Claudia Dathe (* 1971) ist eine deutsche Übersetzerin. Sie überträgt Gegenwartsliteratur der Ukraine, sowohl aus dem Ukrainischen als auch aus dem Russischen. Für zwei Bücher – Antenne von Serhij Schadan und Märchen aus meinem Luftschutzkeller von Oleksij Tschupa – wurde ihr in Kiew am Welttag des Buches 2021 der Drahomán-Preis verliehen.[1] Claudia Dathe ist die erste Trägerin dieser Auszeichnung.[2] Neben Belletristik übersetzte sie auch Zeitdokumente wie die Berichte aus dem Donbas (2020) von Stanislaw Assjejew oder das Hafttagebuch von Oleh Senzow (2021).[3][4]
Dathe koordiniert das Forschungsverbundprojekt European Times an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder.[5]
Werdegang
Claudia Dathe studierte am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT) der Universität Leipzig, Auslandssemester führten sie nach Pjatigorsk und nach Krakau, wo sie ihre Kenntnisse des Russischen und des Polnischen vertiefte. Anschließend absolvierte sie ein Fernstudium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Internationales Management an der AKAD-Fachhochschule. Von 1997 bis 2004 war sie als Lektorin für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) tätig, zuerst in Kasachstan, ab 2000 gemeinsam mit ihrem Partner Uwe Dathe in der Ukraine.[6]
In Kiew lehrte sie an der dortigen Technischen Universität Übersetzen.[7] Zu Beginn arbeitete sie in ihren Lehrveranstaltungen ausschließlich mit dem Sprachenpaar Russisch-Deutsch. Ab dem zweiten Jahr ihres Aufenthalts nahm Dathe, angeregt durch einen vom Goethe-Institut organisierten Workshop zur Dramen-Übersetzung, Privatunterricht in Ukrainisch. „Zu dieser Zeit“, so Dathe, „wurde in Kyjiw noch überwiegend Russisch gesprochen, sodass ich, obwohl ich in der ukrainischen Hauptstadt lebte, paradoxerweise wenig Sprachpraxis hatte.“ Durch den Übersetzer Mark Bjelorussez fand sie Zugang zur Dissidenten- und Literaturszene: Dort wurde „eine unideologische Zweisprachigkeit gepflegt, die in angenehmer Weise an die Mehrsprachigkeit der Region im frühen 20. Jahrhundert erinnerte.“ Noch in Kiew begann Claudia Dathe mit eigenen literarischen Übersetzungen.
Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland arbeitete sie kontinuierlich als Übersetzerin für Ukrainisch und Russisch. Auch Seminare für deutsche und ukrainische Übersetzende betreute sie. Beschäftigt war Dathe zudem am Slavischen Seminar der Universität Tübingen – ab 2009 koordinierte sie dort Projekte wie Europäische Kulturvermittler in Krisenzeiten, und sie war Künstlerische Leiterin des Festivals Übersetzungswürfel. Sechs Seiten europäischer Literatur und Übersetzung. Von 2016 bis 2021 leitete sie die Kulturberatungsstelle der Bürgerstiftung Jena. In deren Rahmen führte sie 2017 die 3. Deutsch-Ukrainische Übersetzerwerkstatt durch und brachte den Schriftsteller Ostap Slawynskyj mit seiner Lyrik nach Jena.[8]
2010 und 2012 war Dathe Teilnehmerin am Poesiefestival Meridian Czernowitz.[9] Angesichts ihrer literarischen Übersetzungsarbeit wurde 2021 in der NZZ ihr „rhythmisches Gespür“ hervorgehoben.[10] „Exzellent übersetzt“ sei das mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnete Buch von Jewhenija Belorussez, hatte die Jury 2020 geurteilt.[11] Auch die Schriftstellerin und Kritikerin Ilma Rakusa befand in der Neuen Zürcher Zeitung, dass Dathe Belorussez „prägnant ins Deutsche übertragen“ habe.[12] Ulrike Almut Sandig arbeitet bei Nachdichtungen ukrainischer Lyrik mit Dathe zusammen: Sie fertige ihr Interlinearversionen an und stehe „für Rückfragen, etwa über Tonhöhe und genaue Wortbedeutung, zur Verfügung“.[13]
2014 gab Claudia Dathe gemeinsam mit Andreas Rostek den Sammelband Majdan! Ukraine, Europa heraus.[14] Versammelt waren Stimmen von Schriftstellern und Intellektuellen aus der Ukraine, ergänzt durch Beiträge von u. a. Martin Pollack, Konrad Schuller, Timothy Snyder oder Timothy Garton Ash. In diesem Jahr berichtete sie auch vom Book Forum Lviv.[15]
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 übernahm sie die Koordination der Initiative #artistsinshelter.[16] Auf der Pop-Up-Buchmesse in Leipzig 2022 war Dathe Teilnehmerin einer Gesprächsrunde, in welcher – der auch in der Kulturszene aufgeladenen Stimmung entgegenhaltend – von den „drei slawischen Schwestern“ Russisch, Ukrainisch und Belarussisch die Rede war. „Die ukrainische Nation verteidigt sich, egal ob ukrainisch- oder russischsprachig“, wurde die Diskutantin im Tagesspiegel zitiert.[17] Während ihrer eigenen Zeit in der Ukraine habe sie dort eine „unaufgeregte Mehrsprachigkeit“ kennengelernt, bekräftigte die Landeskundige in einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks.[18][19] Mehrfach appellierte sie daran, der Westen möge sich „der Kultur und der Gesellschaft der Ukraine künftig ausdauernder als bisher zuwenden“. Neben der Literatur wies sie in diesem Rahmen auch auf Musik von Mariana Sadowska hin, auf die Kunstwerke von Nikita Kadan und auf Performances von Rozdilovi.
