Das Tibetische (tibetisch བོད་སྐད Wylie bod skad) gehört zu den tibeto-birmanischen Sprachen Asiens. Es wird von ca. sechs Millionen Menschen gesprochen, von denen die meisten in Tibet leben.[1] Daneben gibt es etwa 130.000 Tibeter im Exil, hauptsächlich in Nepal, Indien und Bhutan. Die Sprache wird mit dem tibetischen Alphabet geschrieben, das wahrscheinlich aus einem Typ der altindischen Brahmi-Schrift abgeleitet ist.
Tibetisch – བོད་ཡིག | ||
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Gesprochen in |
China (Regionen: Tibet, Qinghai, Gansu, Sichuan, Yunnan), Indien (Regionen: Grenzgebiete zu Tibet), Pakistan (Baltistan), Nepal, Bhutan | |
Sprecher | 6 Millionen | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Tibet | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
bo | |
ISO 639-2 | (B) tib | (T) bod |
ISO 639-3 |
bod |
Tibetisch ist neben Hochchinesisch Amtssprache im Autonomen Gebiet Tibet und anderen Teilen Chinas mit tibetischer Bevölkerung.
Die Tibeter sind eine der am wenigsten assimilierten Volksgruppen Chinas.[2] 84 % der Tibeter in Tibet kommunizieren vor allem auf Tibetisch.[3]
In der Verfassung der Volksrepublik China von 1982 heißt es:[4]
„Allen Nationalitäten steht es frei, ihre eigene Sprache und Schrift anzuwenden und zu entwickeln […]“
„Bei der Ausübung ihrer Funktionen bedienen sich die Organe der Selbstverwaltung der Regionen mit nationaler Autonomie entsprechend den Bestimmungen der Autonomie-Vorschriften der jeweiligen Gebiete in Wort und Schrift der in dem betreffenden Gebiet gebräuchlichen Sprache bzw. Sprachen.“
Im Jahr 1987 erließ die tibetische Regierung „Provisorische Vorschriften des Autonomen Gebietes Tibet über die Lehre, den Gebrauch und die Entwicklung der tibetischen Sprache und Schrift“,[5] 1988 „Detaillierte Durchführungsbestimmungen zu den provisorischen Vorschriften des Autonomen Gebietes Tibet über die Lehre, den Gebrauch und die Entwicklung der tibetischen Sprache und Schrift“[6] und 2002 schließlich die „Vorschriften des Autonomen Gebietes Tibet über die Lehre, den Gebrauch und die Entwicklung der tibetischen Sprache und Schrift“[7][8][9]
Für die Entwicklung und Standardisierung der Sprache ist das staatliche Komitee für die terminologische Standardisierung des Tibetischen (བོད་ཡིག་བརྡ་ཚད་ལྡན་དུ་སྒྱུར་བའི་ལས་དོན་ཨུ་ཡོན་ལྷན་ཁང་གིས་བསྒྲིགས, chinesisch 藏語術語標準化工作委員會 / 藏语术语标准化工作委员会) zuständig.[10]
Nach den Daten der letzten beiden Volkszählungen lag die Analphabetenrate unter Tibetern im Jahr 1990 bei 69,39 % (gegenüber 22,21 % der Gesamtbevölkerung Chinas); bis zum Jahr 2000 konnte sie um 31,47 % auf 47,55 % (Gesamtbevölkerung: 9,08 %) gesenkt werden.[11]
