (1784), auf dem links oberhalb der Mitte „H[er]r[n] HofR[at] Wieland[s] Garten“ eingetragen ist

Weimar (1772–1798)


Christoph Martin Wieland; Gemälde von Anton Graff, 1794
Christoph Martin Wieland; Gemälde von Anton Graff, 1794
1775 weilte C. M. Wieland im Gleimhaus zu Halberstadt
1775 weilte C. M. Wieland im Gleimhaus zu Halberstadt

1772 berief die verwitwete Herzogin und Komponistin Anna Amalia von Sachsen-Weimar Wieland zur Erziehung ihrer beiden Söhne nach Weimar.[9] Wieland war kein Freund des Absolutismus, jedoch reizte ihn die Möglichkeit, auf den künftigen Herzog Einfluss nehmen zu können, und er sagte zu. Hier trat er in den geistig bedeutendsten Lebenskreis des damaligen Deutschland, der sich um die Herzogin gruppierte,[10] und der schon bei seiner Ankunft Männer wie Johann Karl August Musäus, Karl Ludwig von Knebel, Friedrich Hildebrand von Einsiedel und Friedrich Justin Bertuch in seinen Bann zog und in sich schloss und der bald darauf durch Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder weitere Belebung und Anregung erhielt. Wieland bezog als herzoglicher Hofrat ein gesichertes Gehalt, das ihm auch nach Karl Augusts Regierungsantritt als Pension verblieb.

In verlässlichen, ihn beglückenden Lebensverhältnissen entfaltete er eine frische und sich immer liebenswürdiger gestaltende poetische und allgemein literarische Tätigkeit. Mit dem Singspiel Die Wahl des Herkules und dem lyrischen Drama Alceste (1773) errang er breite Anerkennung. Endlich konnte er – nach französischem Vorbild – die Idee einer eigenen literarischen Zeitschrift verwirklichen. In „Der Teutsche Merkur“, dessen Redaktion er von 1773 bis 1789 führte, ließ er die eigenen dichterischen Arbeiten erscheinen, neben denen er auch eine ausgebreitete literaturkritische Tätigkeit übte, die sich lange Zeit hindurch auf fast alles erstreckte, was für die literarische Welt von Bedeutung war. Seine Kritik war gelegentlich sehr spöttisch, nie aber hämisch, eher nachsichtig und konstruktiv. Des ungeachtet wandten sich die Dichter des „Göttinger Hains“ heftig gegen ihn. Ihnen – namentlich auch den Homer-Übersetzungen von Johann Heinrich Voß – wie auch den Frühromantikern mit ihren Theorien stand er allerdings skeptisch gegenüber.

Seine 1773 im Teutschen Merkur veröffentlichten Briefe über Alceste gaben Goethe Anlass zu der Farce Götter, Helden und Wieland. Wieland hatte die Figur des Herkules in der Tragödie des Euripides als unpassend und grobschlächtig kritisiert. Goethe, im vollen Saft seiner Sturm-und-Drang-Periode, ließ seinen Herkules als klassischen Helden auftreten, der den Literaten Wieland lächerlich machte. Auf diesen Angriff antwortete Wieland mit viel Verständnis für die jungen Rabauken. (Schon im Titel von Goethes Text ist wahrscheinlich eine zweite Lesemöglichkeit angelegt: Götter, Helden und Wieland.) Als Goethe bald darauf dem Ruf des Herzogs Karl-August nach Weimar folgte, bildete sich zwischen ihm und Wieland ein dauerndes Verhältnis der Anerkennung, dem er nach Wielands Tod in seiner bekannten Denkrede auf Wieland ein unvergängliches Denkmal setzte[11].

Nach dem Amtsantritt des jungen Herzogs zog Wieland sich von öffentlichen Ämtern zurück und widmete sich ganz seiner schriftstellerischen Arbeit als Kritiker, Aufklärer und Übersetzer. Die Gesellschaftssatire Geschichte der Abderiten, das romantische Gedicht Oberon (Weimar 1780), die poetischen Erzählungen Das Wintermärchen, Geron der Adlige, Schach Lolo, Pervonte u. a., gesammelt in den Auserlesenen Gedichten (Jena 1784–87), sowie die populäre Märchensammlung Dschinnistan (Winterthur 1786–1789) entstanden in Weimar und geben Zeugnis für seine schöpferische Vielfalt. Dazu gesellten sich die geistreiche Übersetzung der Briefe und Satiren des Horaz (Leipzig 1782 und 1786) sowie die kongeniale[12] und bis heute klassische[13] Übersetzung von Lukians sämtlichen Werken (Leipzig 1788 bis 1789) und zahlreiche kleinere Schriften.


