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Tschingis Torekulowitsch Aitmatow (kirgisisch Чыңгыз Төрөкулович Айтматов – Tschynggys Törökulowitsch Aitmatow, russisch Чингиз Торекулович Айтматов; Betonung: Aitmátow; * 12. Dezember 1928 in Scheker im Talas-Tal, Kirgisische ASSR; † 10. Juni 2008 in Nürnberg) war ein kirgisischer Schriftsteller, der hauptsächlich in russischer Sprache schrieb.

Tschingis Aitmatow, 2003
Tschingis Aitmatow, 2003

Leben


Kyrillisch (Kirgisisch)
Чыңгыз Айтматов
Lateinisch: Çıñgız Aytmatov
Transkr.: Tschynggys Aitmatow
Kyrillisch (Russisch)
Чингиз Торекулович Айтматов
Transl.: Čingiz Torekulovič Ajtmatov
Transkr.: Tschingis Torekulowitsch Aitmatow

Tschingis Aitmatow wurde im Norden Kirgisistans nahe der kasachischen Grenze im Dorf Scheker (Gebiet Talas) geboren. Sein Vater war dort Verwaltungsbeamter, seine Mutter Nagima Chasijewna, eine gebürtige Tatarin, war Schauspielerin am örtlichen Theater. In seiner Kindheit zog er, wie damals die meisten Kirgisen, mit seiner Familie und den Tieren des Klans von Weide zu Weide. 1937 wurde sein Vater Torekul Aitmatow, der vorher 2. Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei Kirgisiens war, während der stalinistischen „Säuberungen“ wegen „bürgerlichen Nationalismus“ verhaftet und 1938 hingerichtet.

Aitmatow begann sein Arbeitsleben mit 14 Jahren als Gehilfe des Sekretärs des Dorfsowjets. Darauf folgten Tätigkeiten als Steuereintreiber, Lagerarbeiter und Maschinistenassistent. Da Kirgisistan zu dieser Zeit eine Sowjetrepublik war, hatte Aitmatow die Gelegenheit, an der neu eingerichteten russischen Schule in Scheker zu lernen und sich für ein Studium zu qualifizieren. 1946 begann er mit dem Studium der Veterinärmedizin, zunächst an der technischen Hochschule im nahe gelegenen kasachischen Dschambul und dann bis 1953 am kirgisischen Landwirtschaftsinstitut in Frunse.

Seine literarische Tätigkeit begann 1951 mit Übersetzungen kirgisischer Prosa ins Russische; er arbeitete jedoch noch bis zum Erscheinen seiner ersten Erzählung am Wissenschaftlichen Forschungsinstitut von Kirgisistan.

1956 begann er mit einem Studium am Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau, wo er bis 1958 lebte. 1957 wurde er in den sowjetischen Schriftstellerverband aufgenommen. Danach arbeitete er acht Jahre für die Parteizeitung Prawda.

Aitmatow ist Träger verschiedener Preise, unter anderen des Leninpreises 1963, des Staatspreises 1968, 1977, 1983. Ferner wurde er als Nationalschriftsteller Kirgisistans und als Held der sozialistischen Arbeit 1978 ausgezeichnet.

Er war Abgeordneter im Obersten Sowjet der UdSSR, Mitglied des ZK der Kommunistischen Partei Kirgisistans sowie Mitglied des Sekretariats der Schriftstellerunion und der Kinematografen-Union, außerdem Präsidiumsmitglied des Sowjetischen Solidaritätskomitees mit den Staaten Asiens und Afrikas.

Aitmatow war Chefredakteur der Zeitschrift Inostrannaja literatura (Иностранная литература, deutsch ‚Ausländische Literatur‘) und Initiator der internationalen Intellektuellenbewegung „Issyk-Kul-Forum“ (Иссыккульский форум).

Aitmatow 2007
Aitmatow 2007

1988–1990 war Aitmatow Vorsitzender des kirgisischen Autorenverbandes. In der Zeit der Perestroika war er als parlamentarischer Vertreter (Oberster Sowjet der UdSSR) aktiv, seit Ende 1989 auch als Berater Michail Gorbatschows. 1990 wurde er der letzte sowjetische Botschafter in Luxemburg.

Danach war er bis März 2008 Botschafter für Kirgisistan in Frankreich und den Benelux-Staaten und lebte in Brüssel. Bei der Preisverleihung des Aleksandr-Men-Preises im Jahre 1998 bezeichnete er den Aufbau einer friedensliebenden Kultur im Gegensatz zum Kriegskult als die höchste Aufgabe der Menschheit.[1]

Nachdem der an Diabetes erkrankte Aitmatow bei Dreharbeiten im Wolgagebiet im Mai einen Schwächeanfall erlitten hatte, verstarb er am 10. Juni 2008 im Nürnberger Klinikum nach drei Wochen an den Folgen einer schweren Lungenentzündung. Begraben wurde er bei einem Staatsbegräbnis mit mehr als 20.000 Besuchern auf dem Gelände der Gedenkstätte Ata-Bejit.[2][3]


Werk


Aitmatows erstes und bekanntestes Werk ist die später erfolgreich verfilmte Erzählung Djamila über Ereignisse im Sommer des Kriegsjahres 1943 in Kirgisistan. Louis Aragon übersetzte sie ins Französische und schrieb in seinem Vorwort: „[…] für mich ist es die schönste Liebesgeschichte der Welt.“[4] In der DDR gehörte das Werk zur Pflichtlektüre an den Schulen. Hannes Wader ließ sich von ihr zu seinem Lied Am Fluss inspirieren.

Am 31. August 1973 erschien in der Parteizeitung Prawda ein offener Brief einer Gruppe bekannter sowjetischer Schriftsteller im Zusammenhang mit den „antisowjetischen Handlungen und dem Auftreten Alexander Solschenizyns und Andrei Sacharows“, der von Aitmatow mitunterzeichnet war.[5]

Im Verlauf der 1970er Jahre distanzierte er sich vom sozialistischen Realismus; sein Roman Der Richtplatz (auch: Die Richtstatt) gab 1987 wichtige literarische Impulse für die Perestroika.

In seinen Erzählungen spielen kirgisische Tradition und Kultur eine tragende Rolle. Den Kontrast zwischen dem harten, mit der Natur verbundenen Leben des ehemaligen Nomadenvolkes und dem Kolchos-Alltag in der Sowjetunion beschreibt Aitmatow gefühlvoll, poetisch und mit erzählerischer Kraft. In seinen neueren Werken kritisierte er konsequent die menschliche Ignoranz und die damit verbundene Zerstörung der Natur. Auf Bitten des Naturschutzbundes Deutschland übernahm er die Schirmherrschaft der Vereinigung zum Schutz der Schneeleoparden.[6][7]

„Dank umfassender Erkenntnisse und der zielgerichteten Nutzung vieler objektiver Gesetze der materiellen Welt hat die Menschheit ein hohes Niveau der technischen und technologischen Entwicklung erreicht. Im Bestreben, die modernsten Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Leben auch anzuwenden, hat die Menschheit jedoch zugleich ihre geistig-sittliche Sphäre aus dem Blickfeld verloren, genauer gesagt: Sie hat diesen Bereich, der ebenfalls existiert und sich nach bestimmten Gesetzen entwickelt, weitgehend ignoriert. Diese Gesetze sind nicht weniger objektiv als die der materiellen Welt. Hierbei wurde ein fundamentales Gesetz des Universums verletzt, das da lautet: Das Niveau der geistigen und sittlichen Entwicklung der menschlichen Gemeinschaft sollte stets ein wenig höher sein als das Niveau des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. Nur dann erwächst aus den großartigen Leistungen der Wissenschaft und Technik auch die Verantwortung für das allgemeine Wohl der Menschen, für die Vorsorge vor Hunger, Verelendung und Krankheiten in den verschiedenen Teilen des Erdballs.“

Tschingis Aitmatow, 2000[8]
Grab von Aitmatow auf einem Gedenkfriedhof bei Bischkek
Grab von Aitmatow auf einem Gedenkfriedhof bei Bischkek

Erzählungen und Novellen



Romane



Dramen



Sonstiges



Verfilmungen



Hörspielversionen



Hörbücher



Literatur



Auszeichnungen




Wikiquote: Tschingis Aitmatow – Zitate
Commons: Tschingis Aitmatow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Aus der Rede des Preisträgers (Memento vom 23. Februar 2018 im Internet Archive), Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Aleksandr-Men-Preis 1998, Verleihung an Tschingis Aitmatow.
  2. Tagesspiegel: „Tschingis Aitmatow ist tot“, 10. Juni 2008
  3. AP/NZZ: Mehr als 20'000 nehmen Abschied von Tschingis Aitmatow. 14. Juni 2008, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 16. November 2019]).
  4. Louis Aragon im Vorwort (übersetzt von Traugott König) zu Tschingis Aitmatow: Dshamilja. Aus dem Russischen von Gisela Drohla. Bibliothek Suhrkamp 315, Frankfurt am Main 1986, S. 7.
  5. Prawda vom 31. August 1973, S. 3.
  6. NABU-Pressedienst: „Der Schneeleopard“ – Lesereise von Tschingis Aitmatow. 16. März 2007, abgerufen am 13. Oktober 2016.
  7. „Wenn wenige immer reicher werden“. Interview mit Tschingis Aitmatow. In: Neues Deutschland. 26. Mai 2007;.
  8. Rede an der ETH Zürich im Jahre 2000
  9. Die russische Originalausgabe erschien Anfang September 1985 in der Zeitschrift Literaturnyi Kirgistan (8/85), Frunse, UdSSR unter dem Titel Metschty woltschizy. Aus dem Russischen von Friedrich Hitzer, Sonderdruck KÜRBISKERN, Verlag Plambeck & Co., Neuss und München 1985
  10. Für Sonntag, den 28. März 1976, 20 Uhr war für das Kulturprogramm „Radio DDR II“, die Ursendung des Hörspiels „Der Aufstieg auf den Fudschijama“ nach Tschingis Aitmatows damals neustem Bühnenstück in der Programmzeitschrift „FF-Dabei“ angekündigt. Das Hörspiel war im Januar des Jahres 1976 mit einer hochkarätigen Besetzung – darunter Jutta Hoffmann, Kurt Böwe und Jürgen Hentsch – unter der Regie von Peter Groeger und mit einer Hörspielmusik von Reiner Bredemeyer aufwändig produziert worden. Aber an besagtem Sonntagabend wurde das Publikum vom Abendsprecher knapp auf eine Änderung des Programms hingewiesen und bekam eine Wiederholung von Alexander Gelmans Produktionsstück „Protokoll einer Sitzung“ geboten. Die Ursendung des Aitmatow-Dramas „Der Aufstieg auf den Fudschijama“ war durch eine Anweisung des SED-Zentralkomitees kurzfristig verboten worden. Als sich der Rundfunk-Komitee-Vorsitzende, Rudi Singer, darauf berief, dass Aitmatows Text ja in einer Auswahl sowjetischer Zeitstücke 1975 als Buch beim DDR-Verlag Volk und Welt erschienen sei, kam die Antwort vom ZK, die Freigabe für ein Buch bedeute noch lange nicht, dass das Werk in einem Massenmedium verbreitet werden dürfe. Die Tonbänder mit der Hörspiel-Inszenierung verschwanden im Tresor des damaligen Hauptabteilungsleiters Funkdramatik – Hans Bentzien. Er und die mit der Inszenierung befassten Mitarbeiter wurden gerügt. Mitten in der Breschnew-Doktrin sollten Aitmatows Erinnerungen an das schwere Unrecht der Stalinzeit kein breites Publikum erreichen. Erst nach dem Wende-Herbst 1989 erlebte die Inszenierung am 20. Dezember 1989 ihre tatsächliche Radiopremiere beim Rundfunk der DDR. Zuvor hatte das Stück mit zehnjähriger Verzögerung im Januar 1986 im Schauspielhaus Leipzig seine DDR-Erstaufführung auf dem Theater erlebt. siehe Hans Bentzien: Meine Sekretäre und ich, Verlag Neues Leben, Berlin 1995, S. 262ff.
Personendaten
NAME Aitmatow, Tschingis
ALTERNATIVNAMEN Aitmatow, Tschingis Torekulowitsch (vollständiger Name); Айтматов, Чыңгыз (kirgisisch); Aytmatov, Çıñgız (Transliteration des Kirgisischen); Aitmatow, Tschynggys (Transkription des Kirgisischen); Айтматов, Чингиз Торекулович (russisch); Ajtmatov, Čingiz Torekulovič (Transliteration des Russischen); Aitmatow, Tschingis Torekulowitsch (Transkription des Russischen)
KURZBESCHREIBUNG kirgisischer Schriftsteller
GEBURTSDATUM 12. Dezember 1928
GEBURTSORT Scheker, Kirgisistan
STERBEDATUM 10. Juni 2008
STERBEORT Nürnberg

На других языках


- [de] Tschingis Aitmatow

[en] Chinghiz Aitmatov

Chinghiz Torekulovich Aitmatov (as transliterated from Russian; Kyrgyz: Чыңгыз Төрөкулович Айтматов, romanized: Chynggyz Törökulovich Aytmatov; 12 December 1928 – 10 June 2008) was a Kyrgyz author who wrote mainly in Russian, but also in Kyrgyz. He is one of the best known figures in Kyrgyzstan's literature.[2][3][4]

[ru] Айтматов, Чингиз Торекулович

Чинги́з Тореку́лович Айтма́тов (кирг. Чыңгыз Төрөкул уулу Айтматов; 12 декабря 1928, Шекер, Таласский кантон, Киргизская АССР, РСФСР, СССР — 10 июня 2008, Нюрнберг, Германия) — киргизский и русский писатель[5][6][7]; дипломат.



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