Die sorbische Sprache (kurz Sorbisch, veraltet Wendisch, Lausitzserbisch, in beiden Standardvarietäten serbšćina) ist die Gesamtheit der sorbischen Dialekte. Sie gehört zur Gruppe der westslawischen Sprachen und wird heute vor allem in der Lausitz gesprochen. Es werden zwei Schriftsprachen unterschieden,
Sorbisch (serbšćina) | ||
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Gesprochen in |
Deutschland | |
Sprecher | 20.000 bis 30.000 | |
Linguistische Klassifikation |
| |
Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Brandenburg und Sachsen (Sorbisches Siedlungsgebiet)[1] | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
– | |
ISO 639-2 |
wen (Sprachfamilie) | |
ISO 639-3 |
hsb (Obersorbisch) |
An der Grenze der beiden Sprachgebiete existiert eine Reihe von Übergangsdialekten, die allerdings sprachhistorisch eher dem Niedersorbischen zuzurechnen sind.
Beide Sprachen, sowohl Obersorbisch als auch Niedersorbisch, sind vom Aussterben bedroht. Obersorbisch gilt als gefährdete Sprache. Niedersorbisch gilt als ernsthaft gefährdete Sprache, weil sie nur noch in sehr wenigen Familien auch von der mittleren und jungen Generation gesprochen wird.
Innerhalb des Westslawischen bildet das Sorbische eine eigene Gruppe und ist insgesamt der lechischen Gruppe, insbesondere dem Polnischen, etwas ähnlicher als der tschechisch-slowakischen. Dabei weist das Obersorbische mehr Ähnlichkeiten mit dem Tschechischen auf und das Niedersorbische mehr mit dem Polnischen. Diese Ähnlichkeiten gehen sowohl auf die ursprüngliche räumliche Herkunft der verschiedenen später als sorbisch bezeichneten Gruppen bei ihrer Zuwanderung aus Böhmen bzw. Schlesien im frühen Mittelalter zurück als auch auf späteren Sprachkontakt. Der geographischen Zusammenhang zwischen dem tschechischen und dem obersorbischen Sprachgebiet wurde bereits spätestens im frühen 13. Jahrhundert im Zuge der intensiven deutschen Besiedlung im Raum zwischen Dresden und Zittau unterbrochen. Jedoch bestanden noch lange danach intensive Kontakte zwischen Sorben in der (Ober-)Lausitz und Tschechen in Böhmen. Zwischen dem (nieder)sorbischen und dem polnischen Sprachgebiet bestand ein direkter Zusammenhang (im Raum Crossen an der Oder [sorbisch Krosyn, polnisch Krosno Odrzańskie]) noch mindestens bis ins 14. Jahrhundert. Der sorbische Autor Frido Mětšk (deutsch Alfred Mietzschke) sprach in einer Veröffentlichung des Jahres 1958 sogar von einem Gebiet mit Übergangsdialekten zwischen Niedersorbisch und Polnisch bis etwa ins 17. Jahrhundert.[2]
Historisch wurde für das Obersorbische und das Niedersorbische ebenso wie für die nordwestlich benachbarten polabischen Sprachen und das Pomoranische im Norden die Bezeichnung Wendisch verwendet. Wendisch war also eine nicht näher differenzierende Bezeichnung für slawische Sprachen westlich des Polnischen und nördlich des Tschechischen. Heute wird der Begriff nur noch für das Niedersorbische verwendet, auch von Sorben selbst, wenn sie Deutsch reden. Die meisten Obersorben empfinden diese Fremdbezeichnung dagegen als abwertend (pejorativ).
Gab es bis in die 1950er Jahre noch auf dem ganzen Territorium des heutigen sorbischen Siedlungsgebietes auch muttersprachlich sorbische Kinder und Jugendliche, so ist das bedingt durch die von Germanisierungsbestrebungen und wirtschaftlichen Entwicklungen begünstigte Assimilation heute fast nur noch im katholischen Teil der Oberlausitz der Fall.
Die Wissenschaft zur Erforschung und Dokumentation der sorbischen Sprache wird als Sorabistik bezeichnet, deren einziges universitäres Institut an der Universität Leipzig beheimatet ist. Außeruniversitär beschäftigt sich insbesondere das Sorbische Institut in Bautzen und Cottbus mit der sorbischen Sprachwissenschaft.
Die Geschichte der sorbischen Sprache auf dem Gebiet des heutigen Deutschland beginnt mit der Völkerwanderung etwa seit dem 6. Jahrhundert.