Oßmannstedt (1798–1803) und wieder Weimar (1803–1813)


Christoph Martin Wieland, Gemälde von Gerhard von Kügelgen, 1808, Universitätsbibliothek Tartu
Christoph Martin Wieland, Gemälde von Gerhard von Kügelgen, 1808, Universitätsbibliothek Tartu

Eine Gesamtausgabe der bis 1802 erschienenen Werke (von 1794 an bei Göschen in Leipzig), hatte Wieland erlaubt, das Gut Oßmannstedt bei Weimar anzukaufen. Hier wollte er sich „eine Insel des Friedens und des Glücks“ aufbauen – inmitten der sich anbahnenden napoleonischen Kriege. Er wollte sich – im Alter von 65 Jahren – als Landwirt betätigen. Hier verlebte der Dichter seit 1798 im Kreise der großen Familie (seine Gattin hatte in 20 Jahren sieben überlebende Kinder geboren) einige glückliche und produktive Jahre. Seine frühere Verlobte, Sophie von La Roche, besuchte ihn mit ihrer Enkelin Sophie Brentano, mit der sich eine enge Freundschaft entwickelte. Hier besuchte ihn auch Heinrich von Kleist und las ihm den Robert Guiscard aus dem Manuskript vor.

Der Tod seiner Gattin 1800 und die finanzielle Belastung durch das Gut bewogen ihn, das Gut 1803 zu veräußern und wieder in Weimar zu wohnen. Dort gehörte er dem Kreis der Herzogin Anna Amalia bis zu deren Tod an. Die Zeitschrift Attisches Museum, die Wieland allein 1796–1801, und das Neue attische Museum, das er mit Johann Jakob Hottinger und Friedrich Jacobs 1802–1810 herausgab, dienten dem Zweck, die deutsche Nation mit den Meisterwerken der griechischen Poesie, Philosophie und Redekunst vertraut zu machen. Im Attischen Museum veröffentlichte er unter anderem vier von ihm übersetzte Komödien von Aristophanes und zwei Tragödien von Euripides. 1806 war Wieland in Weimar Gastgeber von Adam Oehlenschläger. 1808 lud ihn Kaiser Napoleon zu einer Unterredung am Rande des Fürstenkongresses nach Erfurt ein.[14] Im Alter von 76 Jahren trat er der Weimarer Freimaurerloge Anna Amalia zu den drei Rosen bei und hielt dort zahlreiche Vorträge.[15][16][17]

Wieland blieb bis zu seinem Tod außergewöhnlich lebensfroh. Am 20. Januar 1813 starb er an den Folgen einer Erkältung.

Seinem Wunsch gemäß wurde er im Schlossgarten von Oßmannstedt neben seiner Frau und Sophie Brentano begraben. Das Grab befindet sich unter einem dreiseitigen Obelisken in einer Schleife der Ilm. Die Inschrift des Grabsteines ist ein Distichon und lautet:

LIEBE UND FREUNDSCHAFT UMSCHLANG DIE VERWANDTEN SEELEN IM LEBEN
UND IHR STERBLICHES DECKT DIESER GEMEINSAME STEIN.

