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Wolfgang Cordan (Pseudonym von Heinrich Wolfgang Horn; * 3. Juni 1909 in Berlin; † 29. Januar 1966 in Chichicastenango, Guatemala) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer, Ethnologe und Widerstandskämpfer, der sich in seinem holländischen Exil am niederländischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer beteiligte. Seine wesensmäßige Entdeckerfreude drückte sich sowohl in seiner literarischen wie in seiner völkerkundlichen Betätigung aus. Nach dem Krieg lebte Cordan in verschiedenen Ländern Mittel- und Südeuropas, später in Mexiko, wo er die von europäischen Eroberern weitgehend zerstörte Sprache und Schrift der Maya studierte. Seine diesbezüglichen Forschungsergebnisse werden verschiedentlich angezweifelt. Ähnlich umstritten ist der Grad von Cordans homosexueller Neigung; um 1950 zählte er jedenfalls zu den Autoren der international verbreiteten Homosexuellenzeitschrift Der Kreis.


Leben


Wolfgang Horn, der Sohn aus bürgerlichem Hause (der Vater Ewald Horn war ein höherer Beamter) besuchte das traditionsreiche Internat Schulpforta, war in der Bündischen Jugend aktiv, studierte dann in Berlin Altphilologie, Philosophie und Musikwissenschaften. Er begeisterte sich für den Dichter Stefan George. Daneben zeigte er sich beeindruckt von Erich Mühsam, Bauhaus, Piscator, bei dem er eigenen Angaben zufolge als Hilfsregisseur und Assistent tätig war, sowie von Brecht und wurde von den politischen Idealen des Kommunismus angezogen. 1931 erschien sein erster Gedichtband Landschaften und Entrückungen.


Exil


Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten emigrierte Horn im Februar 1933 nach Paris, schloss sich seinem links-intellektuellen Modernismus entsprechend surrealistischen Kreisen an, deren Einfluss die Metaphorik seiner zwischen Surrealismus und magischem Realismus angesiedelten Gedichte bis in die vierziger Jahre prägte,[1] und legte sich den Künstlernamen Wolfgang Cordan zu. Er versuchte sich vor allem in der Lyrik. Seinen 1940 erschienenen Gedichtband Das Jahr der Schatten widmete er Yvan Goll. Ende 1933 reiste er in die Niederlande, redigierte 1934–1937 die Literaturzeitschrift Het Fundament, unabhängige Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur und Literatur, leitete die viersprachige Zeitschrift Centaur und freundete sich mit Max Beckmann und Klaus Mann an; letzterem widmete er seine erste Erzählung.[2] Den programmatischen Aufsatz über einen niederländischen Maler, Essai over het Surrealisme. Met een beschouwing over het werk van Willem van Leusden, in dem es um die von den Surrealisten angestrebte, von der marxistischen Orthodoxie als konterrevolutionär verurteilte Verbindung von Psychoanalyse und Marxismus ging, publizierte er 1935 im Amsterdamer Verlag Contact.


Kriegszeit


Während des Krieges und der deutschen Besatzung war Cordan seit November 1944 in der niederländischen Widerstandsbewegung aktiv. Er stand in engem Kontakt zu Wolfgang Frommel und dessen sich als Wahrer der Tradition Stefan Georges gerierendem päderastischen Kreis, dessen Zentrum die Wohnung der Malerin Gisèle van Waterschoot van der Gracht in Amsterdam, Herengracht 401,[3] war. Über die zum Kreis gehörenden Lehrer Friedrich W. Buri und William Hilsley hatte Frommel sich Zugang zu den Schülern der Quäkerschule Eerde verschafft und sexuell mißbrauchte nicht wenige von Ihnen unter dem Vorwand ihrer Erziehung und Bildung im Sinne Stefan Georges. 1943 lernte er dann auch Percy Gothein persönlich kennen: „Also der erste mensch aus des Meisters hand der mir begegnete,“ (sic) notierte er am 16. September 1943 in seinem Tagebuch.[4] Der Kentaur Chiron, „Inbegriff des Weisen und berufenen Heldenerziehers, des ärztlichen Helfers auch,“[5] mit dessen Namen er sogar Briefe unterzeichnete, wurde ihm zur Identifikationsfigur seines Wirken als Mentor für jüngere Mitglieder des Kreises. In diesen Jahren entstanden die Gedichtbände Das Muschelhorn (1941), Orion Lieder (1941, recte 1943), Tag und Nacht Gleiche (1946) und Verwandlungen (1946), die er unter dem Einfluss Frommels und der intensivierten Auseinandersetzung mit Stefan George „unter die beiden Leitgestirne ’Eros' und ’Mythos' [...] als zwei gerade in Zeiten der Not und Wirren verlässliche Wegweisungen und -deutungen“ stellte.[6]