Schon als die heutige Lausitz ins Blickfeld mittelalterlicher Chronisten geriet, war sie von zwei slawischen Völkern bewohnt, von den Milceni im Süden und den Lusici im Norden. Auch nach der Unterwerfung durch Teilstaaten des Heiligen Römischen Reiches standen Ober- und Niederlausitz bis auf weniger als hundert Jahre immer unter verschiedener Hoheit.
Seit dem 12. Jahrhundert, mit dem massenhaften Zuzug von bäuerlichen Siedlern aus Flandern, Sachsen, Thüringen und Franken und der vorangegangenen Verwüstung des Landes durch Kriege, begann der allmähliche Rückgang des Sorbischen. Zunächst wurde es dem Deutschen rechtlich nachgeordnet, unter anderem im Sachsenspiegel. Später kamen Sprachverbote hinzu: 1293 wurde das „Wendische“ im Bereich des Klosters Nienburg als Gerichtssprache verboten, 1327 in Altenburg, Zwickau und Leipzig, 1424 in Meißen (wobei nur für 1293 die Überlieferung nachvollziehbar ist).[3] Weiterhin gab es in vielen Zünften der Städte des Gebietes die Vorschrift, nur deutschsprachige Mitglieder aufzunehmen.[4]
Das älteste schriftlich überlieferte Sprachdenkmal des Obersorbischen ist der „Burger Eydt Wendisch“, ein Bürgereid der Stadt Bautzen aus dem Jahr 1532. Eine sorbische Literatur entstand erst im Zusammenhang mit der Reformation, die zu ihrer Ausbreitung auf die Volkssprache angewiesen blieb. In einer in der Pfarrbibliothek von Jauernick verwahrten Handschrift aus dem Jahre 1510 wurde die älteste bekannte niedersorbische Notiz entdeckt, eine Randbemerkung zu einem lateinischsprachigen Werk Ovids:[5] „Ach moyo luba lubka / biß weßola thy sy / my luba“ (übersetzt: „Ach meine liebe Liebste, sei fröhlich, du bist mir lieb“).[6] Experten des Handschriftenzentrums der Universität Leipzig stellten den Fund am 13. Mai 2011 im Archiv des Bistums Görlitz vor.
Im 13. bis 16. Jahrhundert wurden in mehreren Städten und Gemeinden Sprachverbote erlassen. Das Kerngebiet der Milzener und Lusitzer, zwei der etwa zwanzig sorbischen Stämme, die im Gebiet der heutigen Lausitz lebten, war von deutschsprachiger Neusiedlung und rechtlichen Beschränkungen nur wenig betroffen. Die Sprache hatte daher dort einen guten Halt. Die Sprecherzahl wuchs dort bis in das 17. Jahrhundert auf über 300.000 an.
Im Zeitalter des Barock regte sich erstmals ein philologisches Interesse an der sorbischen Sprache, das sich in den umfangreichen grammatikalisch-lexikalischen Werken des Niedersorben Johannes Choinan sowie der Obersorben Jurij Hawštyn Swětlik und Xaver Jakub Ticin niederschlug. Einen beträchtlichen Auftrieb erhielt das Sorbische zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch die Tätigkeit der evangelischen Wendischen Prediger-Collegien in Leipzig und Wittenberg. Als in Prag das Wendische Seminar, ein Konvikt für den katholischen Priesternachwuchs, errichtet wurde, entstand dadurch eine wichtige Verbindung zur tschechischen Sprache und Nationalität. Nach dem Siebenjährigen Krieg sank die Aufmerksamkeit für die sorbische Sprache wieder.
Erst der Einfluss der Romantik brachte einen neuen Aufschwung der literarischen Tätigkeit, und es entstand ein spezifisch sorbisches Nationalbewusstsein. Im 19. Jahrhundert war besonders in Preußen die „Eindeutschungspolitik“ sehr repressiv, obwohl die Sorben 1848 für ihre Königstreue zahlreiche Vergünstigungen erhielten.
Bei der Volkszählung von 1900 gaben insgesamt 93.032 Einwohner des Deutschen Reiches „Wendisch“ als Muttersprache an.[7] Die tatsächliche Sprecherzahl dürfte noch etwas höher gelegen haben. 1904 wurde am Lauengraben in Bautzen unter Beteiligung der offiziellen Stellen das Wendische Haus (Serbski dom) als Sitz der Maćica Serbska, der Smoler’schen Buchhandlung und weiterer sorbischer Einrichtungen eingeweiht. Am 13. Oktober 1912 wurde in Hoyerswerda der Verein Domowina zur Erhaltung der sorbischen Sprache und Kultur gegründet.