An 98 % der Grundschulen in Tibet ist die Unterrichtssprache Tibetisch[12][9] und 92 % der Grundschullehrer sind Tibeter; gleichzeitig wird Chinesisch als Fremdsprache unterrichtet.[3] Im Jahr 2002 gab es 181 Lehrbücher für 16 Unterrichtsgegenstände auf Tibetisch und es wurden acht Glossare naturwissenschaftlicher Fachterminologie erstellt;[3] dennoch werden an den Mittelschulen Mathematik, Physik und Chemie generell auf Chinesisch unterrichtet.[9][13] Die Texte in den Lehrbüchern zur tibetischen Sprache und Literatur (gaiyig སྐད་ཡིག་, chinesisch 语文, Pinyin yǔwén) stammen zu 47 % aus moderner und zeitgenössischer tibetischer Literatur, zu 29 % aus traditioneller tibetischer Literatur und zu 24 % aus Übersetzungen aus dem Chinesischen.[14] An den tibetischen Universitäten und Hochschulen ist die Unterrichtssprache meist Chinesisch, außer in Fächern im Zusammenhang mit tibetischer Geschichte, Sprache und Literatur sowie traditioneller tibetischer Medizin.[15]
Nach den Vorschriften sollen Han-Chinesen in Tibet auch Tibetisch lernen, doch diese Regelung wird heute generell ignoriert.[16]
An den tibetischen Schulen in Indien war die Unterrichtssprache bis 1985 ausschließlich Englisch; heute wird an einigen Grundschulen in den ersten fünf Jahren teilweise auf Tibetisch unterrichtet, ab dem sechsten Schuljahr nur auf Englisch und alle Mittelschullehrbücher sind auf Englisch.[17]
Allein in Tibet selbst erscheinen 14 Zeitschriften und 10 Tageszeitungen auf Tibetisch, dazu kommt eine Handvoll regionaler[18] und nationaler[19] tibetischer Zeitungen und Zeitschriften in anderen Teilen Chinas,[9] es gibt zahlreiche Radio- und Fernsehsender sowie Kinofilme auf Tibetisch (in den Varietäten von Lhasa und der Kamba[20]); neun Verlage in China publizieren regelmäßig Bücher auf Tibetisch, jährlich erscheinen rund tausend Titel;[9] Regierung, Justiz, Verwaltung etc. sowie Straßenschilder und Werbung sind laut Vorschriften zweisprachig.[9][3]
Vor der Zeit der Volksrepublik China gab es drei verschiedene Formen des Tibetischen: erstens die in den Klöstern geübte Liturgiesprache (Chos-shad); zum zweiten die höfische Sprache, das stark formalisierte She-sa, heute noch die Sprache der gebildeten Oberklasse Lhasas; drittens das „Volkstibetisch“ (Phal-skad), die Umgangssprache mit zahlreichen, aufgrund der Weite des Landes untereinander oft kaum verständlichen Dialekten. Besonders in den oberen Stilebenen werden zahlreiche Ehrentitel verwendet. Wie in vielen asiatischen Sprachen besitzen häufig gebrauchte Wörter unterschiedliche Formen, um hierarchische Unterschiede auszudrücken. All diesen Varianten fehlte ein neuzeitliches Vokabular. Beginnend in den 1960ern wurde von Sprachwissenschaftlern ein „Neutibetisch“ entwickelt, bei dem sich Schreibung und Aussprache decken und das um zusätzliche Wörter erweitert wurde, so dass z. B. Schulunterricht in Physik, Chemie usw. möglich wurde. Auch die modernen Medien bedienen sich dieser auf Basis des Lhasa-Dialekts entwickelten Variante.
