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Jean-Marie Gustave Le Clézio, seltener LeClézio (* 13. April 1940 in Nizza), ist ein französisch-mauritischer Schriftsteller. Im Jahr 2008 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Jean-Marie Gustave Le Clézio (2008)
Jean-Marie Gustave Le Clézio (2008)
'Das Protokoll' (Originaltitel 'Le procès-verbal'). J.M.G. Le Clézios Erstlingsroman, für den er 1963 mit dem renommierten Prix Renaudot ausgezeichnet wurde.
'Das Protokoll' (Originaltitel 'Le procès-verbal'). J.M.G. Le Clézios Erstlingsroman, für den er 1963 mit dem renommierten Prix Renaudot ausgezeichnet wurde.

Leben und familiärer Hintergrund


Jean-Marie Le Clézio ist der Sohn von Raoul Le Clézio und Simone Le Clézio. (Die Eltern sind Cousin und Cousine und haben dieselben Großeltern: Sir Eugène Le Clézio (1832–1915) und dessen Frau Camille, geb. Accary (1835–1898)).

Die Wurzeln seiner Familie weisen nach Frankreich in die Bretagne und zur Insel Mauritius im Indischen Ozean. Vorfahren seiner Familie (François Alexis Le Clézio (1777–?) und dessen Frau Marie Julienne (1779–1834), geb. Monple) emigrierten, um den Revolutionswirren zu entkommen, 1793 aus der Bretagne nach Mauritius. Die Insel befand sich zu diesem Zeitpunkt noch unter französischer Herrschaft und wurde später englisch.

Die nachfolgenden Generationen brachten es zu wirtschaftlichem Erfolg. So wurde Le Clézios Ur-Ur-Großvater (Alexis) Jules Eugène Le Clézio (1805–1893) Präsident der Mauritius Commercial Bank, gründete 1833 die Zeitung Le Mauritien und wurde später Besitzer einer Zuckerrohrplantage.[1]

Le Clézio hat sowohl die französische Staatsangehörigkeit als auch die von Mauritius. Seine Kindheit verbrachte er in Nizza. Seinen Vater, einen britischen Tropenarzt in Nigeria und Kamerun, der während des Zweiten Weltkrieges dort und von seiner Familie getrennt geblieben war, lernte er erst als Achtjähriger kennen, als er mit seiner Mutter und seinem um ein Jahr älteren Bruder nach Afrika reiste. Während der zweimonatigen Schiffsreise schrieb er in der Kabine seine ersten Erzählungen. Zu reisen und zu schreiben gehören seither für ihn zusammen.[2] Nach der Rückkehr der Familie nach Europa und dem Ende seiner Schulzeit studierte er zunächst Englisch in London und Bristol, während er gleichzeitig Französisch unterrichtete. Dann studierte er am Collège littéraire universitaire in Nizza Philosophie und Literatur und beendete sein Studium 1964 in Aix-en-Provence. Eine Dissertation über Lautréamonts Les chants de Maldoror blieb unvollendet. 1966/67 war er im Rahmen seines Militärdienstes als Entwicklungshelfer in Bangkok und Mexiko tätig.[3] 1983 wurde er an der Universität Perpignan mit einer Arbeit zur Frühgeschichte Mexikos promoviert. Er lehrte unter anderem an den Universitäten Bangkok, Mexiko-Stadt, Boston, Austin und Albuquerque.[4]

Nach einer ersten 1961 geschlossenen Ehe mit Rosalie Piquemal (mit der er eine Tochter Patricia hat) heiratete er nach der Scheidung 1975 Jémia Jean, ursprünglich aus Marokko und der Westsahara stammend. Aus dieser zweiten Ehe stammen die beiden Töchter Alice und Anna. Le Clézio erklärt sich dem Islam und insbesondere dem Sufismus nahe.[5]

Bekannt wurde Le Clézio 1963 als 23-Jähriger mit seinem Erstling Das Protokoll (Procès-verbal). Seitdem sind über dreißig Werke von Le Clézio erschienen, darunter Erzählungen, Romane, Essays, Novellen und zwei Übersetzungen indianischer Mythologie, z. B. das Chilam Balam der Maya.


