Sigismund von Radecki (Pseudonym: Homunculus, * 19. November 1891 in Riga; † 13. März 1970 in Gladbeck) war ein deutscher Schriftsteller und literarischer Übersetzer.
Leben
Ehrengrab der Stadt Gladbeck für Sigismund von Radecki (2022)
Sigismund von Radecki entstammte einer deutsch-baltischen Familie. Seine ältere Schwester war die Schriftstellerin Eva von Radecki. Neben dem Deutschen lernte er früh die russische Sprache. Nach Besuch einer Mittelschule in Sankt Petersburg studierte er an der Universität Dorpat und zusammen mit seinem Bruder Wilhelm an der Bergakademie Freiberg, wo er 1913 die Prüfung zum Diplom-Ingenieur bestand; Studienreisen nach Schweden und Italien. 1914 war er kurzfristig bis zum Kriegsausbruch als Bewässerungs-Ingenieur in Turkestan; nach seiner Rückkehr als Hauslehrer in Russland und Finnland. 1919 kämpfte er in der Baltischen Landeswehr, floh später mit seinem Vater nach Berlin.1920 – 1923 arbeitete er dort als Elektroingenieur in den Siemens-Schuckert-Werken; Beginn seiner langjährigen Bekanntschaft mit Else Lasker-Schüler. Seit 1922 schriftstellerisch tätig, auch Schauspieler (Theater am Schiffbauerdamm und Volksbühne) und Porträtzeichner (1929 Ausstellung von Zeichnungen zur „Dreigroschenoper“). Eine enge Freundschaft verband ihn mit Karl Kraus; seit 17. Dezember 1924 war er in Wien gemeldet, wo er maßgeblich an dessen Nominierung für den Nobelpreis beteiligt war. 1931 konvertierte der Protestant Radecki unter dem Eindruck der Schriften John Henry Newmans zum Katholizismus. Herbst 1940 Umzug von Berlin nach München, dort in Verbindung zu dem katholischen Philosophen Theodor Haecker und den Geschwistern Scholl; seit Juni 1942 bis zu seiner Flucht im März 1945 Forstaufseher auf Schloss Mellenthin (Insel Usedom). Ab 1946 lebte er in Zürich. Er starb während eines Aufenthalts in Gladbeck/Westfalen, wohin er sich zur Krankenbehandlung begeben hatte.
Sigismund von Radeckis Werk besteht vorwiegend aus Feuilletons und Essays, die meist auf Alltagsbeobachtungen basieren und häufig humoristischen oder satirischen Charakter haben. In seinen
späteren Arbeiten entwickelte Radecki sich zum Kultur- und Zeitkritiker. Daneben ist er als Übersetzer aus dem Russischen und Englischen hervorgetreten.
Sigismund von Radecki erhielt u. a. folgende Auszeichnungen: 1953 die
Ehrengabe der Stadt Zürich, 1957 den Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, 1960 die Willibald-Pirckheimer-Medaille, 1962 den Immermann-Preis der Stadt Düsseldorf sowie 1964 den Ostdeutschen Literaturpreis.
Buchpublikationen
Der eiserne Schraubendampfer Hurricane (1929)
Nebenbei bemerkt (1936)
Die Rose und der Ziegelstein. Anekdoten aus aller Welt (1938)
Die Welt in der Tasche (1938)
Alles Mögliche (1939)
Wort und Wunder (1940)
Wie kommt das zu dem? (1942)
Rückblick auf meine Zukunft (1943)
Das müssen Sie lesen! (1946)
Der runde Tag (1947)
Über die Freiheit (1950)
Was ich sagen wollte (1952)
Das ABC des Lachens (1953)
Die Stimme der Straße. Feuilletons. Hg. und mit einem Nachwort von Hans Dieter Schäfer (Mainzer Reihe, Neue Folge, Band 14). Göttingen: Wallstein, 2014, ISBN 978-3-8353-1513-6.
Sigismund von Radecki: Lesebuch. Hg. und mit einem Nachwort von Gerd Herholz. Bielefeld: Aisthesis, 2021, ISBN 978-3-8498-1716-9.