Die modernen tibetischen Dialekte kann man wie folgt einteilen:
Dialektgruppe | Untergruppe | Lokale Dialekte |
dBus-gTsang (Ü-Tsang) ca. 1 Mio. Sprecher |
Ü (dBus) |
Lhasa, Phenyül (´phan-yul), Tölung Dechen (stod lung bde chen), Meldro Gongkar (mal gro gong skar), Chushur (chu shur), Lhagyari (lha rgya ri), Tsetang (rtse thang) |
Tsang (gTsang) |
Shigatse (gzhis ka tse), Gyantse (rgyal rtse), Lhatse (lha tse), Dingri (ding ri), Sakya (sa skya), Dromo (gro mo) | |
Khams (Kham) ca. 1,5 Mio. Sprecher |
Nördliche Dialekte | Kardze: Kangding (Dardo), Nyagchukha (nyag chu kha), Draggo (brag ´go), Nyagrong (nyag rong), Kardze (dkar mdzes), Dainkog, Dege (sde dge) Qinghai – Yüru (yus hru) (Kyegu Do (skye rgu mdo)): Nangchen (nang chen) Chamdo entlang der Straße |
Südliche Dialekte | Kardze: Lithang (li thang), Bathang (´ba´ thang), Yidun (Daxod), Derong (sde rong), Dabpa (´dab pa) Dechen und Chamdo: Markham (smar khams), Calho | |
Nomadendialekte | Nord-Chamdo: Tengchen (steng chen), Drachen (sbra chen) Nagchu (nag chu) Yüru (yus hru) (Kyegu): Thridu (khri ´du), Qoima | |
A-mdo (Amdo) ca. 800.000 Sprecher |
Bauerndialekte | Xiahe (Labrang), Luqu, Tianzhu (Ra’gyei), Ledu (Nianbai), Rongren (Rêbgong), Tongde, Chiga |
Nomadendialekte | Zêkog, Marqu, Xinghai, Qilian, Gangca, Haiyan (Chinkuxung), Jigzhi, Baima, Gadê Ngawa |
Dzongkha, die Amtssprache in Bhutan, steht dem Tibetischen sehr nahe bzw. ist ein Dialekt des Tibetischen. Tibetische Dialekte werden auch in Nepal (Sherpa und Mustang), Indien (Ladakhi) und Pakistan (Baltistan) gesprochen. Die tibetische Exil-Koine basiert auf dem dBus-Dialekt.
Das klassische Tibetisch und die moderne tibetische Schriftsprache unterscheiden sich in ihrer schriftlichen Form phonologisch nicht voneinander.
Es haben sich jedoch verschiedene tibetische Dialekte entwickelt, die untereinander teilweise nicht verständlich sind. Die moderne Schriftsprache ist pan-dialektal, d. h. wird von Sprechern verschiedener Dialekte verwendet.
Einige zentraltibetische Dialekte haben Töne entwickelt, aber weil östliche Dialekte wie Amdo und westliche wie Balti keine phonemischen Töne haben, kann das Tibetische nicht durchgängig als Tonsprache bezeichnet werden.
Die tatsächliche Aussprache des klassischen Tibetisch ist eine Rekonstruktion auf der Grundlage ihrer geschriebenen Form und der modernen tibetischen Dialekte. In der folgenden Darstellung wird neben der tibetischen Schrift die Transkription von Wylie und eine mögliche Rekonstruktion in Internationaler Lautschrift (IPA) angegeben.
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
ཀ | ka | k |
ཁ | kha | kʰ |
ག | ga | ɡ |
ང | nga | ŋ |
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
ཅ | ca | t̠͡ɕ |
ཆ | cha | t̠͡ɕʰ |
ཇ | ja | d̠͡ʑ |
ཉ | nya | ɲ |
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
ཏ | ta | d |
ཐ | tha | tʰ |
ད | da | t |
ན | na | n |
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
པ | pa | p |
ཕ | pha | pʰ |
བ | ba | b |
མ | ma | m |
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
ཙ | tsa | ts |
ཚ | tsha | tsʰ |
ཛ | dza | dz |
ཝ | wa | w |
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
ཞ | zha | ʑ |
ཟ | za | z |
འ | ’a | ɦ |
ཡ | ya | j |
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
ར | ra | r |
ལ | la | l |
ཤ | sha | ɕ |
ས | sa | s |
Tibetisch | Wylie | IPA |
---|---|---|
ཧ | ha | h |
ཨ | a | — |
Neben den oben angeführten einfachen Anlauten sind auch Konsonantenkombinationen als Silbenanlaute möglich. Traditionell wird nach der Schreibweise unterschieden zwischen Grundanlauten mit darüber-, darunter- und vorangestellten Konsonanten.