Zusammen mit Frommel und seinem Freund Johannes Piron brachte Cordan einige der jüdischen Schüler der oben erwähnten Schule in Sicherheit, als sie nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Niederlande in akuter Gefahr waren deportiert und ermordet zu werden. Als Hendrik van Hoorn lebte Cordan dann auf einem Polderhof, auf dem jüdische Schüler, darunter Johannes Piron, aus dem Internat der Quäkerschule Eerde Zuflucht gefunden hatten. Gedichte von Cordan und Piron sowie einem weiteren Mitglied dieser Gemeinschaft, Thomas Maretzki, enthält Lieder aus dem Polderhof. Amsterdam. In Erinnerung an einen Herbst (anonym in 21 Exemplaren 1943). In Israel erinnert ein Wolfgang-Cordan-Hain an diese Rettung und den Retter. Eines Sommerabends in Begleitung eines holländischen Kommunisten in Amsterdam unterwegs, erschoss Cordan vom Fahrrad aus einen Gestapo-Spitzel, nach dem der Widerstand schon länger fahndete; die beiden Illegalen konnten entkommen.


Nachkriegszeit


Nach dem Krieg ließ sich Cordan, enttäuscht von den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in den Niederlanden und in Deutschland 1947 zunächst in Italien nieder, trieb archäologische Studien, bereiste den Mittelmeerraum und fotografierte für die Bildbände Das Mittelmeer (1953) und Der Nil (1956). 1948 bis 1952 lebte Cordan dann in Ascona im Tessin in Nachbarschaft zu dem Mythenforscher Karl Kerényi, wo er den historischen Roman Julian der Erleuchtete (Zürich 1950) verfasste. Als letzter Gedichtband erschien 1951 Ernte am Mittag. Um 1950 war er, vermittelt durch Ernst Jünger kurzzeitig einziger Redakteur der in Tübingen erscheinenden Zeitschrift story. Hier hörte er Vorlesungen zur griechischen Tragödie des klassischen Philologen Walter F. Otto und lernte er den Klassischen Philologen, Sprachwissenschaftler und Schriftspezialisten Ernst Sittig kennen, dessen Arbeiten später für seine Bemühungen um die Entschlüsselung der Maya-Schrift Bedeutung erlangten. Nach Beendigung seiner Herausgeberschaft zog er sich in die Künstlerkolonie Positano an der Amalfiküste zurück. Außer dem Julian entstanden in diesen Jahren der mythologische Roman Medea oder der Grenzenlose (1951) und die Erzählung Tage mit Antonio. Tagebuch des Adriaan ten Holt (1954).

1953 brach Cordan für ein Buchprojekt des Diederichs Verlags und der Büchergilde Gutenberg nach Mexiko auf, wo er sich schließlich endgültig niederließ. Er führte zahlreiche Expeditionen zu archäologischen Stätten der Maya-Kultur durch und lernte Sprachen der Indios. Am 24. September 1955 flog er von Havanna über Bermuda nach Madrid. Die Maschine musste wegen eines technischen Defekts am Fahrwerk eine Bauchlandung machen. Über diesen dramatischen Zwischenfall berichtete Der Spiegel, wobei Cordan ausführlich zitiert wurde.[7]


Mexiko


Von 1955 bis 1959 lebte Cordan in San Cristóbal de las Casas in Chiapas, Mexiko. Hier stritt er sich mit der Anthropologin und Fotografin Gertrude Duby-Blom, die in seinen Büchern nicht sonderlich gut wegkommt.[8][9] Im Jahr 1962 stellte er eine These zur Interpretation von Maya-Zeichen, das Sistema de Mérida, vor und übernahm einen Lehrstuhl für Ethnologie an der Universität von Mérida im mexikanischen Bundesstaat Yucatán. Er gab 1962 eine sehr freie Interpretation des ursprünglich im Quiché abgefassten Popol Vuh heraus.