Le Clézio im Interview 2001


In einem Interview, das 2001 in „Label France“ erschien,[6] lässt der in Paris lebende Literaturwissenschaftler Tirthankar Chanda Le Clézio ein Selbstporträt entwerfen, in dem sich zeigt, welche Entwicklung der Schriftsteller seit seinem ersten Erfolg als 23-Jähriger abseits des französischen Literaturbetriebs durchlaufen hat.
Wenn Le Clézio sich in der Charakterisierung wiedererkennt, sowohl für Mystisches wie auch Philosophisches und ökologische Fragestellungen offen zu sein, dann sei zu berücksichtigen, dass er viel weniger Ideen verfolge, als dass er sich selbst ausdrücken möchte und das, woran er glaubt. Im Unterschied zum literarischen Engagement, wie es sich bei Jean-Paul Sartre, Albert Camus, John Dos Passos oder John Steinbeck gezeigt und in dem sich ein großes Vertrauen in die menschliche Entwicklung und die Macht des Schreibens geäußert habe, sieht er in der Gegenwartsliteratur eher Verzweiflung vorherrschen. Dabei sei Literatur sowieso ungeeignet, die Welt zu verändern.
In der von ihm bevorzugten Gattung des Romans, die sich einer eindeutigen Zuordnung entziehe, könne er am besten auf die Multipolarität der Welt reagieren. Wenn er als nicht leicht in den französischen Literaturbetrieb einzuordnen gelte, dann habe das mit dem Erbe der Enzyklopädisten zu tun, in dem alles, was nicht ihrem universalen Einordnungsanspruch genügte, im Exotischen marginalisiert werde. Arthur Rimbaud oder Victor Segalen seien dafür Beispiele. Auch gegenwärtige Schriftsteller aus der südlichen Hemisphäre hätten auf dem europäischen Buchmarkt nur eine Chance, wenn sie der europäischen Kategorie des „Exotischen“ genügten.
Als er sich bewusst geworden sei, wie sehr der europäische Rationalismus den städtischen und technischen Entwicklungsaspekt vorangetrieben hat, habe er sich anderen Zivilisationen zugewandt, in denen andere Ausdrucksqualitäten mehr zählen. So habe er Ende der 1960er Jahre bei einem zweijährigen Aufenthalt in Mexiko, wo er im Institut français für Lateinamerika, anstatt zum Wehrdienst eingezogen zu werden, zum Ordnen von Bücherzetteln abgeordnet war, auch Ausflüge nach Panama machen können, wo er das Volk der Embera kennengelernt habe. Zwischen 1970 und 1974 habe er sich erneut bei diesen aufgehalten. Sie hätten ihn beeindruckt, weil sie ohne juristische oder religiöse Autorität lebten. Über sie zu schreiben habe ihm gleich den Vorwurf eingebracht, dem Mythos vom „edlen Wilden“ aufgesessen zu sein. Dabei habe er nichts anderes machen wollen, als die anderen Kriterien und Werte, nach denen sie lebten, zu veranschaulichen.
In seinen Werken – so zum Beispiel in Cœur Brûle et autres romances (2000) – gehe es ihm darum, die europäische Welt, die eine der Häuslichkeit, der Innenräume und der Verschulung sei, mit Kulturen zu vergleichen, die nach außen gekehrt sind, dem Augenblick gelten und wo sich das Leben auf der Straße abspielt. Anlässe zum Schreiben dieser Erzählungen hätten sich aus vermischten Zeitungsnachrichten ergeben, basierten also auf tatsächlich Geschehenem.