Die tibetische Schriftsprache unterscheidet fünf Vokale: a, i, u, e und o.
Am Silbenende kommen folgende einfache Konsonanten (in Wylie-Transkription) vor: -g, -ng, -d, -n, -b, -m, -’, -r, -l und -s. Außerdem können noch folgende Konsonantenkombinationen auftreten: -gs, -ngs, -bs und -ms.
Als Dialekt der Hauptstadt der Autonomen Region Tibets und des Großteils der tibetischen Exilgemeinde kommt dem Lhasa-Dialekt eine besondere Rolle zu. In der folgenden Darstellung wird das Lautinventar des Lhasa-Dialekts in Internationaler Lautschrift und der offiziellen Transkription in China (die auf der chinesischen Pinyin-Umschrift beruht) beschrieben, außerdem sind die schriftsprachlichen Entsprechungen in Wylie-Transkription angeführt.
Der Lhasa-Dialekt hat vier Töne. Für die Angabe in IPA wird hier der Vokal a verwendet. Bei der Angabe in Ziffern bezeichnet 1 die niedrigste Tonhöhe, 5 die höchste.
Register | Kontur | IPA | IPA | Ziffern | Länge | offiziell (CHIV-803-1982) | ZWPY |
---|---|---|---|---|---|---|---|
hoch | eben | á | a˥ | 55 | kurz | 1 | f |
hoch | fallend | âː | a˥˩ | 51 | lang | 2 | h |
tief | steigend | à | a˩˧ | 13 | kurz | 3 | v |
tief | steigend bzw. etwas fallend | ǎː | a˩˧˨ | 132 | lang | 4 | w |
Das Register wird durch den Silbenanlaut bestimmt (s. u.). Die Konsonanten *g, *gs, *b, *bs, *d, *s, *ngs und *ms am Silbenende der geschriebenen Formen bewirken, dass eine Silbe im Hochton fallend (×́ → ×̂ː) bzw. dass eine Silbe im Tiefton steigend (×̀ → ×̌ː) ausgesprochen wird.
Die pränasalierten Anlaute (mp, nt, nts, ɳʈʂ, ɲc, ɲtɕ, ŋk) werden nicht von allen Sprechern bzw. nicht in allen Kontexten pränasaliert ausgesprochen.
Der Ton einer Silbe hängt vom Anlautkonsonanten ab. Zur Veranschaulichung sind in der Tabelle die Anlaute in Lautschrift jeweils mit dem Vokal a und einem Tonzeichen für das jeweilige Register (hoch oder tief) versehen.
IPA | Wylie | offiziell |
---|---|---|
pá | p, sp, dp, lpa | b |
pà | rb, sb, db, sbr | b |
mpà | lb, ’b | b |
pʰá | ph, ’ph | p |
pʰà | b | p |
má | rm, sm, dm | m |
mà | m, mr | m |
wà | w, db | w |
tá | t, rt, lt, st, tw, gt, bt, brt, blt, bst, bld | d |
ntá | lth | d |
tà | rd, sd, gd, bd, brd, bsd | d |
ntà | zl, bzl, ld, md, ’d | d |
tʰá | th, mth, ’th | t |
tʰà | d, dw | t |
ná | rn, sn, gn, brn, bsn, mn | n |
nà | n | n |
lá | kl, gl, bl, rl, sl, brl, bsl | l |
là | l, lw | l |
ɬá | lh | lh |
tsá | ts, rts, sts, tsw, gts, bts, brts, bsts | z |
tsà | rdz, gdz, brdz | z |
ntsà | mdz, ’dz | z |
tsʰá | tsh, tshw, mtsh, ’tsh | c |
