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Gerhard von Cremona (italienisch Gherardo da Cremona bzw. latinisiert Gerardus Cremonensis; * (um) 1114 in der Lombardei, vielleicht in Cremona, Italien; † 1187 in Toledo, Spanien) war ein Gelehrter und bedeutender Übersetzer arabischer naturkundlicher und medizinischer Schriften ins Lateinische. Er gehörte zu den produktivsten Übersetzern der sogenannten Übersetzerschule von Toledo.


Leben und Wirken


Über seine Herkunft und seinen Lebenslauf ist wenig bekannt. Über 100 Jahre nach seinem Tod schrieb sein Biograf, der Dominikaner Francesco Pipino, Gerhard habe es schon sehr früh aus „Liebe zum Almagest“ (das astronomische Standardwerk von Claudius Ptolemäus) nach Toledo gezogen, wohin er von Italien vermutlich in den 1140er Jahren ging und in Kontakt mit der arabischen Sprache kam. Dort war im 12. Jahrhundert unter Gerhard von Cremona (und dem Begründer der Übersetzerschule Dominicus Gundissalinus) das bedeutendste Zentrum des mittelalterlichen Europa für die Übersetzung vor allem naturwissenschaftlicher und philosophischer Werke aus dem Arabischen entstanden. Gerhard lernte Arabisch und war bald in der Lage, nicht nur (ausgehend von einer Übersetzung durch den mozarabischen Gelehrten Galippus, eigentlich Ghalib bzw. Ġālib) den Almagest, sondern auch zahlreiche weitere Werke wie etwa Avicennas Kanon der Medizin mehr schlecht als recht[1][2] ins Lateinische zu übersetzen. Am Domkapitel in Toledo arbeitete er dann viele Jahre als Diakon und Lehrer. Wahrscheinlich hatte er ein Kanonikat an der Kathedrale von Toledo inne, wo ein „Magister Gherardus“ bezeugt ist. Ob er tatsächlich bis zu seinem Tod in Toledo blieb, ist nicht sicher, da er in Cremona begraben liegt.


Schriften


Im Laufe von mehr als vierzig Jahren übersetzte Gerhard mindestens 70 philosophische und naturwissenschaftliche Werke aus dem Arabischen ins Lateinische, wobei die Zuschreibung nicht in allen Fällen als gesichert gelten kann. Zu diesen Werken zählen unter anderem:

Sein Schüler, der englische Scholastiker Daniel von Morley, überlieferte eine von Gerhards Arbeitsweisen[3] beim Übersetzen: Sein mozarabischer Assistent Ghalib (latinisiert Galippus)[4] übertrug den Text mündlich ins mittelalterliche Kastilisch, Gerhard hörte zu und schrieb den Text in lateinischer Sprache nieder. Im Falle des Almagest, der aus seiner Ursprungssprache Altgriechisch zunächst ins Syrische, dann ins Arabische übersetzt worden war und den Gerhard über den mündlichen Umweg des Kastilischen ins Lateinische übertrug, brachte diese lange Übertragungskette zahlreiche Fehlerquellen mit sich.[5][6] Daher wurden Gerhards Übersetzungen in ihrer Nähe zum Original zum Teil bald von anderen Übersetzungen übertroffen, die, wie diejenigen von Wilhelm von Moerbeke, auf griechischen Originalen basierten. Gerhard von Cremona ging häufig von älteren Übersetzungen ins Lateinische aus, verglich diese mit dem arabischen Original und ergänzte sie durch Neuübersetzungen aus dem Arabischen und standardisierte die Terminologie. Er blieb nahe am arabischen Original, übernahm teilweise dessen Konstruktionen und bemühte sich um exakte Wiedergabe.[7]

Des Weiteren wurden Gerhard auch eigenständige wissenschaftliche Schriften zugeschrieben, die aber heute Gerhard von Sabbioneta, einem Franziskaner und Astronom des 13. Jahrhunderts, oder anderen zugeschrieben werden.