Zur Wirkung


Biberacher Notgeld von 1923 mit Wielandporträt
Biberacher Notgeld von 1923 mit Wielandporträt

Christoph M. Wieland war mit seinem Werk Geschichte des Agathon der Begründer der Tradition des deutschen Bildungsromans. Nach einer pietistischen Phase der Schwärmerei entwickelte er sich zu einem der einflussreichsten Schriftsteller der Aufklärung. Seine Verserzählungen sind gekennzeichnet durch meisterhafte Stilistik. Er beherrschte galant-witzig die Satire ebenso wie die Literaturkritik. Auch als Übersetzer leistete er Bedeutendes: seine in Weimar entstandenen Horaz- und Lukian-Übersetzungen sind „bis heute nicht veraltet“.[18]

Stilsicher geschmeidige Wortkunst und abgewogene denkerische Klugheit – ein Muster an reflexiver Aufklärung (vgl. Moderne) – machten Wieland zunächst zu einem der wirksamsten deutschen Dichter, zogen ihm aber auch die anhaltende Feindseligkeit der Nachfolgegenerationen mit deren Programmen der „Ächtheit“ bzw. der Gefühlskultur zu (vgl. Sturm und Drang, Romantik), denen seine Toleranz und freie Erotik, aber auch die Tendenz zur grazilen, rokokohaften Sprache missfielen. Er wurde als „Franzose“ und „kleines Schweinchen von der Herde des Epikur“ verspottet.[19] So wurde er schon im 19. Jahrhundert unter den deutschen Klassikern der am wenigsten Gelesene. Im deutschsprachigen Raum gewann Wieland erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die begeisterte Ehrenrettung Arno Schmidts wieder eine neue Leserschaft.

Wielands Aufklärungskonzept wurde im Roman Wieland or The Transformation: an American Tale (Wieland oder die Verwandlung: eine amerikanische Erzählung; 1798) des amerikanischen Schriftstellers Charles Brockden Brown verarbeitet. Protagonist des Romans ist Theodore Wieland, ein fiktiver Verwandter des Dichters, der im religiösen Wahn seine Familie tötet.[20]


Familie


Christoph Martin Wieland mit seiner Frau Anna Dorothea Wieland, sowie den Kindern Sophie Katherine Wieland, Regine Dorothea Wieland, Karl Friedrich Wieland, Maria Karolina Wieland und Amalia Augusta Wieland
Christoph Martin Wieland mit seiner Frau Anna Dorothea Wieland, sowie den Kindern Sophie Katherine Wieland, Regine Dorothea Wieland, Karl Friedrich Wieland, Maria Karolina Wieland und Amalia Augusta Wieland

Wieland verheiratete sich am 21. Oktober 1765 mit Anna Dorothea von Hillenbrand (* 8. Juli 1746 in Augsburg; † 9. November 1801 in Oßmannstedt), der Tochter des Kaufmanns und Ratsherrn in Augsburg Johann David von Hillenbrand (* 14. März 1712 in Augsburg; † 16. Januar 1763 ebd.) und dessen Frau Maria Catharina von Thurm (* 29. September 1721 in Augsburg; † nach 1758). Von den Kindern kennt man:

Seine Nichte war die Schauspielerin Felicitas Abt.


Würdigungen


Dekret Napoleons zur Ernennung von Goethe, Wieland, Starke und Vogel zu Rittern der Ehrenlegion (12. Oktober 1808)
Dekret Napoleons zur Ernennung von Goethe, Wieland, Starke und Vogel zu Rittern der Ehrenlegion (12. Oktober 1808)
Wieland-Denkmal in Biberach
Wieland-Denkmal in Biberach

Werke


Wieland-Denkmal in Weimar von Hanns Gasser, enthüllt 1857
Wieland-Denkmal in Weimar von Hanns Gasser, enthüllt 1857
Titelblatt der Erstausgabe
Titelblatt der Erstausgabe
Titelblatt der Musarion
Titelblatt der Musarion

Für ein Verzeichnis aller Erstausgaben: siehe Wikisource.


Übersetzungen


Titelseite von Band 1 der Übersetzung der horazischen Satyren
Titelseite von Band 1 der Übersetzung der horazischen Satyren

Wieland als Herausgeber



Ausgaben



Literatur


Geschichte der Abderiten (1887)
Geschichte der Abderiten (1887)

Siehe auch




Commons: Christoph Martin Wieland – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Christoph Martin Wieland – Zitate
Wikisource: Christoph Martin Wieland – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise


  1. Häufig wird angeführt, Wieland sei am 3. September 1733 geboren worden. Nach dem Eintrag im Kirchenbuch von Oberholzheim, soll er am 5. September 1733 getauft worden sein und das Kirchenbuch enthalte keinen Eintrag zum Geburtstag. Im Briefwechsel Wielands erscheint die Angabe 5. September als Geburtstag. So zum Beispiel in einem am 28. Dezember 1787 datierten Brief an seinen Freund Leonard Meister in Zürich und in einem Brief an seine Tochter Sophie am 12. September 1809. Man vermutete, dass es zu jener Zeit unwahrscheinlich war, dass ein Kind am Tag seiner Geburt getauft wurde. Meist lagen einige Tage zwischen Geburt und Tauftag. Man vermutete seinen Geburtstag deshalb am 3. September, weil er in einem am 3. November 1806 datierten Brief an Sophie von La Roche mitteilt, er habe am 3. September seinen Geburtstag gefeiert. Dies ist aber in Anbetracht dessen, dass es in den Taufbücher von Oberholzheim keine Rubrik für Tauftage gibt, unwahrscheinlich.
  2. Heinrich Habbicht: Die Vorfahren und Nachkommen, sowie das Wappen des Dichters Christoph Martin Wieland. In: Archiv für Stamm- und Wappenkunde. Wellers 1908 und Heinrich Werner: Christoph Martin Wieland, seine Abstammung und seine Familienverbindungen. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. (WürttVjhhLG) Jg. 22, 1913, S. 112–119 und S. 218–252.
  3. Johann Gottlieb von Gaupp (* 27. Dezember 1676 in Biberach; † 27. Mai 1760 ebd.); Vater: Johann Friedrich von Gaupp (* 8. September 1641; † 1694); Mutter: Jacobina Seutter von Lötzen (* in Ulm), er studierte in Altdorf und 1692 in Jena, 1698 wurde er Assessor am Stadtgericht und war 1699 Stadthauptmann in Biberach, 5. April 1709 evang. Stadtamtmann, 1734 Geheimrat, Hospitalpfleger und Scholarch in Biberach, 1739 Bürgermeister Biberach, verheiratet mit Maria Elisabetha Besserer und 15. Juli 1737 mit Maria Philippina Amann, dessen Schwester Rosina Anastasia von Gaupp (* 11. Juni 1675 in Biberach) verheiratete sich am 1. Juli 1697 in Biberach mit dem Kaufmann in Venedig Heinrich Friedrich Francke (* 4. Dezember 1661 in Lübeck; † 1728 in Ulm), dem Bruder von August Hermann Francke
  4. Justinus Hartmann († 1760), Ratsmitglied und Besitzer der Kronenapotheke in Biberach, verheiratet 1707 mit Anna Magdalena Briegel (* 1669), die Tochter des Biberacher Pfarrers Matthäus Briegel d. J. (* 3. April 1633 in Biberach; † 14. April 1702 in Biberach) und die Stubenheimer Pfarrerstochter Anna Barbara Henisius
  5. Katharina Justina Zell (geb. Hochstetter; * 23. Juni 1701 in Sindelfingen; † 12. Juli 1792), verheiratete sich am 17. Oktober 1724 in Lustenau mit dem Biberacher Pfarrer Johann Georg Zell (* 30. März 1696 in Biberach † 16. Januar 1761 ebd.)
  6. Regina Margaretha Rauh (geb. Wieland; * 3. Januar 1663 in Biberach; † 9. Mai 1739 ebd.), die Tochter des Bürgermeisters Martin Justin Wieland war Christoph Martin Wielands Großtante und die Frau des Ratsmitglieds, Oberbauinspektors und Besitzers der Marktapotheke in Biberach und Wielands Urgroßvater Johann Georg Ludwig Rauh (* 31. Dezember 1654 in Biberach; † vor 1739 (katholisch))
  7. Jürgen Werner: Lukian. Götter, Tote und Hetären. Reclam-Verlag, Leipzig 1981, Nachwort S. 283.
  8. Christoph Martin Wieland. In: erfurt-web.de. 22. August 2013, abgerufen am 8. Februar 2015.
  9. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, Band 3. Meyer: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Meyer, 1773, S. 678 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Sie schrieb u. a. das Singspiel Erwin und Elmire auf den bekannten Goethe-Text sowie ansprechende kammermusikalische Werke für den Hofgebrauch.
  11. Goethe: Zu brüderlichem Andenken Wieland’s. In: Handbuch deutscher Beredsamkeit in der Google-Buchsuche