tsʰà | dz | c |
sá | s, sr, sw, gs, bs, bsr | s |
sà | z, zw, gz, bz | s |
ʈʂá | kr, tr, pr, dkr, dpr, bkr, bskr, bsr | zh |
ʈʂà | dgr, dbr, bsgr, sbr | zh |
ɳʈʂà | mgr, ’gr, ’dr, ’br | zh |
ʈʂʰá | khr, thr, phr, mkhr, ’khr, ’phr | ch |
ʈʂʰà | gr, dr, br, grw | ch |
ʂá | hr | sh |
rà | r, rw | r |
cá | ky, rky, lky, sky, dky, bky, brky, bsky | gy |
cà | dgy, bgy, brgy, bsgy | gy |
ɲcà | mgy, ’gy | gy |
cʰá | khy, mkhy, ’khy | ky |
cʰà | gy | ky |
tɕá | c, cw, gc, bc, lca, py, dpy | j |
tɕà | rj, gj, brj, dby | j |
ɲtɕà | lj, mj, ’j, ’by | j |
tɕʰá | ch, mch, ’ch | q |
tɕʰà | j | q |
tɕʰá | phy, ’phy | q |
tɕʰà | by | q |
ɕá | sh, shw, gsh, bsh | x |
ɕà | zh, zhw, gzh, bzh | x |
ɲá | rny, sny, gny, brny, bsny, mny, nyw | ny |
ɲà | ny, my | ny |
já | g.y | y |
jà | y | y |
ká | k, rk, lk, sk, kw, dk, bk, brk, bsk | g |
kà | rg, sg, dg, bg, brg, bsg | g |
ŋkà | lg, mg, ’g | g |
kʰá | kh, khw, mkh, ’kh | k |
kʰà | g, gw | k |
ŋá | rng, lng, sng, dng, brng, bsng, mng | ng |
ŋà | ng | ng |
ʔá | —, db | — |
ʔà | ’ | — |
há | h, hw | h |
Im Lhasa-Dialekt gibt es 17 Vokale: i, ĩ, e, ẽ, ɛ, ɛ̃, a, ã, u, ũ, o, õ, ɔ, y, ỹ, ø und ø̃. Diese bilden mit den Konsonanten p, q, r, m und ɴ folgende Silbenauslaute:
IPA | a | au | aq | aɴ | ap | am | ar | ||
offiziell | a | au | ag | ang | ab | am | ar | ||
Wylie | a | a’u | ag/ags | ang/angs | ab/abs | am/ams | ar | ||
IPA | ɛ | ɛˀ | ɛ̃ | ||||||
offiziell | ai/ä | ai/ä | ain/än | ||||||
Wylie | al/a’i | ad/as | an | ||||||
IPA | e | eq | eˀ | eɴ | ep | em | er | ẽ | |
offiziell | ê | êg | ê | êng | êp | êm | êr | ên | |
Wylie | e/el/e’i | eg/egs | ed/es | eng/engs | eb/ebs | em/ems | er | en | |
IPA | ø | øˀ | ø̃ | ||||||
offiziell | oi/ö | oi/ö | oin/ön | ||||||
Wylie | ol/o’i | od/os | on | ||||||
IPA | i | iu | iq | iˀ | iɴ | ip | im | ir | ĩ |
offiziell | i | iu | ig | i | ing | ib | im | ir | in |
Wylie | i/il/i’i | i’u/e’u | ig/igs | id/is | ing/ings | ib/ibs | im/ims | ir | in |
IPA | u | uq | uɴ | up | um | ur | |||
offiziell | u | ug | ung | ub | um | ur | |||
Wylie | u | ug/ugs | ung/ungs | ub/ubs | um/ums | ur | |||
IPA | y | yˀ | ỹ | ||||||
offiziell | ü | ü | ün | ||||||
Wylie | ul/u’i | ud/us | un | ||||||
IPA | o | oq | oɴ | op | om | or | |||
offiziell | o | og | ong | op | om | or | |||
Wylie | o | og/ogs | ong/ongs | ob/obs | om/oms | or | |||
Auslautendes -r fällt häufig aus und führt nur zur Längung des Vokals. Auslautendes -n der geschriebenen Formen führt meist zur Nasalierung des vorhergehenden Vokals.