Die erste gedruckte lateinische Ausgabe des Almagest war 1515 in Venedig die Übersetzung von Gerhard von Cremona.

Gerhard von Cremona hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Werke sowohl der antiken griechischen als auch der mittelalterlichen arabischen Philosophie und Wissenschaft in der lateinischen Welt bekannt wurden, die dann nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Scholastik ausübten. Trotz der aus heutiger Sicht verbesserungsbedürftigen Qualität seiner Übersetzungen behielten sie ihren Einfluss noch bis in die Frühe Neuzeit, da sie in Form von Zitaten in der kommentierenden Literatur weiterlebten und in den Handschriften vielfach auch in synoptischer Gegenüberstellung zu anderen Übersetzungen weiterhin überliefert wurden.

Seine Ausgabe der lateinischen Übersetzung des Euklid-Kommentars von Al-Nayrizi gab Maximilian Curtze als Supplement der Euklid-Ausgabe von Heiberg und Heinrich Menge 1899 bei Teubner heraus. Er fand das Manuskript in Krakau.


Weitere Ausgaben und Übersetzungen



Siehe auch



Literatur



Belletristik





Anmerkungen


  1. Gotthard Strohmaier: Avicenna. Beck, München 1999, ISBN 3-406-41946-1, S. 144.
  2. Julius Hirschberg, Julius Lippert: Die Augenheilkunde des Ibn Sina. Leipzig 1902; Nachdruck in: F. Sezgin (Hrsg.): Studies on Ibn Sīnā (d. 1037) and his medical works. 4 Bände, Frankfurt am Main 1996 (= Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science. Band 10–13), Band 2, S. 161–352.
  3. vgl. auch Ilona Opelt: Zur Übersetzungstechnik des Gerhard von Cremona. In: Glotta. Band 39, 1959, S. 135–170.
  4. Morley schreibt: „Girardus Tholetanus, qui Galippo mixtarabe interpretante Almagesti latinavit […]“.
  5. Richard Fletcher: Ein Elefant für Karl den Großen. Christen und Muslime im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 128 f.
  6. Jorit Wintjes: Einführung. In: Konrad Goehl: Avicenna und seine Darstellung der Arzneiwirkungen. Mit einer Einführung von Jorit Wintjes. Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-86888-078-6, S. 5–27, hier: S. 22.
  7. E. Meyer, Artikel Gerhard von Cremona, Lexikon des Mittelalters
Personendaten
NAME Gerhard von Cremona
ALTERNATIVNAMEN Gerhard von Toledo; Gherardo da Cremona; Gerardus Cremonensis
KURZBESCHREIBUNG Übersetzer, Diakon, Lehrer
GEBURTSDATUM 1114
GEBURTSORT Cremona, Italien
STERBEDATUM 1187
STERBEORT Toledo, Spanien

На других языках


- [de] Gerhard von Cremona

[en] Gerard of Cremona

Gerard of Cremona (Latin: Gerardus Cremonensis; c. 1114 – 1187) was an Italian translator of scientific books from Arabic into Latin. He worked in Toledo, Kingdom of Castile and obtained the Arabic books in the libraries at Toledo. Some of the books had been originally written in Greek and, although well known in Byzantine Constantinople and Greece at the time, were unavailable in Greek or Latin in Western Europe. Gerard of Cremona is the most important translator among the Toledo School of Translators who invigorated Western medieval Europe in the twelfth century by transmitting the Arabs' and ancient Greeks' knowledge in astronomy, medicine and other sciences, by making the knowledge available in Latin. One of Gerard's most famous translations is of Ptolemy's Almagest from Arabic texts found in Toledo.[2]

[ru] Герард Кремонский

Герард Кремонский (Герард из Кремоны; лат. Gerhardus Cremonensis (Carmonensis), итал. Gherardo Cremonese, фр. Gérard de Crémone; 1114, Кремона — 1187, Толедо) — средневековый учёный итальянского происхождения; итальянский математик, астролог, философ и врач. Один из крупнейших переводчиков Средневековья, представитель Толедской школы, названной так по городу, в котором он работал.



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