Dem Autobiographischen, das er mehr und mehr berücksichtige, komme der bürgerliche Roman des 19. Jahrhunderts insofern entgegen, als er sich als ein Experimentierfeld für vielgestaltige Ausdrucksformen weiterentwickelt habe, weil ihn nämlich jede Generation neu entdeckt und umgeformt habe, indem sie neue Elemente in ihn einführte. In seinem Schreiben wirke das manchmal so, als würde er alle Gattungsgrenzen verwischen wollen. Darin schlage sich auch das Erbe seiner Lieblingsromanciers Robert Louis Stevenson und James Joyce nieder. Sie schöpften wie auch V. S. Naipaul aus den Erfahrungen ihrer ersten Lebensjahre. Für ihn, dessen Familie seit Generationen in Mauritius beheimatet gewesen sei, einem Lande, wo Indien, Afrika und Europa einander begegneten, zähle die Erfahrung des Exils. Er habe als in Frankreich Geborener immer den Eindruck gehabt, sein Heimatland liege woanders und einmal werde er dorthin gelangen. So fühle er sich seinem bretonischen Vorfahren nahe, der nach Mauritius gegangen sei, um sich am anderen Ende der Welt niederzulassen. Frankreich bedeute ihm als Nation nichts Verpflichtendes, aber die französische Sprache sei vielleicht seine wahre Heimat.


Auszeichnungen


Der Nobelpreis wurde „dem Verfasser des Aufbruchs, des poetischen Abenteuers und der sinnlichen Ekstase, dem Erforscher einer Menschlichkeit außerhalb und unterhalb der herrschenden Zivilisation“[8] verliehen.


Nominierung



Werke in deutscher Übersetzung



Werke (im Original)



Literatur




Commons: Jean-Marie Gustave Le Clézio – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Zu Le Clézios Vorfahren (Memento des Originals vom 18. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.blueisland.onlinehome.de.
  2. Joseph Hanimann: Der Jäger der verlorenen Träume. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Oktober 2008, Nr. 237, S. 37. – Mit dieser ersten Schiffsreise beginnt 1991 sein Roman Onitsha.
  3. Françoise Dubor: J. M. G. Le Clézio. In: Yale French Studies, Nr. 75, 1988, S. 209–210.
  4. Vgl. Biographisches zur Nobelpreisverleihung.
  5. Le Clézio, le Maroc et l'islam - Festival Etonnants voyageurs - Littérature - La Vie. Abgerufen am 12. April 2020 (französisch).
  6. Le Clézio gibt Auskunft über sich als Autor (aufgerufen am 11. Juli 2010)
  7. Sveriges Radio@1@2Vorlage:Toter Link/www.sr.se (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. 4. Juni 2008.
  8. Pressemitteilung der Nobelstiftung (PDF; 23 kB), 9. Oktober 2008.
  9. Enthält: Tempête und Une femme sans identité.
  10. Erstauflage mit falscher ISBN.
  11. zuerst in: Le Monde, April 1985. (über die Unterdrückung von sog. primitiven Kulturen durch die "Zivilisation")
  12. über die Schriftstellerei, vgl. ebd. Gespräch mit Pierre Maury, S. 160–163.
  13. Kapitel "Tixcacal" deutsch in: Akzente (Zeitschrift) H. 2, April 1988, S. 133–143.
  14. darin: "Orlamonde." deutsch in Akzente, wie vor, S. 153–159.
  15. über die Entstehung von „Der Goldsucher“, auf den Spuren seines Großvaters. Deutscher Auszug in Akzente 1988, siehe oben zu 1980, S. 143–148.
Personendaten
NAME Le Clézio, Jean-Marie Gustave
ALTERNATIVNAMEN LeClézio, Jean-Marie Gustave
KURZBESCHREIBUNG französisch-mauritischer Schriftsteller
GEBURTSDATUM 13. April 1940
GEBURTSORT Nizza

На других языках


- [de] Jean-Marie Gustave Le Clézio

[en] J. M. G. Le Clézio

Jean-Marie Gustave Le Clézio (French: [ʒɑ̃ maʁi ɡystav lə klezjo]; 13 April 1940), usually identified as J. M. G. Le Clézio, of French and Mauritian nationality, is a writer and professor. The author of over forty works, he was awarded the 1963 Prix Renaudot for his novel Le Procès-Verbal and the 2008 Nobel Prize in Literature for his life's work, as an "author of new departures, poetic adventure and sensual ecstasy, explorer of a humanity beyond and below the reigning civilization".[1]

[ru] Леклезио, Жан-Мари Гюстав

Жан-Мари Гюстав Ле Клезио (фр. Jean-Marie Gustave Le Clézio; р. 13 апреля 1940, Ницца) — французский писатель, лауреат премии Ренодо (1963) и Нобелевской премии по литературе 2008 года[5].



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