Als Eteokyprisch oder Eteozyprisch bezeichnet man eine ägäische Sprache, die vermutlich im 1. Jahrtausend v. Chr. neben dem Altgriechischen auf Zypern gesprochen wurde. Sie wurde durch das Griechische verdrängt und starb bis gegen Ende des 1. Jahrtausends v. Chr. aus. Den Begriff ‚Eteokyprisch‘ schuf im Jahr 1932 der Altorientalist Johannes Friedrich,[1] nachdem bereits 1911 Richard Meister auf nichtgriechische Texte aus Zypern hingewiesen hatte.[2]
Im 1. Jahrtausend v. Chr. wurde auf Zypern eine eigene Silbenschrift verwendet (kyprische Silbenschrift), wobei die meisten in dieser Schrift notierten Texte den arkadisch-kyprischen Dialekt des Altgriechischen repräsentieren (daher auch „kypro-griechische Schrift“). Daneben existieren aber einige Texte (25–35), die nicht griechisch gedeutet werden können und in denen man daher Zeugnisse einer einheimischen eteokyprischen Sprache vermutet. Die meisten (ca. 20) dieser Texte stammen aus Amathous.[3] Da nur wenige und kurze Bilinguen existieren (bedeutend ist vor allem die eteokyprisch-griechische Bilingue aus Amathous), gestaltet sich die Entschlüsselung des Eteokyprischen bisher schwierig. Insgesamt bleibt bisher unklar, wie viele autochthone Sprachen (neben Griechisch und Phönizisch als eingewanderten Sprachen) im antiken Zypern gesprochen wurden. So besteht die Möglichkeit, dass Eteokyprisch und Kypro-Minoisch verschiedene Entwicklungsstufen derselben Sprache repräsentieren, zumal sich die kyprische Silbenschrift offenbar aus der kypro-minoischen Schrift entwickelte.[4] Andererseits könnten regional unterschiedliche Sprachen gesprochen worden sein, die mit derselben oder ähnlicher Schrift geschrieben wurden. So weist der klassische Philologe Markus Egetmeyer angesichts der Überlieferungsdominanz von Amathous und deutlicher Unterschiede in den Zeichenfolgen der Texte aus A. und Golgoi auf die Möglichkeit einer „golgischen Sprache“ hin.[5]
Einige Forschungsansätze versuchen, die eteokyprische Sprache und die eteokretische zu einer ägäischen Sprachfamilie zusammenzufassen.
Einordnungen der Sprache
Cyrus H. Gordon deutet die Sprache der nicht-griechischen Texte als semitische Sprache.
Thierry Petit nimmt an, dass die Sprache mit dem Hurritischen und Urartäischen, ebenfalls beide ausgestorben, verwandt sein könnte.
Arnaud Fournet übersetzt die nicht-griechischen und nicht-golgischen Texte als archaisches Hurritisch.[6]
Aleksei Charsekin hat auch versucht, die Texte mit Hilfe des Etruskischen und Lemnischen zu interpretieren:
aisona: göttlich, von Gott [etr. <aisuna>: 'göttlich']
ana: er (an-oti 'von ihm') [etr. <an>: 'er, sie']
eki: hier [etr. <cei>]
kail: Land, Erde (kail-i 'in die Erde') [etr. <cel-i>: 'in die Erde']
Yves Duhoux: Eteocypriot and Cypro-Minoan 1–3. In: Kadmos, Band 48, 2010, S. 39–75.
Markus Egetmeyer: The recent debate on eteokypriote people and culture. In: Pasiphae. Rivista di Filologia e Antichità egee, III, Pisa/Rom 2009, S. 69–90.
Markus Egetmeyer: „Sprechen Sie Golgisch?“ Anmerkungen zu einer übersehenen Sprache. In: Études mycéniennes, 2010. Actes du XIII[e] colloque international sur les textes égéens (Sèvres, Paris, Nanterre, 20–23 septembre 2010), Pisa/Rom 2012, S. 427–434.
Cyrus H. Gordon: Evidence for the Minoan Language. Ventnor Publishers, Ventnor NJ 1966.
Cyrus H. Gordon: Forgotten Scripts. Their Ongoing Discovery and Decipherment. Revised and enlaged edition. Basic Books, New York NY 1982, ISBN 0-465-02484-X.
Tom B. Jones: Notes on the Eteocypriot inscriptions. In: American Journal of Philology, 71, 1950, ISSN0002-9475, S. 401–407.
Olivier Masson: Les inscriptions chypriotes syllabiques. Recueil critique et commenté (= Études chypriotes. 1, ISSN0291-1655). De Boccard, Paris 1961 (Reimpression augmentee. ebenda 1983; zugleich: Paris, Univ., Diss.).
Olivier Masson: “Les inscriptions étéochypriotes. i. – Les pierres d’Amathonte et leur situation actuelle”, Syria30 (1953), p. 83–88 and “Les inscriptions étéochypriotes – ii.[-]iv[.]”, Syria 34 (1957), p. 61–80.
Thierry Petit: La langue étéochypriote ou l’amathousien. In: Archiv für Orientforschung. 44/45, 1997/1978, ISSN0066-6440, S. 244–271.
Holger Pedersen: Zu den nicht-griechischen Inschriften von Amathus. In: Orientalistische Literaturzeitung, 33, 1930, S. 963969.
Philippa M. Steele: Eteocypriot, In: A linguistic history of ancient Cyprus. The non-Greek languages and their relations with Greek, c. 1600–300 BC, Cambridge: University Press, 2013, ISBN 978-1-107-61741-4, S. 99–172
Johannes Friedrich: Kleinasiatische Sprachdenkmäler. Walter de Gruyter, Berlin 1932, S. 49–52, hier: S. 49.
R. Meister, “Kyprische Syllabarinschriften in nichtgriechischer Sprache”, Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Classe, Berlin 1911, S. 166–169., Hinweis aus Markus Egetmeyer: The recent debate on eteokypriote people and culture. In: Pasiphae. Rivista di Filologia e Antichità egee, III, Pisa/Rom 2009, S. 69–90, hier S. 69
Markus Egetmeyer: Eteokyprisch: Sprache des antiken Zypern. In: Antike Welt, 6/16, S. 6–7, hier S. 7 und derselbe: The recent debate on eteokypriote people and culture. In: Pasiphae. Rivista di Filologia e Antichità egee, III, Pisa/Rom 2009, S. 69–90, hier S. 71–72 mit Auflistung von 27 sicher nicht-griechischen und nicht-golgischen Texten nach Fundorten: 20 aus Amathous, 1 aus Kourion, 3aus Paphos, 2aus Zypern unklarer Provenienz, 1aus Ägypten (Abydos) - an golgischen Texten nennt E. 9, S. 74
Markus Egetmeyer gibt Paphos als möglichen Ort der Änderung von „Kypro-Minoisch“ zu „Kypro-Griechisch“ an, denn hier finden sich die ältesten Texte, vgl. ders.: Eteokyprisch: Sprache des antiken Zypern. In: Antike Welt, 6/16, S. 6–7, hier 7
Markus Egetmeyer: „Sprechen Sie Golgisch?“ Anmerkungen zu einer übersehenen Sprache. In: Études mycéniennes, 2010. Actes du XIII[e] colloque international sur les textes égéens (Sèvres, Paris, Nanterre, 20–23 septembre 2010), Pisa/Rom 2012, S. 427–434
Arnaud Fournet: The Eteocypriot Languages and Hurrian. 2013
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