  12. Johann Wolfgang Goethe: Zu brüderlichem Andenken Wielands. In: Karl Richter u. a. (Hrsg.): Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Band 9. Carl Hanser Verlag, München/Wien 1987, S. 945–965, hier S. 954: „(...) und so entstand der deutsche Lucian, der uns den griechischen um desto lebhafter darstellen mußte, als Verfasser und Übersetzer für wahrhafte Geistesverwandte gelten könnten.“
  13. Paul Kroh: Lexikon der antiken Autoren (= Kröners Taschenausgabe. Band 366). Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1972, ISBN 3-520-36601-0, S. 381.
  14. Adam Zamoyski: 1812. Napoleons Feldzug in Russland. C.H.Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63170-2, S. 68 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche englisch: 1812. Napoleon’s Fatal March on Moscow. London 2004.).
  15. Lennhoff, Posner, Binder: Internationales Freimaurer-Lexikon. 2000, S. 903.
  16. Vom-logenleben - Freimaurerloge Anna Amalia. In: anna-amalia.de. 9. Februar 2015, abgerufen am 8. Februar 2015.
  17. William R. Denslow, Harry S. Truman: 10,000 Famous Freemasons from K to Z, Part Two. S. 322.
  18. Klaus Manger: Wieland, Christoph Martin. In: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Hrsg. von Walther Killy, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1988, Band 12, S. 312.
  19. Hermann Glaser, Jakob Lehmann, Arno Lubos: Wege der deutschen Literatur. Ulstein, 1997, S. 137.
  20. Elizabeth Barnes: Loving with a Vengeance: Wieland, Familicide and the Crisis of Masculinity in the Early Nation. In: Milette Shamir, Jennifer Travis: Boys don’t Cry? Columbia University Press, New York 2002, S. 52.
  21. Intelligenzblatt der Allgem. Literaturzeitung Num. 157 vom 9. Oktober 1805, Seite 1304, abgerufen am 4. Januar 2020.
  22. Beleg in der Datenbank des französischen Kulturministeriums, abgerufen am 20. Februar 2014.
  23. Vgl. Augsburgische Ordinari Postzeitung, Nro. 266, Samstag, den 5. Nov., Anno 1808, S. 3, als (Digitalisat)
  24. Siehe Vorrede in: Christoph Martin Wieland: Die Geschichte des Biribinkers. Bartholomaeus, 1769 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  25. Michael Scheffel: Formen selbstreflexiven Erzählens. Walter de Gruyter, Berlin und New York 1997, ISBN 3-11-092233-9, S. 101 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  26. Website der Wieland-Edition bei der Universität Jena.
  27. Übersicht über die bereits erschienenen Bände.
  28. http://d-nb.info/362998620
Personendaten
NAME Wieland, Christoph Martin
KURZBESCHREIBUNG deutscher Dichter, Übersetzer und Herausgeber der Aufklärung
GEBURTSDATUM 5. September 1733
GEBURTSORT Oberholzheim bei Biberach an der Riß
STERBEDATUM 20. Januar 1813
STERBEORT Weimar

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- [de] Christoph Martin Wieland

[es] Christoph Martin Wieland

Christoph Martin Wieland (Oberholzheim, 5 de septiembre de 1733 - Weimar, 20 de enero de 1813) fue un poeta, escritor, traductor y editor alemán.

[fr] Christoph Martin Wieland

Christoph Martin Wieland (né le 5 septembre 1733 à Oberholzheim (Souabe) et mort le 20 janvier 1813, à Weimar) est un poète, traducteur et éditeur allemand.

[ru] Виланд, Кристоф Мартин

Кристоф Мартин Виланд (нем. Christoph Martin Wieland; 5 сентября 1733, Оберхольцхайм — 20 января 1813, Веймар) — немецкий поэт и прозаик, издатель журнала «Германский Меркурий» (нем. Der Deutsche Merkur[de]) — первого в Германии литературно-художественного периодического издания. Одна из центральных фигур в немецком литературном процессе XVIII века наряду с Лессингом, Шиллером, Гёте.



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