Schon in der Weimarer Republik, besonders aber im NS-Staat wurde die sorbische Sprache und Kultur durch Gerichtsurteile, Verbote, Germanisierung und dergleichen unterdrückt. Während der Weimarer Republik gab es die eigens gegründete Wendenabteilung zur Unterdrückung der sorbischen Sprache und Kultur. Nachdem der NS-Staat vergeblich die Sorben in die neuen Strukturen zu integrieren versucht hatte, wurden ab 1937 erst die Domowina und anschließend alle weiteren Vereine sowie sorbischsprachigen Publikationen verboten und zum Teil enteignet. Während des Zweiten Weltkriegs wurden v. a. sorbische Pfarrer und Lehrer als Träger und Multiplikatoren sorbischer Identität aus der Lausitz zwangsversetzt.
Bereits am 10. Mai 1945 wurde die Domowina wieder gegründet; schon 1947 erschienen wieder sorbische Zeitungen. Zu Zeiten der DDR wurden sorbische Sprache und Kultur – vor allem in den 1950er Jahren – zum ersten Mal staatlicherseits umfassend gefördert, die Sorben erhielten das Recht auf den Gebrauch ihrer Sprache in der Öffentlichkeit. Erstmals erhielt Sorbisch den Status einer zweiten Amtssprache, wurde in großen Teilen der Lausitz als Unterrichtssprache eingeführt und durch zweisprachige Beschilderung sichtbar in der Öffentlichkeit verankert.[8] Diese Rechte wurden in der Verfassung der DDR in Artikel 40 ausdrücklich, im Einigungsvertrag zur Deutschen Einheit (Einheitsvertrag) von 1990 in Artikel 35 indirekt sowie in den Verfassungen der Bundesländer Brandenburg und Sachsen und den entsprechenden Sorbengesetzen explizit verankert. Das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gewährleistet in § 184 Satz 2 das Recht, „in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen“; welches genaue Gebiet hiervon erfasst ist, bestimmt das Gesetz nicht. Zahlreiche sorbische Institutionen wurden in dieser Zeit gegründet, die zum Teil bis heute bestehen, so z. B. das Sorbische Institut für Lehrerbildung, das Staatliche Ensemble für sorbische Volkskultur (heute: Sorbisches National-Ensemble), der Domowina-Verlag, das Deutsch-Sorbische Volkstheater und das Institut für sorbische Volksforschung (Nachfolger: Sorbisches Institut) sowie das Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig (bis 1968: Sorbisches Institut).
Dennoch sank die Zahl der Sorbisch-Sprecher stetig weiter, insbesondere aufgrund von Industrialisierung, Kollektivierung der Landwirtschaft und starkem Zuzug von außerhalb.[9] Seit Mitte der 1960er Jahre war zudem der bis dahin obligatorische Sorbisch-Unterricht nur noch fakultativ, was zu einem massiven Einbruch der Schülerzahlen führte.[10] Nur in wenigen ländlichen Gebieten konnte sich das Sorbische als Alltagssprache über das 20. Jahrhundert hinaus erhalten. Dies trifft in besonderem Maße auf den katholischen Teil des Siedlungsgebietes entlang des Klosterwassers in der Oberlausitz zu, wo die Assimilation des Sorbischen und damit der Sprachverlust im Gegensatz zum größeren evangelischen Gebiet und der Niederlausitz nur eingeschränkt erfolgte.
Insgesamt leben in Deutschland heute rund 60.000 Sorben, davon etwa 40.000 in Sachsen und 20.000 in Brandenburg. Da die Nationalitätenzugehörigkeit in Deutschland nicht amtlich erfasst wird und das Bekenntnis zur sorbischen Nationalität frei ist, gibt es über die genaue Zahl nur Schätzungen. Die Zahl der aktiven Sprecher des Sorbischen dürfte geringer sein. Anders als das Obersorbische gilt das Niedersorbische als akut vom Aussterben bedroht. Nach Hochrechnungen sprechen etwa 7.000 Menschen aktiv Niedersorbisch, welches bereits in 20 bis 30 Jahren aussterben könnte, und etwa 13.000 Obersorbisch. Nach Ansicht von Sprachexperten wird das Obersorbische das 21. Jahrhundert überdauern.