Herausgeberschaft
Ludwig Speidel: Ausgewählte Schriften, Wedel in Holstein 1947
Carl Schurz: Lebenserinnerungen, Zürich 1948
William Shakespeare: Die Lebensalter, Freiburg i. Br. [u. a.] 1964
Zeitungsartikel
An die Verlorene (Gedicht), Die Weltbühne, Nr. 19 (1923), 4. Januar 1923, S. 7.
Romanisches Café (Gedicht), Berliner Tageblatt, Nr. 310, 2. Juli 1924.
Zum 100. Todestag Puschkins, Frankfurter Zeitung, 10. Februar 1937.
Wie Kathleen geangelt wurde, Hamburger Nachrichten, Nr. 92, 3. April 1938.
Wie werde ich Stammkunde, Das Reich, Nr. 33, 17. August 1941.
Der runde Tag (Schloß Mellenthin gewidmet), Das Reich, Nr. 42, 17. Oktober 1943.
Die Dummheit ist ein neues Prinzip, Fränkisches Volksblatt (Würzburg), Pfingsten (2./3. Juni) 1968.
Übersetzungen
Hilaire Belloc: Die Kreuzfahrt der Nona, Olten [u. a.] 1953
Hilaire Belloc: Die Wiederherstellung des Eigentums, Olten 1948
Willa Cather: Der Tod kommt zum Erzbischof, Zürich 1940
Anton P. Čechov: Der Bär. Der Heiratsantrag, Stuttgart 1959
Anton P. Čechov: Der Kirschgarten, Zürich 1964
Anton P. Čechov: Drei Schwestern, Stuttgart 1960
Anton P. Čechov: Der Roman mit dem Kontrabaß und andere Erzählungen, München 1953
Anton P. Čechov: Das weibliche Glück, Zürich 1957
Der Glockenturm. Russische Verse und Prosa, Zürich 1940
Nikolaj V. Gogol': Dramatische Werke, Berlin 1943
Nikolaj V. Gogol': Erzählungen, Berlin 1943
Nikolaj V. Gogol': Tote Seelen oder Tschitschikoffs Abenteuer, Berlin 1938
Ronald A. Knox: Psychoanalyse des Struwwelpeters, Hamburg 1993
Nikolaj S. Leskov: Das Kadettenkloster, Wien 1946
Nikolaj S. Leskov: Der Springrubel, München [u. a.] 1962
Henry Newman: Der wahre Gentleman, in: Hochland 33/1 (1935/6), S. 470f. (aus: John Henry Newman, The Idea of a University).
Aleksandr S. Puškin: Dramatische Szenen, Berlin-Friedenau 1923
Aleksandr S. Puškin: Erzählungen, Dessau 1941 (übersetzt zusammen mit Arthur Luther, 1876–1955, und Reinhold von Walter, 1882–1965)
Wsjewolod Iwanow: Die Wüste Tuub-Koja, in: Erwin Honig (Hg.): Transvaal: Novellen aus dem neuen Russland. Übers. von Erwin Honig, Sigismund von Radecki, Siegfried von Vegesack. Berlin: Neuer Deutscher Verlag 1928, S. 135ff. (Vorwort vom 7. November 1927).
Literatur
Franz Josef Schöningh: Sigismund von Radecki: Ein Feuilletonist?. In: Deutsche Zeitschrift (Kunstwart) H. 5/6 (1937), S. 329f.
Stefan Jordan:Radecki, Sigismund von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S.88f.(Digitalisat).
Monika Miehlnickel: Feuilletonistische Sprache und Haltung bei Friedrich Sieburg und Sigismund von Radecki. Berlin 1962.
Ernst-Edmund Keil: Sigismund von Radecki. Bonn 1981.
Carola L. Gottzmann, Petra Hörner:Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. De Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019338-1, S.1040–1044.
Sigismund von Radecki: Familienbriefe 1903-1921. Hg. von Dirk-Gerd Erpenbeck (= Quellen und Studien zur Baltischen Geschichte, Bd. 29). Köln: Böhlau 2020. ISBN 978-3-412-51560-7.
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