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Durs Grünbein (* 9. Oktober 1962 in Dresden) ist ein deutscher Lyriker, Essayist und Übersetzer.

Durs Grünbein, 2018
Durs Grünbein, 2018

Leben und Wirken


Grünbein wuchs im Dresdner Stadtteil Hellerau auf. Von 1981 bis 1983 leistete er Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee.[1] Ein Studium der Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin brach er 1987 ab. Danach arbeitete er als freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitschriften. Nach der Wende 1989 unternahm er Reisen durch Europa, nach Südostasien und in die Vereinigten Staaten. Er war Gast der German Departments der New York University, des Dartmouth College und der Villa Aurora in Los Angeles. Grünbein lebt als freier Schriftsteller in Rom.[2]

Grünbein ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Freien Akademie der Künste in Hamburg, der Freien Akademie der Künste zu Leipzig und der Sächsischen Akademie der Künste. Seit 2005 ist er Professor für Poetik an der Kunstakademie Düsseldorf und seit 2008 Mitglied des Ordens „Pour le mérite“ für Wissenschaft und Künste in Berlin.

Im Wintersemester 2007/2008 war Durs Grünbein Heine-Gastprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2009 Stipendiat in der Villa Massimo in Rom. Im Herbst 2006 hielt er die Zürcher Poetikvorlesungen zum Thema: „Fröhliche Eiszeit. Drei cartesische Mediationen“. Im Wintersemester 2009/2010 hielt er die Frankfurter Poetik-Vorlesungen zum Thema: „Vom Stellenwert der Worte“.

Grünbein tritt auch mit gesellschaftspolitischen Kommentaren in Erscheinung. So wandte er sich vehement gegen Günter Grass’ Gedicht Was gesagt werden muss, das eine „krasse historische Dummheit“ sei. Grass zeige in dem Pamphlet seine Gefühlsblindheit gegenüber dem Judenstaat als staatgewordener Überlebensstrategie.[3] Im Februar 2015 kritisierte er die fremden- und islamfeindlichen „Pegida“-Demonstrationen als Offenbarung der „Dresdner Seele“, die im Rufe „Wir sind das Volk“ genau wisse, „wer dazugehört und wer nicht“.[4]

In seinen Werken setzt sich Durs Grünbein mit den Gebieten der Naturwissenschaft (der Quantenphysik, der Neurologie) und der Philosophie auseinander[5], es finden sich aber ebenso Reise- und Liebesgedichte, etwa das oft zitierte Gedicht Après l’amour.

Grünbein ist mit Eva Sichelschmidt verheiratet. Das Ehepaar hat drei Töchter.[6] Sichelschmidt veröffentlichte 2020 ihren zweiten Roman.


Rezeption


Durs Grünbein gehört zu den anerkannten Dichtern des wiedervereinigten Deutschlands. Er wurde mehrfach ausgezeichnet und erhielt bereits mit 33 Jahren den Georg-Büchner-Preis. Seine frühe Lyrik wurde als Ausdruck der mangelnden Eindeutigkeit nach dem Zerfall des West-Ost Konflikts gedeutet wie Emanzipation der Literatur aus dem Gebiet der ehemaligen DDR von ihrer Vergangenheit. Die Hinwendung zur deformierten Körperlichkeit und Urbanität macht den Einfluss der Dichtung Gottfried Benns deutlich, welcher unter anderem von Heiner Müller, aber auch zahlreichen jungen Schriftstellern in der DDR studiert wurde, die weder staatsnah, noch zur politisch harmlosen Opposition der sogenannten Prenzlauer-Berg-Connection gehörten. Die ersten zwei Gedichtbände Grauzone morgens und Schädelbasislektion führten den kühlen Sound wie die Montagelyrik Gottfried Benns eigenständig fort. Durs Grünbein distanzierte sich nachträglich von seinem Frühwerk, obgleich diese Gedichte große Anerkennung in der zeitgenössischen Literaturwissenschaft genießen und eine breite Rezeption erfuhren.

Grünbeins theoretische Vorarbeiten zur eigenen Lyrik brachte ihn die Anerkennung als Poeta doctus ein, wenngleich manche Kritiker eine inhaltliche Überfrachtung der nachfolgenden Gedichte geltend machten. Grünbeins Hinwendung zur antikisierenden Dichtung Mitte der letzten Dekade des Jahrhunderts, die 1981 von Gerhard Falkners Reformulierung des hohen Tons eingeleitet wurde, begrüßten einige Kritiker, während andere einen Eskapismus, gar Regression zum Frühwerk bemerken wollten. Fritz J. Raddatz überschrieb in seiner Rezension zu Koloss im Nebel (2012) „Durs Grünbein – die dichtende Luftnummer“ und konstatierte „Verse ohne Rätsel, ohne Geheimnis, ohne Erschütterung für den Leser“, in denen „das eigene Ich unter Schuttmassen von Angelesenem“ begraben werde. Diese „halbgebildete[n] Verblüffungseffekte“ seien ein „regelrechter Defekt seiner poetischen Architektur“, da sie in der Belehrung „jegliche Stille“ störten.[7] Sein Dichterkollege Thomas Kling spottete: „Wenn den Antikenfreund das Fell juckt, er aber kein Gefühl für Geschichte hat? Dann bekommt man Kostümfilm - Sandalenfilme aus den Grünbein-Studios.“[8] Laut Ulrich Greiner, besteche Grünbein insbesondere durch höchste Sprachfähigkeit und einen Reichtum an fachlicher Kenntnis, welche ihn wohl zu dem „am meisten gebildeten Poeten unseres Sprachraums“ macht.[9] Er sieht in solcher Kritik die Verachtung des Bildungsbürgerlichen und den Unmut über einen, der „mehr weiß als sie“, aufscheinen: „Wer Bildungsreisen nicht verachtet, sollte sich Grünbein anvertrauen […].“[9] Der Literaturwissenschaftler Ernst Osterkamp, selbst Interpret einiger Gedichte Durs Grünbeins, hatte zum Erscheinen des Gedichtbandes Nach den Satiren die hohe Zahl der Gedichte kritisch bemerkt,[10] um anlässlich des Bandes Aroma resigniert die „marktgerechten Hurtigkeit, die man von diesem Dichter mittlerweile leider gewohnt ist“[11], zu bemängeln.

Neben seinen frühen Gedichten finden seine Liebesgedichte Anerkennung. Der Schweizer Literaturwissenschaftler und Kritiker Peter von Matt gab Grünbeins Liebesgedichte als eigenständige Sammlung 2008 heraus.


Auszeichnungen


Durs Grünbein mit dem Orden „Pour le Mérite“ (2014)
Durs Grünbein mit dem Orden „Pour le Mérite“ (2014)

Werke


Von Durs Grünbein signierte Buchseite seines Gedichtbands Schädelbasislektion (2011)
Von Durs Grünbein signierte Buchseite seines Gedichtbands Schädelbasislektion (2011)

Lyrik und Prosa, Libretti



Reden



Hörbuch



Werke in englischer Sprache



Übersetzungen



Literatur




Commons: Durs Grünbein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Durs Grünbein (1995) | Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik. Abgerufen am 25. Februar 2018.
  2. Rom: FAZ vom 22. Oktober 2013, Suhrkamp auf dem Weg zur AG: Das Gläubiger-Drama von Charlottenburg., abgerufen am 23. Mai 2014.
  3. Durs Grünbein: Er ist ein Prediger mit dem Holzhammer. Faz online am 11. April 2011.
  4. Durs Grünbein: Dresden: Das Volk, dieses Monster. In: zeit.de. 18. Februar 2015, abgerufen am 13. Juni 2015.
  5. Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Durs Grünbein. Text + Kritik, 2002, ISBN 3-88377-703-X. S. 92.
  6. Durs Grünbein – "Wir lesen uns gegenseitig vor". In: Cicero Online. (cicero.de [abgerufen am 25. Februar 2018]).
  7. Fritz J. Raddatz: Durs Grünbein – die dichtende Luftnummer. In: welt.de. 21. August 2012, abgerufen am 13. Juni 2015.
  8. Thomas Kling: Auswertung der Flugdaten. Köln, 2005, S. 49.
  9. Ulrich Greiner: Durs Grünbein: Der treue Hund der Erde. In: zeit.de. 13. April 2014, abgerufen am 13. Juni 2015.
  10. Ernst Osterkamp: Nach dem Glückskind. Durs Grünbeins neue Gedichte., FAZ, vom 23. März 1999, Nr. 69.
  11. Ernst Osterkamp: Das Jahr in der Milchschaumbucht., FAZ, vom 2. Oktober 2010.
  12. FAZ: Herbert-Preis für Grünbein. In: FAZ (Hrsg.): FAZ. Nr. 76. FAZ, Frankfurt 30. März 2020, S. 11.
  13. Gregor Dotzauer: Die Erde im Außenspiegel. Durs Grünbein: „Cyrano oder Die Rückkehr vom Mond“. Rezension im Deutschlandradio Kultur vom 15. April 2014, abgerufen 22. April 2014.
  14. Claudia Kramatschek: Unsere eigene Tiernatur. Besprechung vom 29. September 2017 im Deutschlandfunk Kultur, abgerufen am 17. Januar 2018.
Personendaten
NAME Grünbein, Durs
KURZBESCHREIBUNG deutscher Lyriker, Essayist und Übersetzer
GEBURTSDATUM 9. Oktober 1962
GEBURTSORT Dresden, DDR

На других языках


- [de] Durs Grünbein

[en] Durs Grünbein

Durs Grünbein (born 1962)[1] is a German poet and essayist.

[fr] Durs Grünbein

Durs Grünbein, né le 9 octobre 1962 à Dresde[1], est un poète et essayiste allemand[2].

[ru] Грюнбайн, Дурс

Дурс Грюнбайн (нем. Durs Grünbein; р. 9 октября 1962 (1962-10-09), Дрезден) — немецкий поэт и переводчик.



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