In zwei- und mehrsilbigen Wörtern kommt es darüber hinaus zu einigen lautlichen Veränderungen. (In den folgenden Beispielen ist der schriftlichen Form in Wylie-Transliteration ein Stern vorangesetzt, darauf folgt die Aussprache in IPA in eckigen Klammern und die offizielle Transkription in runden Klammern.)
Wenn *bu die zweite Silbe ist, wird es [pú] gesprochen. Wenn *ba oder *bo die zweite Silbe ist, werden sie [wá] (wa) bzw. [wó] (wo) gesprochen.
Tibetisch gehört zu den Ergativsprachen und ist flektierend.
Wie im Chinesischen werden abstrakte Substantive gerne durch Zusammenstellung von gegensätzlichen Adjektiven gebildet. Beispiel: tsha-grang wörtlich „heiß-kalt“, d. h. „Temperatur“.
In der klassischen Schriftsprache werden neun Fälle mit Suffixen markiert, die in der modernen Schriftsprache weitgehend erhalten sind:
Es gibt mehrere Pluralsuffixe (-rnams, -dag), die jedoch nicht verwendet werden, wenn aus dem Kontext hervorgeht, dass das betreffende Wort im Plural ist.
Die Tibetische Verbalmorphologie beruht sowohl auf Agglutination – Verben werden nach Person und Numerus flektiert, was durch Endungen deutlich gemacht wird, unterscheiden hier jedoch nur die erste Person von den beiden restlichen – als auch auf Wurzelflexion – hier wird mit Ton und Ablaut gearbeitet. Jedes Verb hat bis zu vier verschiedene Stämme, die von tibetischen Grammatikern traditionell als Gegenwart (lda-ta), Vergangenheit (’das-pa), Zukunft (ma-’ongs-pa) und Befehlsform (skul-tshigs) bezeichnet werden. Die verschiedenen Stämme werden meist durch Ablaut gebildet, z. B. byed, byas, bya, byos „machen“. Die genaue Funktion dieser Stammformen ist bis heute umstritten.
Die wenigsten Verben können sämtliche vier Stammformen bilden. Dieser Mangel an zeitlichen Ausdrucksformen wird im modernen Tibetisch durch Hilfsverben oder die Beifügung von Suffixen ausgeglichen.
Die Satzstellung ist grundsätzlich Subjekt-Objekt-Verb. Adjektive stehen nach dem Substantiv. Adverbialbestimmungen stehen vor dem Verb. Nomen im Genitiv stehen vor dem regierenden Substantiv.
Das tibetische Alphabet soll im 7. Jahrhundert von Thonmi Sambhota geschaffen worden sein. Der Legende nach erfand er nicht nur die tibetische Schrift, sondern auch die Sprache selbst, die er in einem zweibändigen Werk vollständig beschrieben haben soll.
Das erste von einem Europäer zusammengestellte Wörterbuch stammt von den Italienern da Ascoli, da Tours und Domenico da Fano. Es erreichte Europa im Jahr 1714 und ist als unveröffentlichtes Manuskript in der Bibliothèque Nationale in Paris erhalten. Die ersten vier Seiten des Manuskripts befassen sich mit der tibetischen Schrift, während die Seiten 5–41 das Lateinisch-Tibetische Wörterbuch bilden, das folgenden Titel trägt:
Das zweite von Europäern verfasste Wörterbuch (Tibetisch-Italienisch) stammt von Horazio della Penna (1690–1745). Es wurde von F. C. G. Schroeter ins Englische übertragen und ist im Druck erschienen:
Das dritte von einem Europäer verfasste Wörterbuch stammt von Csoma de Körös, der als Begründer der Tibetologie gilt: