Róža Domašcyna (* 11. August 1951 in Zerna, Landkreis Kamenz) ist eine Lyrikerin[1], Essayistin, Dramatikerin, Herausgeberin und Übersetzerin, die in sorbischer und deutscher Sprache schreibt. Sie ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und der Sächsischen Akademie der Künste.
Róža Domašcyna im März 2018
Leben
Róža Domašcyna (deutscher Name Rosa Maria Domaschke, geborene Keschka) wurde in eine Poetenfamilie hineingeboren. Ihr Großonkel Jurij Delenk[2] (dt. Georg Delenk, 1882–1918) studierte in Prag Theologie, war Übersetzer und Begründer der ersten Taschenbuchreihe in sorbischer Sprache. Ihre Großmutter Hana Chěžcyna, geborene Delenkec (Anna Keschka, geborene Delenk, 1887–1984), war Märchenerzählerin[3] und hat neun Kinder aufgezogen. Ihr Onkel Jurij Chěžka (Khěžka 1917–1944) war Dichter und übersetzte Lyrik aus dem Tschechischen.[4]
Sie arbeitete von 1968 bis 1972 in der Redaktion der sorbischen Kinder- und Jugendzeitschrift Płomjo und der Tageszeitung Nowa doba. Seit 1970 veröffentlichte sie Gedichte in der sorbischen Presse. Ab 1979 studierte sie Ingenieurökonomie des Bergbaus und war bis 1984 als Schreibkraft und Materialwirtschaftlerin in Knappenrode tätig. Mit interlinearen Übersetzungen ihrer sorbischsprachigen Gedichte bewarb sie sich am Leipziger Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ und wurde angenommen. Von 1985 bis 1989 studierte dort und ist seit 1990 freie Schriftstellerin.
Róža Domašcyna publizierte 1990 im Domowina-Verlag ihren ersten Lyrikband unter ihrem sorbischen Namen. 1991 sollte ihr erstes Buch in deutscher Sprache bei Gerhard Wolfs Janus-Press unter Rosa Domaschke erscheinen. „Wie heißen Sie“, fragte Gerhard Wolf. „Tomatschke? Das geht nicht! - Und das hier?“ – er zeigte auf die sorbische Ausgabe. „Domašcyna“, antwortete seine Debütantin. “Klingt doch gut, das nehmen wir!”, so Wolf.[5][6]
Die politische und gesellschaftliche Wende der DDR brachte für Róža Domašcyna den literarischen Durchbruch. Sie tritt als Nachdichterin überwiegend aus slawischen Sprachen auf; ihre Gedichte sind in zahlreiche slawische und westeuropäische Sprachen übersetzt worden, darunter Buchausgaben mit einer Auswahl ihrer Gedichte ins Serbische (2009), Tschechische (2015) und Polnische (2021).
In ihren Texten nutzt sie poetische Interferenzen zwischen dem Sorbischen und dem Deutschen; beide Sprachen gehen so eine Verbindung ein, die den von Kito Lorenc vorgeschlagenen Weg der Weiterentwicklung sorbischer Lyrik konsequent beschreitet. „Die Motive der Vertreibung reichen vom versagten Paradies der Liebe bis zur Verdrängung aus alter Kulturlandschaft durch industrielle Verwüstung... Das ist keine Minderheitenliteratur, sondern Teil eines kulturellen Reichtums, den wir nach der Vereinigung erst entdecken müssen.“[7] Aber „Róža Domašcyna wird nicht den sorbischen Clown im mitteleuropäischen Käfig spielen, wir werden sie nicht auf der sorbischen Bekenntnisbühne finden, sie wird nicht die Tracht anlegen, damit die Kameras surren.“[8] In ihren Gedichten lassen sich „die seelischen/innerlichen Landschaften schwer von den äußeren Erscheinungen und Ereignissen trennen – zumindest nicht entlang einer glasklaren Linie, zu verschränkt sind die Texte. Das ist das Verdienst eben jener Imaginationskraft, die viele Bilder und Szenarien und sprachliche Prozesse verwendet.“[9]
Dabei verleugnet sie die sorbischen Traditionen nicht, sondern übersetzt, ganz im Sinne ihrer Märchenerzähler-Großmutter, Märchen aus dem Sorbischen ins Deutsche[10][11], ebenso die Lyrik ihres Onkels Jurij Chěžka aus dem Obersorbischen.[12] Sie nutzt den ihr offenen Sprachraum – neben dem Deutschen das Sorbische, Polnische, Slowakische und Tschechische. Das gehörte einst selbstverständlich dazu. Sie hat es nur übernommen. Ihr Großonkel Jurij Delenk studierte in Prag, ihr Onkel Jurij Chěžka debütierte 1936 dort mit Lyrik. Man muss es, um die Dichterin zu verstehen, als Einheit betrachten.