Heutzutage wird an 25 Grundschulen und mehreren weiterführenden Schulen Sorbisch unterrichtet. Am Niedersorbischen Gymnasium Cottbus und dem Sorbischen Gymnasium Bautzen ist es obligatorisch. An vielen Grundschulen und sorbischen Schulen wird der Unterricht in sorbischer Sprache abgehalten. Es erscheinen die Tageszeitung Serbske Nowiny auf Obersorbisch und die niedersorbische Wochenzeitung Nowy Casnik, außerdem die religiösen Wochenschriften Katolski Posoł und Pomhaj Bóh. Monatlich erscheinen die Kulturzeitschrift Rozhlad, je eine Kinderzeitschrift in ober- und niedersorbischer Sprache (Płomjo bzw. Płomje) sowie die Bildungszeitschrift Serbska šula. Der Mitteldeutsche Rundfunk und der Rundfunk Berlin-Brandenburg senden außerdem monatlich halbstündliche Fernsehmagazine in sorbischer Sprache sowie täglich mehrere Stunden Hörfunkprogramm, den Sorbischen Rundfunk. Wikipedia-Sprachversionen existieren in beiden Schriftsprachen.
Beide sorbischen Standardvarietäten (Schriftsprachen) verfügen nominell über sieben Fälle, wobei der Vokativ nicht voll ausgeprägt ist:
Kasus | nan Vater |
štom Baum |
bom Baum |
wokno Fenster | ||
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Obersorb. | Niedersorb. | Obersorb. | Niedersorb. | Obersorb. | Niedersorb. | |
Nom. | nan | nan | štom | bom | wokno | wokno |
Gen. | nana | nana | štoma | boma | wokna | wokna |
Dat. | nanej | nanoju | štomej | bomoju | woknu | woknoju, woknu |
Akk. | nana | nana | štom | bom | wokno | wokno |
Instr. | z nanom | z nanom | ze štomom | z bomom | z woknom | z woknom |
Lok. | wo nanje | wó nanje | na štomje | na bomje | na woknje | na woknje |
Vok. | nano | – | štomo | – | – | – |
Kasus | ramjo Schulter |
ramje Schulter, Achsel |
žona Frau |
žeńska1 Frau, Weib |
ruka Hand | |
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Obersorb. | Niedersorb. | Obersorb. | Niedersorb. | Obersorb. | Niedersorb. | |
Nom. | ramjo | ramje | žona | žeńska | ruka | |
Gen. | ramjenja | ramjenja | žony | žeńskeje | ruki | |
Dat. | ramjenju | ramjenjeju, ramjenju | žonje | žeńskej | ruce | |
Akk. | ramjo | ramje | žonu | žeńsku | ruku | |
Instr. | z ramjenjom | z ramjenim | ze žonu | ze žeńskeju | z ruku | |
Lok. | wo ramjenju | wó ramjenju | wo žonje | wó žeńskej | w ruce |
1Die Form žona ist im Niedersorbischen literarisch. Die niedersorbische Deklinationsweise ist adjektivisch wegen der Endung -ska.
Im Niedersorbischen ist der Vokativ nur in einigen erstarrten Formen erhalten.
Bemerkenswert ist, dass sich neben Singular und Plural auch der Numerus Dual (die Zweizahl) aus dem Altslawischen erhalten hat. Singular: ruka („Hand“) Dual: ruce („zwei Hände“) Plural: ruki („mehr als zwei Hände“)
Im Gegensatz zu anderen westslawischen Sprachen (Tschechisch, Slowakisch, Polnisch, Kaschubisch) hat sich in der obersorbischen Schriftsprache und einem Teil der Dialekte bis in die heutige Zeit auch das synthetische Präteritum (Aorist, Imperfekt) erhalten. Auch in der niedersorbischen Schriftsprache war diese Form gebräuchlich, ist aber im Laufe des 20. Jahrhunderts immer seltener geworden und wird heute kaum noch verwendet.
Das Niedersorbische hat dafür aber das Supinum (als Variante des Infinitivs nach Verben der Bewegung) erhalten, z. B. „njok spaś“ (ich will nicht schlafen) gegenüber „źi spat“ (geh schlafen).
Nicht allzu anspruchsvolle geschriebene Texte des Sorbischen können von Sprechern der westslawischen Sprachen im Allgemeinen verstanden werden.
Deutsch | Obersorbisch | Niedersorbisch | Tschechisch | Slowakisch | Polnisch | Polabisch |
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Mensch | čłowjek | cłowjek | člověk | človek | człowiek | clawak |
Bruder | bratr | bratš | bratr | brat | brat | brot |
Schwester | sotra | sotša | sestra | sestra | siostra | sestra |
Hand | ruka | ruka | ruka | ruka | ręka | ręka |
Tag | dźeń | źeń | den | deň | dzień | dan |
Abend | wječor | wjacor | večer | večer | wieczór | wicer |
Sommer | lěćo | lěśe | léto | leto | lato | ljutü |
Herbst | nazyma | nazyma | podzim | jeseň | jesień | prenja zaima |
Winter | zyma | zyma | zima | zima | zima | zaima |
Fisch | ryba | ryba | ryba | ryba | ryba | raibo |
Feuer | woheń | wogeń | oheň | oheň | ogień | widin |
Wasser | woda | wóda | voda | voda | woda | wôda |
Schnee | sněh | sněg | sníh | sneh | śnieg | sneg |
Wind | wětr | wětš | vítr | vietor | wiatr | wjôter |
Zwischen den beiden Schriftsprachen Obersorbisch und Niedersorbisch bestehen einige Unterschiede, insbesondere auch beim Alphabet.
Die beiden Schriftsprachen unterscheiden sich sehr stark bei den Konsonanten. Der Buchstabe ć wird im Obersorbischen seit 2005 hinter č eingeordnet.
Obersorb. | ||||||||||||||||||||||||||||
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b | c | č | ć | d | dź | f | g | h | ch | j | k | ł | l | m | n | ń | p | (q) | r | ř | s | š | t | (v) | w | (x) | z | ž |
Niedersorb. | |||||||||||||||||||||||||||||
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b | c | č | ć | d | f | g | h | ch | j | k | ł | l | m | n | ń | p | (q) | r | ŕ | s | š | ś | t | (v) | w | (x) | z | ž | ź |
Obersorb. | Niedersorb. | Beispiele | Bedeutung | Bemerkungen |
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h | g | hora – góra | Berg | g > h auch im Tschechischen, Slowakischen, Ukrainischen, Belarussischen und in westlichen slowenischen Dialekten. |
hołb?/i – gołub | Taube | |||
hordy – gjardy | stolz | |||
hród?/i – grod | Burg | |||
kniha – knigły | Buch | |||
hody – gódy | Weihnachten | |||
č | c | čas – cas | Zeit | č > c wie in polnischen und litauischen Dialekten sowie im Polabischen |
čorny – carny | schwarz | |||
čert – cart | Teufel | |||
česć – cesć | Ehre | |||
ličba – licba | Zahl | |||
pčołka – pcołka | Biene | |||
š | s | štyri – styri | vier | š > s im Niedersorbischen |
štwórć – stwjerś | Viertel | |||
štwórtka – stwórtka | Vier | |||
štwórtk – stwórtk | Donnerstag | |||
ć | ś | ćeńki – śańki | dünn, zart | ć > ś im Niedersorbischen außer hinter Zischlauten |
bić – biś | schlagen | |||
hić – hyś | gehen | |||
puć – puś | Weg | |||
ćah – śěg | Zug | |||
ćahnyć – śěgnuś | ziehen | |||
ćahać – śěgaś | ||||
ćim – śim | desto | |||
ćichi – śichy | still, ruhig | |||
aber: hósć – gósć | Gast | |||
dź | ź | dźeń – źeń | Tag | dź > ź im Niedersorbischen außer hinter Zischlauten |
dźesać – źaseś | zehn | |||
hdźe – źo | wo | |||
hdźež?/i – źož | wo (rel.) | |||
dźowka – źowka | Tochter | |||
dźiwy – źiwy | wild | |||
dźěło – źěło | Arbeit | |||
dźak – źěk | Dank | |||
hózdź – gózdź | Nagel | |||
kr, pr, tr | kš, pš, tš | krasny – kšasny | prächtig | r > š hinter stimmlosen Konsonanten vor a, o, u im Niedersorbischen |
prawy – pšawy | recht, richtig | |||
próstwa – pšosba | Bitte | |||
preč – pšec | weg | |||
bratr – bratš | Bruder | |||
sotra – sotša | Schwester | |||
wutroba – wutšoba | Herz | |||
trawa – tšawa | Gras | |||
jutry – jatšy | Ostern | |||
wótry – wótšy | scharf | |||
ń | j, ' | dóńć – dojś | hingehen | ń im Obersorbischen ähnlich wie im Kaschubischen statt j im Niedersorbischen |
nadeńć – nadejś | (an)treffen, vorfinden | |||
přeńć – pśejś | hinübergehen | |||
přińć – pśiś | kommen | |||
rozeńć – rozejś | auseinandergehen | |||
woteńć – wótejś | weggehen | |||
wuńć – wujś | (hin)ausgehen | |||
njeńdu – njejdu | sie gehen nicht |
Sowohl das Nieder- als auch das Obersorbische verfügen über acht Vokale.
vorne | zentral | hinten | |
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oral | oral | ||
geschlossen | i [i] | y [ɨ] | u [u] |
ó [ʊ] | |||
mittel | e [ɛ] | o [ɔ] | |
offen | a [a] |
vorne | zentral | hinten | |
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oral | oral | ||
geschlossen | i [i] | y [ɨ] | u [u] |
mittel | e [ɛ] | ó [ɨ, ɛ, ʊ]1 | o [ɔ] |
offen | a [a] |
Diphthong beider Sprachen |
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ě [iə] |
Obersorb. | Niedersorb. | Beispiele | Bedeutung | Bemerkungen |
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'a | ě, e | mjaso – měso | Fleisch | aus ursl. ę |
dźak – źěk | Dank | |||
časty – cesty | häufig | |||
hladać – glědaś | sehen, schauen, blicken | |||
dźesać – źaseś | zehn | |||
rjad – rěd | Reihe | |||
rjany – rědny | schön | |||
swjatki – swětki | Pfingsten | |||
'e | 'a | mjeza – mjaza | Rain | 'e > 'a auch im Polnischen, Belarussischen und Bulgarischen mit anderen Regeln |
čert – cart | Teufel | |||
jedyn – jaden | ein | |||
dźesać – źaseś | zehn | |||
njesć – njasć | tragen | |||
pjec – pjac | backen; braten | |||
wjeselo – wjasele | Freude | |||
wjes – wjas | Dorf | |||
wječor – wjacor | Abend | |||
e | o | hdźe – źo | wo | e > o im Niedersorbischen |
-će – -śo, -ćo | (Endung der 3. Person Plural) | |||
ćeta – śota | Tante | |||
wčera – cora | gestern | |||
i | y | hić – hyś | gehen | niedersorbische Verdumpfung von i zu y hinter ž, š, h und c (aus č), analog im Polnischen; in den ostslawischen Sprachen zeigt sich diese phonetische Tendenz ebenfalls. |
wužiwar – wužywaŕ | Benutzer, Anwender | |||
wužiwać – wužywaś | benutzen, anwenden | |||
žiwy – žywy | lebend(ig) | |||
činić – cyniś | machen, tun | |||
šija – šyja | Hals | |||
šiška – šyška | Zapfen | |||
o | 'a | pos – pjas | Hund | aus ursprünglichem ь (vgl. polnisch ie in pies) |
o | e | susod?/i – sused | Nachbar | e > o im Obersorbischen |
so – se | sich | |||
won – wen | hinaus | |||
y | e, ě | cyły – ceły | ganz, gesamt, völlig | e/ě > y im Obersorbischen nach c, s, d |
cyłosć – cełosć | Ganzheit, Gesamtheit | |||
dyrbjeć – derbiś, derbjeś | müssen, sollen | |||
cypy – cepy | Dreschflegel | |||
cyn – cen | Zinn | |||
cyrkej – cerkwja | Kirche | |||
dyrić – deriś | Schlag/Stoß versetzen | |||
syć – seś | Netz | |||
symjo – semje | Samen | |||
oł | łu | tołsty – tłusty | dick, stark | aus ьl bzw. ъl nach hartem Dental |
dołhi – dłujki | lang | |||
dołh – dług | Schuld | |||
stołp – słup | Säule | |||
or | ar (jar nach g/k) | hordy – gjardy | stolz | aus ursprünglichem ъr |
horbaty – gjarbaty | bucklig | |||
horb – gjarba | Buckel | |||
hordło – gjardło | Kropf; Kehle | |||
hornc – gjarnc | Topf | |||
or | ar | čorny – carny | schwarz | aus ursprünglichem ьr vor harten Konsonanten, sonst einheitlich er (in: smjerć – smjerś „Tod“) |
Bei einigen Wörtern unterscheidet sich die Anzahl der Silben, weil das Obersorbische hier verkürzt hat, ähnlich wie Tschechisch.
Obersorb. | Niedersorb. | Bedeutung |
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stać | stojaś | stehen |
přećel | pśijaśel | Freund |
horcy | górucy | heiß |
kobła | kobyła | Stute |
kelko | keliko, kelko (arch.)1 | wie viel |
korto | kóryto | Trog |
kotry | kótary | welcher |
Obersorb. | Niedersorb. | Bedeutung |
---|---|---|
mam dweju bratrow, dwaj konjej | mam dweju bratšowu, kónjowu | „ich habe zwei Brüder/Pferde“ |
mam třoch bratrow, tři konje | mam tśoch bratšow, tśich kónjow/kóni | „ich habe drei Brüder/Pferde“ |
mam bratrow, konje | mam bratšy/bratšow, kónje | „ich habe Brüder/Pferde“ |
Obersorb. | Niedersorb. | Bedeutung | Kommentare |
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huso (n) | gus (f) | Gans |
|
swinjo (n) | swinja (f) | Schwein | |
jězor (m) | jazoro (n), jazor (m) | See | |
karp (m) | karpa (f) | Karpfen |
Obersorb. | Niedersorb. | Kommentare |
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Bewahrung von Aorist, Imperfekt | In der Schriftsprache | |
a-, i-, e-Konjugation | o-, a-, i-, j-Konjugation1 | |
Verben wie pisać nach der a-Konjugation (1. und 2. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv: pisam, pisaš) | Verben wie pisaś nach der o-Konjugation (1. und 2. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv: pišom, pišoš) | Die niedersorbische o-Konjugation entspricht der e-Konjugation des Obersorbischen, mit Ausnahme der Verlagerung einiger Verben wie pisać. |
Obersorb. | Niedersorb. | Bedeutung | Kommentar |
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swoboda | lichota | Freiheit | |
swobodny | lichy | frei | |
chěža | wjaža | Haus | |
prajić | groniś | sagen, sprechen | groniś ähnelt polabischem gornt[12] |
patoržica | gwězdka | Weihnachtsabend, Heiligabend | |
zo | až | dass | |
sewjer | pódpołnoc | Norden | Obersorb. = tschech. sever, Niedersorb. vgl. poln. północ |
juh | pódpołdnjo | Süden | Obersorb. = tschech. jih, Niedersorb. vgl. poln. południe |
wuchod | pódzajtšo | Osten | |
zapad | pódwjacor | Westen | Niedersorb. vgl. poln. wieczór (Abend) |
wopica | nałpa | Affe | Obersorb. = tschech. opice, Niedersorb. = poln. małpa |
běrna | kulka1 | Kartoffel | |
dyrbjeć | musaś3, dejaś | müssen, sollen | Niedersorb. = tschech. muset, poln. musieć |
hač4 | ako5 | als (bei Steigerung) | |
jara | wjelgin | sehr | |
całta | guska | Brötchen | Obersorb. = alttschech.[13] Niedersorb. = tschech. houska |
haj6 | jo | ja | Obersorb. = slowak. hej Niedersorb. = tschech. jo (dort neben ano) |
holca | źowćo | Mädchen | Niedersorb. = poln. dziewczę, dziewczyna, tschech. děvče, holka |
štom | bom7 | Baum | Niedersorb. aus deutsch „Baum“/Obersorb. aus deutsch „Stamm“ |
porst | palc | Finger | Obersorb. = tschech. prst Niedersorb. = poln. palec |
Ursl. | Sorb. | Beispiele | Bedeutung | Vergleichbarkeit | Kommentare |
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str | tr/tř – tš/tś |
sotra – sotša |
Schwester | Polnisch: siostra, Tschechisch: sestra |
Verlust des s; sehr viele Ausnahmen |
tradać – tšadaś |
darben, schmachten |
Tschechisch: strádat | |||
truhać – tšugaś |
hobeln, raspeln |
Polnisch: strugać Tschechisch: struhadlo „Hobel, Raspel“ | |||
truk – tšuk |
Schote | Polnisch: strąk | |||
třěcha – tśěcha (stśěcha) |
Dach | Tschechisch: střecha Polnisch: strzecha „Strohdach“ | |||
truna – tšuna |
Saite | Tschechisch, Polnisch: struna | |||
trup – tšup |
Grind, Schorf | Tschechisch, Polnisch: strup |
Veränderung | Obersorb. | Niedersorb. | Bedeutung | Kommentare |
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e > o | wječor | wjacor | Abend | vgl.: russ. вечер, tschech. večer, serb. veče poln. wieczór |
čłon | cłonk | Glied, Mitglied | vgl.: russ./ukr. член, serb./kroat. član | |
daloko | weit, fern | vgl.: poln. daleko, russ./ukr. далеко, tschech./serb./kroat. daleko | ||
wjesoły | wjasoły | froh, fröhlich, heiter | vgl.: russ. весёлый, ukr. веселий, serb./kroat. veseo, vesela | |
pjećory | pěśory | fünffach | vgl.: russ. пятеро, ukr. п'ятеро, serb./kroat. petero | |
pčoła | pcoła | Biene | vgl.: russ. пчела, ukr. бджола, serb./kroat. pčela | |
sotra | sotša | Schwester | vgl.: russ./ukr. сестра, kroat./serb./tschech. sestra, poln. siostra | |
i > y1 | zyma | zyma | Winter | vgl.: poln./tschech. zima, ukr. зима |
nazyma | nazyma | Herbst | vgl.: tschech. podzim | |
kazyć | kazyś | verderben | vgl.: poln. kazić, tschech. kazit, slowak. kazit', kroat./serb. unakazit | |
ǫ > u2 | ruka | Arm, Hand | vgl.: poln. ręka, kaschub. rãka, ukr. рука, kroat./serb./tschech. ruka | |
wutroba | wutšoba | Herz | vgl.: poln. wątroba „Leber“ | |
mudry | klug | vgl.: poln. mądry, ukr. мудрий, kroat./serb. mudri | ||
huso | gus | Gans | vgl.: tschech. husa, poln. gęś, russ. гусь, ukr. гусак, serb. guska | |
pucher | puchoŕ | Blase; Harnblase | vgl.: poln. pęcherz | |
pupk | Nabel | vgl.: poln. pępek, ukr. пупок, tschech. pupek, serb. pupak | ||
huba | guba | Mund | vgl.: tschech. huba, poln. gęba, ukr. губа | |
el > ło3 | žłob | Rinne; Trog | vgl.: slowak. žleb (žl’ab), serb./slowen. žleb, kroat. žlijeb, russ. желоб | |
mloko | Milch | vgl.: poln./serb./tschech. mleko, kroat. mlijeko, russ./ukr. молоко | ||
er > re/rě/rje4 | drjewo | Holz | vgl.: kroat./serb. drvo, poln. drzewo, tschech. dřevo, slowak. drevo, ukr. дерево, russ.: дрова | |
ol > ło5 | złoto | Gold | vgl.: poln. złoto, tschech./slowak./serb. zlato, bulg. злато, russ./ukr. золото | |
słód | słod | Geschmack; Süße; Malz | vgl.: poln. słód, kroat./tschech./serb./slowak. slad, russ./ukr. солод „Malz“ | |
hłowa | głowa | Kopf | vgl.: poln. głowa, tschech./slowak. hlava, kroat./serb. glava, russ./ukr. голова | |
słoma | Stroh | vgl.: poln. słoma, tschech. sláma, kroat./serb. slama, russ./ukr. солома | ||
młody | jung | vgl.: poln. młody; tschech. mladý, kroat./serb. mlad, ukr. молодий | ||
or > ro6 | hród | grod | Burg; Schloss | vgl.: poln. gród, tschech. hrad, kroat./slowen./serb. grad, russ. город „Stadt“ |
mróz | mroz | Frost | vgl.: poln. mróz, tschech./slowak. mráz, kroat./serb. mraz, russ./ukr. мороз |
Ostslawisch: Altnowgoroder Dialekt † | Altostslawisch † | Belarussisch | Karpato-Russinisch | Russinisch | Russisch | Ruthenisch † | Ukrainisch | Westpolessisch
Westslawisch: Kaschubisch | Knaanisch † | Niedersorbisch | Obersorbisch | Polabisch † | Pomoranisch † | Polnisch | Schlesisch | Slowakisch | Slowinzisch † | Tschechisch
Südslawisch: Ägäis-Mazedonisch | Altkirchenslawisch † | Banater Bulgarisch | Bosnisch | Bulgarisch | Burgenlandkroatisch | Kroatisch | Mazedonisch | Moliseslawisch | Montenegrinisch | Resianisch | Serbisch | Serbokroatisch | Slowenisch
Andere: Interslawisch | Jugoslawo-Russinisch | Kirchenslawisch | Russenorsk † | Slawenoserbisch † | Slovio | Urslawisch †
† ausgestorben