Die Zone oder Tschernobyls Söhne. Matthes & Seitz, Berlin, 2022.
Andrij Kurkow
Die Kugel auf dem Weg zum Helden. Haymon, Innsbruck, 2015.
Die Welt des Herrn Bickford. Haymon, Innsbruck, 2017.
Kartografie der Freiheit. Haymon, Innsbruck, 2018.
Tanja Maljartschuk, Erlanger Poetenfest 2018
Tanja Maljartschuk
Neunprozentiger Haushaltsessig. Residenz, St. Pölten, 2009.
Von Hasen und anderen Europäern. edition.fotoTapeta, Berlin, 2014.
Marija Matios
Darina, die Süße. Roman. Haymon, Innsbruck, 2013.
Serhij Schadan, Leipziger Buchmesse 2018
Oleg Senzow
Haft. Notizen und Geschichten. Voland & Quist, Berlin, 2021.
Serhij Zhadan
Geschichte der Kultur zu Anfang des Jahrhunderts. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2006.
Anarchy in the UKR. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2007.
Die Selbstmordrate bei Clowns. edition.fotoTapeta, Berlin / Warschau, 2009.
Big Mac. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2011.
Mesopotamien (gemeinsam mit Sabine Stöhr und Juri Durkot). Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2015.
Warum ich nicht im Netz bin. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2016.
Antenne. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2020.
Sofia Yablonska
Der Charme von Marokko. Kupido, Köln, 2020.
China, das Land von Reis und Opium. Kupido, Köln, 2022.
Weitere Veröffentlichungen (Auswahl)
Kulturelle Faktoren im ukrainischen Transformationsprozess (gemeinsam mit Uwe Dathe), in: Die Interaktion der ökonomischen Kulturen und Institutionen im erweiterten Europa. LIT-Verlag, Hamburg, 2006, S. 153–169.
Der russisch-ukrainische Sprachkontakt im 20. Jahrhundert: Probleme der Übersetzung ukrainischer Literatur ins Deutsche, in: Christine Engel und Birgit Menzel (Hrsg.): Kultur und/als Übersetzung. Russisch-deutsche Beziehungen im 20. und 21. Jahrhundert. Frank & Timme, Berlin, 2011, S. 299–318.
Bedeutung und Bedeutsamkeit von Übersetzung, in: Zwischentexte. Literarisches Übersetzen in Theorie und Praxis (gemeinsam mit Renata Makarska und Schamma Schahadat). Frank & Timme, Berlin, 2013, S. 7–15.
Zwischentexte. Literarisches Übersetzen in Theorie und Praxis (gemeinsam mit Renata Makarska und Schamma Schahadat). Frank & Timme, Berlin, 2013.
Das deutsch-ukrainische literarische Feld: Akteure und Asymetrien, in: Zwischentexte. Literarisches Übersetzen in Theorie und Praxis (gemeinsam mit Renata Makarska und Schamma Schahadat). Frank & Timme, Berlin, 2013, S. 255–286.
Deutschsprachiger Raum, in: Schamma Schahadat und Štěpán Zbytovský (Hrsg.): Übersetzungslandschaften. Themen und Akteure der Literaturübersetzung in Ost- und Mitteleuropa. transcript, Bielefeld, 2016 (= Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft).
Haska Shyyan: „Nein“ bedeutet nicht „vielleicht doch“, in: Kateryna Stetsevych und Kateryna Mishchenko (Hrsg.): Metamorphosen. #MeToo und Feminismus in Ost und West. Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe. Bundeszentrale für Politische Bildung, Berlin, 2020, S. 75–95.
Auszeichnungen
2020: Internationaler Literaturpreis, gemeinsam mit Jewhenija Bjelorussez[20]
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