Wolfgang Cordan starb im Alter von 56 Jahren auf einer Forschungsreise. Sein Freund und Expeditionsgefährte Lampo von der Ethnie der Kuna wurde ein halbes Jahr nach Cordans Tod erschlagen. Die Karteikarten zu Cordans Hauptwerk, einem vergleichenden Wörterbuch der Maya-Schriften, wurden bisher nicht gefunden.[10] Er hinterließ eine Angehörige eines Maya-Stammes, mit der er einen Sohn hatte.[11]


Werke


Ein Werkverzeichnis von Werner Siebert, Gertrud Siebert, in: Castrum Peregrini CLIII–CLIV, 1982, S. 141–162.


Literatur





Fußnoten


  1. Vgl. Heiner Widdig u. a.: Wolfgang Cordan (S. unten Literatur) S. 481.
  2. Zu den von Cordan herausgegebenen Zeitschriften und den Publikationsbedingungen unter der deutschen Besatzung vgl. Kluncker, Bock, Wolfgang Cordan (s. unten Literatur) S. 9–14; S. 17f.
  3. Vgl. Heiner Widdig u. a.: Wolfgang Cordan (S. unten Literatur) S. 481: „Ab 1940 beeinflusste die intensive Beschäftigung mit dem Werk Stefan Georges, die durch die Bekanntschaft mit Wolfgang Frommel und dem Castrum-Peregrini-Kreis angeregt wurde, seine Lyrik“.
  4. Kluncker Bock, Wolfgang Cordan (s. unten Literatur) S. 24.
  5. Kluncker Bock, Wolfgang Cordan (s. unten Literatur) S. 12.
  6. Kluncker, Bock, Wolfgang Cordan (s. unten Literatur) S. 26.
  7. Landung auf dem Bauch. In: Der Spiegel. Nr. 49, 1955, S. 59–62 (online).Spiegel 1955, abgerufen am 2. Mai 2011
  8. Roman Fillinger: Duby-Blom, Mutter der Lakandonen: Das wechselhafte Leben der Fotografin Gertrude Duby-Blom (Memento vom 6. Februar 2006 im Internet Archive). In: Wiener Zeitung. 19. Dezember 2003
  9. Karl Kröhnke: „…Sin echar de menos las reglas de urbanidad.“ Wolfgang Cordan en México. In: Renata von Hanffstengel & Cecilia Tercero (Hrsg.): México, el Exilio Bien Temperado. UNAM, 1995, ISBN 9683644481, S. 55
  10. In der Entzifferung der Maya-Hieroglyphen sei der seit 11 Jahren in Mittelamerika ansässige Forscher Dr. Wolfgang Cordan bislang am weitesten vorgedrungen, heißt es im Spiegel vom 14. Februar 1966, abgerufen am 2. Mai 2011. Vermutlich war der Tod Cordans zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.
  11. Vgl. Dr. Terwal (d. i. Dr. Walter Boesch): Nachruf auf Wolfgang Cordan. In Der Kreis. Eine Monatsschrift 34, 1966, Nr. 3, S. 15, zur Entschlüsselung des Pseudonyms vgl. Deutsche Autoren Anm. 3
Personendaten
NAME Cordan, Wolfgang
ALTERNATIVNAMEN Horn, Heinrich Wolfgang; Horn, Heinz
KURZBESCHREIBUNG deutscher Schriftsteller
GEBURTSDATUM 3. Juni 1909
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 29. Januar 1966
STERBEORT Chichicastenango, Guatemala



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