In der musikalisch-phonetischen Komposition „parkfiguren. Lyrisches Moment mit einem deutsch-sorbischen Text von Róža Domašcyna“ setzt der Komponist Harald Muenz die Zweisprachigkeit von Domašcynas Text gezielt als klangliches Vexierspiel für eine Sprech- und eine Singstimme um.
Preise
Förderpreis zum Mörike-Preis der Stadt Fellbach (1994)
Förderpreis zum Ćišinski-Preis (1995)
Anna-Seghers-Preis, gemeinsam mit David Mitrani, Kuba (1998)
Calwer Hermann-Hesse-Stipendium (2002)
Stipendium Künstlerhaus Edenkoben (1997/2002)
Prix Evelyne Encelot, gemeinsam mit Ana Hatherly, Portugal, Autun, Burgund (2003)
Gedenkmedaille Karel Hynek Mácha, Tschechien (2010)
Stipendium Villa Decius, Krakau (2015)
Stipendium Künstlerhaus Schreyahn (2016)
Sächsischer Literaturpreis (2018)
1. Meissner Literaturpreis, gemeinsam mit Lisa Kränzler, 2019
Werke
Wróćo ja doprědka du (etwa: Nach vorn geh ich zurück), Domowina-Verlag. Bautzen, Fotografiken Jürgen Matschie, 1990 ISBN 3-7420-0504-9
Zaungucker, Gerhard Wolf Janus-press, Berlin, Illustration Garla Woisnitza, 1991 ISBN 3-86163-021-4
Pře wšě płoty (Über alle Zäune), Domowina-Verlag, Bautzen, Fotografiken Kerstin Młynkec, 1994 ISBN 3-7420-1568-0
Zwischen gangbein und springbein, Gerhard Wolf Janus-press, Berlin, Illustrationen Maja Nagel 1995/ 1998 ISBN 3-928942-22-0
Der Hase im Ärmel, Gerhard Wolf Janus-press, Berlin, Illustrationen Angela Hampel, 1997, 2011 ISBN 3-928942-45-X
Selbstredend selbzweit selbdritt, Gerhard Wolf Janus-press, Berlin, Illustrationen Birgit Schöne, 1998 ISBN 3-928942-55-7
Kunstgriff am netzwerg, Edition Thanhäuser, Ottensheim/Donau, Holzschnitte Christian Thanhäuser, 1999 ISBN 3-900986-36-3
Pobate bobate, Domowina-Verlag, Bautzen, Illustrationen Angela Hampel 1999 ISBN 3-7420-1789-6
„sp“, Domowina-Verlag, Bautzen, Fotografik Michael Vogler 2001 ISBN 3-7420-1869-8
MY NA AGRA, Domowina-Verlag, Bautzen, Illustrationen Dieter Zimmermann 2004 ISBN 3-7420-1969-4
stimmfaden, Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2006 ISBN 978-3-88423-266-8
Balonraketa (zwei Texte für das Theater), Domowina-Verlag, Bautzen 2008 ISBN 978-3-7420-2100-7
ort der erdung, Edition Cornelius, Halle 2011 ISBN 978-3-86237-245-4
Štož ći wětřik z ruki wěje, Domowina-Verlag, Bautzen, Illustrationen Iris Brankatschk 2012 ISBN 978-3-7420-2220-2
Feldlinien, Edition Ornament, Jena, Holzschnitte Karl-Georg Hirsch 2014 ISBN 978-3-943768-23-7
Die dörfer unter wasser sind in deinem kopf beredt, Poetenladen-Verlag, Leipzig 2016 ISBN 978-3-940691-82-8
znaki pominaki kopolaki (gemeinsam mit Měrana Cušcyna und Měrka Mětowa), Domowina-Verlag, Bautzen Fotografiken Jürgen Matschie 2019 ISBN 978-3-7420-2567-8
W času zeza časa, Domowina-Verlag, Bautzen, Illustrationen Karl-Georg Hirsch 2019 ISBN 978-3-7420-2573-9
stimmen aus der unterbühne, Poetenladen-Verlag, Leipzig, 2020 ISBN 978-3-948305-05-5
Bibliophile Drucke IV. zu Arbeiten von Angela Hampel, Galerie Offizin S. Meran, Italien 2015
So sachen getan, mit Arbeiten von Angela Hampel, Eigenverlag, Dresden 2015
Dreizehn Gedichte, Lyrikheft Nr. 18, Sonnenberg-Presse, Chemnitz 2016
AUS DEM WORT, mit Arbeiten von Gerda Lepke, Privatedition 2017
Njeprašej so/ Sprich: wörtliches, Verlag Peter Ludewig, Kirchseeon 2019
Die Frau im Mittag, mit Gedichten von Manfred Jendryschik und Holzschnitten von Karl-Georg Hirsch, Edition Maul & Haferkorn, Leipzig 2019
Noch nicht genug, Verlag Peter Ludewig, Wilhelmshaven 2021
Nachdichtungen/Übersetzungen (Auswahl)
Zelene zet – Das grüne Gej, Jurij Khěžka, Lyrik, ins Deutsche aus dem Obersorbischen, RanitzDruck Nr. 6, Edition Thanhäuser, Ottensheim, Österreich, Holzschnitte von Christian Thanhäuser 1998 ISBN 3-900986-29-0
Das goldene Gut, (aus dem Sorbischen) Übersetzung von Märchen, Domowina-Verlag, Bautzen, Illustrationen Jutta Mirtschin 2017 ISBN 978-3-7420-2438-1
Zeleny večer/ Grüner Abend, (aus dem Slowakischen) Ján Zambor, Lyrik, Verlag im Wald, Rimbach 2012 ISBN 978-3-941042-35-3
Eine schimmernde Wabe Glimmer, (aus dem Tschechischen) Milan Hrabal, Lyrik, Leipziger Literaturverlag 2016 ISBN 978-3-86660-211-3
Mai, (aus dem Tschechischen ins Obersorbische), Karel Hynek Mácha, Lyrik. Domowina-Verlag, Bautzen /Obec spisowatelu Česka republika, Praha, Illustrationen Isa Brützke 2010 ISBN 978-3-7420-2186-1
Herausgebertätigkeit
Wuhladko, Literaturalmanach (2000–2004) mit Nachdichtungen/ Übersetzungen vor allem zeitgenössischer Literatur ins Wendische/ Sorbische, Domowina-Verlag, Bautzen ISBN 3-7420-1828-0, 3-7420-1681-2, 3-7420-1890-6, 3-7420-1950-3, 3-7420-1970-8
santera pantera, Lyrik, Edition Thanhäuser, Ottensheim/ Donau, Österreich 2003 ISBN 3-900986-53-3
Weltbetrachter, gemeinsam mit Axel Helbig, Lyrik, Poetenladen Verlag 2020 ISBN 978-3-948305-07-9
Poesiealbum 371 Milan Hrabal, Märkischer Verlag, Wilhelmshorst 2022 ISSN 1865-5874
Róža Domašcyna bezeichnet sich ausdrücklich nicht als „sorbische oder deutsche Lyrikerin“ – sie lehnt die „Nationalismen“ ab: Siehe Lesung & Gespräch im Haus der Poesie Berlin vom 3. Februar 2022. Sie schreibt in sorbischer und deutscher Sprache.
Er debütierte 1936 mit Gedichten in Prager Zeitschriften. 1937 schrieb er eine Sammlung von 23 Gedichten in ein Heft und gründete die handschriftliche studentische Untergrundzeitschrift “Gmejska heja” (Gemeindekeule). Seine Gedichte erschienen erstmals 1961 als Lyrikband.
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